EM-Fazit zu den DFB-Frauen: Viel Energie verbraucht, noch mehr freigesetzt | OneFootball

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·24 July 2025

EM-Fazit zu den DFB-Frauen: Viel Energie verbraucht, noch mehr freigesetzt

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So viel Tradition, so viele Titel, und doch zeigte die EM 2025 erneut ein großes Manko beim deutschen Nationalteam der Frauen auf: Dieses Team ist namenslos, oder zumindest spitznamenslos. "Die Frauschaft", das Pendant zum schon bei den Herren der Schöpfung wenig erfolgreichen Marketingnamen, scheint wenig erfolgversprechend, schließlich reden selbst Bundestrainer und Spielerinnen stets nur von "der Mannschaft".

Nach dieser EM, die für Deutschland von einem unermüdlichen Laufwillen und der Lust am Ins-Spiel-Reinkämpfen geprägt war, bieten sich eher die beliebten Tiervergleiche an. Die Löwin ist das Symbol schlechthin für Größe und Kampfgeist, nur leider haben die englischen Lionesses dieses Tier schon fest für sich reklamiert, und daneben gibt es noch die Oranje Leeuwinnen aus den Niederlanden. Neben solch knallorangenen Prachtexemplaren kann man nur blass und lächerlich aussehen, also muss ein anderes Tier her.


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Warum eigentlich nicht die Bärin? Ausdauer, gute Laune und unerschöpfliche Kraftressourcen – diese Charakteristika der Bärin passen eigentlich perfekt zu der Leistung der DFB-Frauen bei dieser EM. Bärenstark waren die spielerischen Leistungen nicht immer, aber der Durchhaltewille trotz Widrigkeiten definitiv.

Aus gegen Spanien trotz vorbildlichen Einsatzes

Im Halbfinale ist die Reise gegen Spanien zu Ende gegangen, das Aus war nicht ganz unverdient. Deutschland gelang es nicht, das Kunststück, individuell deutlich stärkere Gegnerinnen über 120 Minuten zu entnerven, zu wiederholen. Immerhin 113 Minuten lang gelang das, bis eine Fehlerkette in der Abwehr und ein Schuss von Aitana Bonmati, präzise wie vom Laserstrahl vorgezeichnet, das deutsche Aus besiegelten. Fiesta nach Abpfiff im numerisch deutlich unterlegenen spanischen Fanblock, während dem Großteil der Fans im Letzigrund eine Mischung aus Resignation, Stolz und Enttäuschung ins Gesicht gestanden schrieb.

Das zweite kleine Wunder in Folge wäre eins zu viel verlangt gewesen, die deutschen Spielerinnen wirkten in den letzten Minuten so ausgelaugt, als wären sie gerade im Vollsprint zehn Runden um die Tartanbahn im Letzigrund, diesem herrlichen und doch als Fußballstadion etwas untauglichen Stadion, gerannt. Fehlender Einsatz wird ihnen selbst Matthias Sammer, Dauernörgler und Vermisstmelder der "deutschen Tugenden", nicht vorwerfen können. Sophia Kleinherne, die überzeugend demonstrierte, warum sie mehr als eine 1B-Lösung in der Abwehr ist, warf sich in jeden Schuss und spitzelte den Spanierinnen ganze fünf Mal noch den Ball vom Fuß, als sie gerade abschließen wollten. Es war ein Ritt auf der Rasierklinge, eigentlich kam Deutschland ständig ein wenig zu spät, wie schon gegen Frankreich, aber gerade so wenig zu spät, dass es doch noch gut ging.

Eine EM, die viel Energie kostete - und noch mehr freisetzen könnte

Diese EM war kräftezehrend, und doch bleibt der Eindruck, dass sie auf lange Sicht viel Energie freisetzen könnte. Das Viertelfinale gegen Frankreich war ein Spiel, das in das kollektive Gedächtnis dieses Teams eingehen wird, das das Selbstverständnis dieser Elf über Jahre prägen könnte. Wisst ihr noch, damals in Basel? Der französische Historiker Ernest Renan hat einst gesagt, dass Niederlagen Nationen mehr zusammenschweißen als Siege – auf Fußballteams bezogen gilt dieses Postulat jedenfalls nicht, zumindest nicht für höchstdramatische Siege im Elfmeterschießen.

