
Rund um den Brustring
·4 May 2025
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Yahoo sportsRund um den Brustring
·4 May 2025
Der VfB gewinnt mit der Auswärtspartie bei St. Pauli nach drei enttäuschenden Spielen endlich wieder mal und hat sich das, anders als zuletzt, auch durch eine entsprechende Leistung verdient.
Zugegebenermaßen: Es war schon wieder zum Haareraufen, als sich der Dreiersturm im Brustring, der immerhin knapp 30 Tore auf sich vereint, in der Endphase des Auswärtsspiels auf St. Pauli den Ball so lange im gegnerischen Strafraum hin- und herschob, bis der Ball schließlich weg war. Im zweiten Spiel in Folge, nutzt der VfB viele Chancen nicht, verschießt gar einen Elfmeter und nimmt am Ende trotzdem drei Punkte aus der Hansestadt mit. Die sind zwar tabellarisch so gut wie egal, denn auf Platz 6 springt der VfB in dieser Saison nur, wenn gleichzeitig die Hölle zufriert. Für die in dieser Rückrunde stark gepiesackten Köpfe könnte der Last-Minute-Treffer am Millerntor aber eine größere Wirkung entfalten als das mühelose 4:0 in Bochum oder das Hochglanzspiel im Pokalhalbfinale.
Warum aber hatte sich der VfB die drei Punkte am Samstag mehr verdient als sagen wir in der Vorwoche gegen Heidenheim oder in Köpenick? Weil sie von Beginn an mit einer größeren Ernsthaftigkeit ins Spiel ging, auch wenn die die eigenen Unzulänglichkeiten vor dem Tor nicht vollends kaschieren konnte. Angesichts der Defensivstärke der Gastgeber war das vielleicht das schwierigste der letzten drei Spiele. Denn dass der VfB ein Tor schießt, davon kann man eigentlich immer ausgehen, das Problem ist nur, dass es meist nicht reicht. In dieser Partie schon, weil die Brustringträger sich zwar auch kleinere Unkonzentriertheiten leisteten, diese aber umgehend ausbügelten und so den Gegner bei lediglich 0,21 expected goals hielt — dem niedrigsten Wert aller VfB-Kontrahenten in dieser Saison.
Das mag zwar angesichts der Tatsache, dass die Hamburger die schwächste Offensive der Liga stellen und 30 Minuten in Unterzahl bestritten, nicht besonders beeindruckend sein. Wenn man aber sieht, wie der VfB in dieser Saison schon harmlose Gegner stark gemacht hat — zuletzt die Nachbarn aus Heidenheim — dann kann man hier schon von einer Steigerung sprechen. Auf der anderen Seite erspielte sich die Mannschaft wesentlich mehr und bessere Chancen als im letzten Spiel und das gegen einen der besten oder meinetwegen formstärksten Torhüter der Liga. Die 3,56 erwarteten Tore gab es in dieser Saison nur einmal und zwar beim 5:1‑Heimsieg gegen Dortmund, als man damit sogar überperformte. Nikola Vasilj musste gegen die VfB-Offensive wesentlich häufiger eingreifen als sein Kollege Kevin Müller vor Wochenfrist (Gute Besserung an dieser Stelle!)
Hinzu kam die Atmosphäre am Millerntor, die sich mit dem Platzverweis für Siebe van der Heyden nach 57 Minuten erst richtig entzündete. St. Pauli steckt noch so ein bisschen im Abstiegskampf und das merkte man. Beim MillernTon sah man viele 50/50-Entscheidungen von Referee Florian Exner eher als 60/40-Entscheidungen zu unseren Gunsten und in der Tat wirkte der Schiedsrichter, der seine erste Saison in der Bundesliga pfeift, wie ein Referendar in der Schule, der alles besonders richtig machen will. Das kam dem VfB gegen eine kämpferische Hamburger Truppe durchaus zupass, denn vieles wurde abgepfiffen und selber kam man mit dem Unparteiischen nur in Berührung, wenn man einen der wenigen Fehler ausbügeln musste, so wie Jeff Chabot einen schlampigen Pass von Stiller nach 16 Minuten. Die gelb-rote Karte gegen den wegen Zeitspiel meckernden Vasilj war dann natürlich die Krönung der Kleinlichkeit, die für das Spiel keine Auswirkungen mehr hatte, für den Abstiegskampf der Hamburger aber natürlich theoretisch schon noch bedeutend sein könnte.
Dass auf der anderen Seite von der Heyden den Anpfiff des Elfmeters von Nick Woltemade absichtlich so lange wie möglich hinauszögerte, findet in Hamburg natürlich keine Erwähnung. Ist auch völlig ok, denn so ist Abstiegskampf und dieses grenzwertige Verhalten hätte ich mir in den vergangenen Jahren von unseren Jungs auch gewünscht. Wie fast schon absehbar versagten Nick Woltemade im Anschluss die Nerven und ein souveränerer Schiedsrichter hätte den Elfmeter vielleicht einfach ausführen lassen, ohne dass der des Feldes verwiesene Spieler wirklich den Innenraum verlassen hatte. Die Schuld am Nervenflattern haben aber natürlich weder Verteidiger, noch Schiedsrichter, sondern sie ist das Ergebnis der nervenzehrenden letzten Wochen. Dass Woltemades Siegtreffer nach einem Pass von Ermedin Demirovic dann schließlich ziemlich genau vom Elfmeterpunkt fiel, hat natürlich eine gewisse Ironie.
Natürlich kann dieser Auswärtssieg nur ein erster kleiner Schritt aus der Krise sein. Wie auch immer das Tor am Ende fiel, es zeigte der Mannschaft, dass sie für ihren Aufwand und ihre Intensität auch mal belohnt wird. Ehrlicherweise sind die letzten drei Saisonspiele ja nur noch ein Warmlaufen fürs Pokalfinale und in diesem, das kann ich nur wiederholen, wird die individuelle Überlegenheit des VfB nicht ausreichen, wenn sie nicht gepaart ist mit der richtigen Haltung zum Gegner. Was das angeht, habe ich am Samstag in Hamburg einen Fortschritt gesehen. Weiterhin verheerend ist allerdings, für wie viel Aufwand der VfB sich am Ende belohnte. Während man sich gegen Heidenheim schlechte Torchancen erarbeitete, versuchte man dieses Mal geradezu, den Ball ins Tor zu tragen. Erneut blieben Ermedin Demirovic und Deniz Undav ohne eigenes Tor, auch wenn man bei beiden eine Leistungssteigerung sieht. Immerhin haben sie noch zwei Spiele gegen zwei Gegner, gegen die man in dieser Saison bereits zwei Mal gewinnen konnte, um sich warmzuschießen.
Mich jedenfalls hat der Auftritt in Hamburg wieder etwas beruhigt, wenn auch nicht unbedingt in Euphorie versetzt. Der Abwärtstrend scheint fürs erste gestoppt. Aber jetzt muss es wieder aufwärts gehen.
Zum Weiterlesen: Der Vertikalpass lobt: “Selbst in einem zunehmend immer hektischeren Spiel behielt der VfB die Nerven. Gerade wenn es hitzig wird, stellt sich der VfB sonst nicht besonders clever an.” Beim MillernTon schreibt Tim gewohnt fundiert von einer verdienten, aber bitteren Niederlage.
Titelbild: © Selim Sudheimer/Getty Images