Erlösung für Giannikis | OneFootball

So viel steht fest: Agis Giannikis ist beim TSV 1860 raus! Nach 375 Tagen wird das Experiment vorzeitig abgebrochen. Für den bemitleidenswerten Trainer selbst dürfte es sich wie eine Erlösung anfühlen. Denn wohl dürfte sich der 44-jährige Deutsch-Grieche in diesem spannungsgeladenen Umfeld, in dem schmutzige Vereinspolitik weiter vor Leistungssport steht, schon lange nicht mehr gefühlt haben...

Aber bei den Löwen geht es ja auch nicht um die gewisse Wohlfühlatmosphäre, sondern darum, den kranken TSV 1860 wiederzubeleben - und genau diese Stufe traute man Giannikis nach dem desaströsen 0:4 in Saarbrücken nicht mehr zu. Schon im vergangenen Herbst kamen erste Gerüchte auf, dass man nicht mehr zufrieden mit seiner Arbeit sei. Warum man ihn trotz dieser Erkenntnis erst Monate später beurlaubt, hatte möglicherweise wieder an den Finanzen gelegen. Der e.V.-Anwalt Erhard Kött hatte beim Mueller-Prozess dazu überraschend Stellung genommen - und damit verraten, dass eine finanzielle Fehlplanung 1860 logisches Handeln verwehrte…

Die Bilanz des lieben Herrn Giannikis ist vernichtend: In 39 Spielen in der Dritten Liga holte er 1,28 Punkte im Schnitt, allein in dieser Saison hatte es unter Giannikis nach 20 Spieltagen bereits zehn Niederlagen gesetzt - es ist die Bilanz eines Absteigers. Zum Vergleich: Der Tabellenletzte Unterhaching kommt auf die selbe Zahl. Giannikis Körpersprache hatte sich am Ende auch auf die Mannschaft übertragen.

Bei all menschlicher Klasse in puncto Anstand hatte Giannikis zu viele Defizite, um die Löwen in die richtigen Bahnen zu lenken: Er war definitiv kein sportlicher Bessermacher - und das lag auch daran, dass er nicht erkannte, dass eine 1860-Mannschaft in erster Linie Leidenschaft, Kampfkraft und Herzblut braucht. Die Mannschaft wurde letztlich immer mehr zu einem Abziehbild von Giannikis selbst. Was sich bereits im Erholungs-Trainingslager im vergangenen Sommer in Windischgarsten abzeichnete (man hatte es verpasst, dort die konditionellen wichtigen Grundlagen zu legen) und sich bis gestern fortsetzte (lascher berechenbarer Trainingsplan), war die Tatsache, dass die vorhandene Qualität des Kaders nicht abgerufen wird. Hinzu kam, dass die öffentlichen Auftritte von Giannikis und die Verdrehung der Realitäten das Löwen-Umfeld zuletzt richtig grantig gemacht haben. Ohne Persönlichkeit kann man einen pulsierenden Traditionsverein wie 1860 nicht lenken - Giannikis ist auch daran gescheitert.

Die Lieferando-Abteilung, also die 50+1-Granden auf Vereinsseite, müssen sich die Frage gefallen lassen, warum 1860 inzwischen der Regionalliga Bayern wieder näher steht als der Zweiten Liga und weiter kaum ein Fettnäpfchen ausgelassen wird. Bevor man den Finger Richtung Abu Dhabi zeigt, sollte man sich erst einmal hinterfragen, ob 1860 für sich selbst nicht ein paar Nummern zu groß ist und es aus Lieben-Liebe nicht besser wäre, den Weg für eine neue Kultur bei 1860 freizumachen.

Oliver Griss (53) berichtet seit 1989 über die Löwen, u.a. davon 12 Jahre für die Münchner Abendzeitung zu Bundesliga-Zeiten. db24 wurde 2011 gegründet.