An diesem Samstagabend in Basel schien alles möglich, eine ganze Welt an Möglichkeiten öffnete sich vor der lautstarken Kulisse der deutschen Fans. Ein gemeinsames Aufputschen war es, immer wieder gestikulierten Kleinherne und Co. zur deutschen Kurve: Weiter, weiter, lauter, lauter! Von Basel aus schwappte dieser Glaube an die eigene Unbezwingbarkeit, den man glaubte, irgendwann nach 2016 endgültig verloren zu haben, in die Wohnzimmer in Bösensell und Heitersheim.

Es war eine Vorstellung, die schon am gleichen Tag irgendwie vintage wirkte, wie eine Geschichte des eigenen Opas von einer Fußballelf damals, in den 50er oder 60er-Jahren, als Wunder noch möglich waren. Und bei der man schon spürte, als Ann-Katrin Berger nach dem letzten gehaltenen Elfmeter auf ihre Knie sank, dass sie noch mehr vintage werden würde, ein Referenzpunkt für die nächsten Jahre. Ein Spiel, das sich nicht vor unzähligen Romantisierungen und Wiedererzählungen retten können wird. Die Ästhetik der klassichen schwarz-weißen Trikots, die Bilder aus der Kurve, die ikonische Jubelgeste - man sieht schon die Kurzvideos vor sich, die in zehn Jahren von diesem Spiel gepostet werden. Damals in Basel... Wer die Kommentare unter Artikeln in großen deutschen Zeitungen las, fand dort all die Hans-Dieters und die Wolfgangs, die plötzlich an diesem Abend verstanden hatten, dass der Fußball der Frauen genau die gleichen Emotionen auslösen kann wie das Pendant der Männer.

Da war etwas vollbracht, das nicht mehr rückgängig gemacht werden wird, wie auch die starken TV-Quoten von über 50 Prozent zeigten. Die DFB-Frauen werden sich in Zukunft an diesem Spiel und dem gegen Spanien hochziehen können, als plötzlich die Youngster und eigentlichen Reservespielerinnen Carlotta Wamser und Franziska Kett aufspielten, als wären sie geboren als Außenverteidigerinnen und nicht als Offensivspielerinnen. Ann-Katrin Berger machte beim Gegentor gegen Spanien nicht die kurze Ecke zu, aber die deutlich längere Halbwertszeit in der Fußballgeschichte wird ihre brillante Parade im Viertelfinale gegen Frankreich bleiben, als sie in einem Meisterakt der Koordination den Ball im Rückwärtsgang noch von der Linie kratzte.

Bei einer unkritischen Analyse erweist sich der DFB selbst einen Bärendienst

Dieses spitznamenslose Team hat viele Sympathien und ein neues Selbstverständnis gewonnen, aber genug der Lobhudelei. Denn der unbedingte Wille zum Ackern verdeckte letztendlich auch, wie weit die Spitze spielerisch weiter entfernt ist. Das Mittelfeld ging gegen Spanien unter und bekam kaum einen Ball nach vorne gebracht, und dort war das Bühl-Brand-Duo auf sich gestellt, das aber einer Fehlentscheidung beim Konter auch oft nicht abgeneigt ist. Von Wücks Vorstellungen von Offensivfußball war bei der EM herzlich wenig zu sehen.

Das ist dem Trainer kaum zum Vorwurf zu machen, in den Partien gegen Frankreich und Spanien war Deutschland nur durch diese knallharte Defensive konkurrenzfähig. Wie diese Konkurrenzfähigkeit dann in den nächsten Jahren aussehen soll, bleibt aber noch schleierhaft. In den Vorrundenspielen zumindest führte der riskantere Offensivansatz nicht zu Chancen wie am Fließband. Wenn der Rausch abgeklungen ist, sollte daher auch eine kritische EM-Betrachtung erfolgen. Falls der DFB und das Trainerteam um Christian Wück diese EM als reinen Erfolg betrachten, erweisen sie dem Team nur, nunja: einen Bärendienst.

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