Miasanrot
·23 June 2024
In partnership with
Yahoo sportsMiasanrot
·23 June 2024
Der zweite Spieltag der Gruppenphase ist abgeschlossen, die Zahl der Eigentore steigt fröhlich weiter, Belgien ist aufgewacht und sorgt mit einem Sieg gegen Rumänien für eine spannende Konstellation in Gruppe E. Ein Überblick.
Ein Märchen, das sich bei vielen offensichtlich von der Kinderstube ins Erwachsenenalter gerettet hat, geht so: Es war einmal eine Ballsportart, die Menschen aus aller Welt – egal welchen Alters, welcher Religion und welcher Hautfarbe – alle zwei Jahre in einem rauschenden Fest zusammenbrachte; und in diesen vier Wochen kümmerte sich niemand um politische Gesinnungen, sondern lagen sich feiernd in den Armen, hatten sich lieb und lebten glücklich bis an ihr Lebensende.
Dass der Fußball natürlich immer politisch ist, passt in diese Geschichte nicht ganz so gut rein. In unserem EM-Blog gestern hat Justin aber darüber berichtet, dass es auch und angesichts der aktuellen schwierigen Lage in Europa gerade bei diesem Turnier schon einige rechtsextremistische Vorfälle gegeben hat, die in der Öffentlichkeit aber entweder nicht wahrgenommen oder bewusst ignoriert werden.
Das heißt aber nicht, dass man diese Europameisterschaft nicht trotzdem genießen kann und soll. Natürlich – und zum Glück – gibt es auch die andere Seite, die dem Märchen im Grundtenor schon recht nahekommt: Das Turnier macht richtig viel Spaß bislang, und das liegt eben unter anderem auch daran, dass der Großteil der Fans – vielleicht auch gerade angesichts der angespannten Weltlage, in der man sich mehr als sonst nach Ablenkung sehnt – ausgelassen, friedlich und harmonisch miteinander interagieren, trotz aller Rivalitäten auf dem Platz.
Die tanzenden Niederländer*innen, die jubelnden Ukrainer*innen, die feiernden Türk*innen: Die meisten Bilder rund um die Fußballpartien bereiten gute Laune. Aber die schönste Liebesgeschichte, die diese Europameisterschaft bislang hervorgebracht hat, ist die zwischen den schottischen und deutschen Fußballfans. Es ist vielleicht noch etwas zu früh, von „den besten Fans des Turniers“ zu sprechen, aber mal ernsthaft: Wer wird den schottischen Fans noch das Wasser (oder das Bier oder den Whisky) reichen können?
In den sozialen Medien (von schottischer Seite stark angetrieben von der @TartanArmyGroup, Netzwerk und Anlaufstelle für Schottland-Fans) überbieten sich schottische und deutsche Fans mit gegenseitigen Liebesbekundungen. Unzählige Videos und Reels bezeugen ihre Sympathie zu- und den Respekt voreinander: Von zwei schottischen Fans, die geduldig eine ältere Dame mit Rollator unter ihrem Regenschirm von A nach B bringen, damit sie nicht nass wird, zu Fans, die Lieder auf Kölsch in Begleitung von Dudelsack-Musik singen, bis hin zu einem Anwohner Kölns, der von seinem Balkon freudestrahlend Bierflaschen an die vorbeiziehenden schottischen Fans verteilt – es ist alles ganz herzallerliebst und erfrischend und wirklich einfach nur schön.
So schön, dass sogar die Oberbürgermeisterin von Köln, Henriette Reker, ein offizielles Statement auf X veröffentlichte, in dem sie den Fans von Herzen für die wundervolle Zeit dankte, und es inzwischen eine Petition gibt, die den DFB dazu auffordert, ein jährliches Freundschaftsspiel zwischen Deutschland und Schottland einzuführen.
Wir sagen „Tapadh leit“ (laut Internet bedeutet dies „Danke“ auf Gälisch) und drücken die Daumen für das letzte Gruppenspiel gegen Ungarn. Ach, und unseren nächsten Urlaub verbringen wir selbstverständlich in den Scottish Highlands.
Ach ja, Fußball gespielt wurde natürlich auch, und zwar die letzten Partien dieses zweiten Spieltags, bevor es in den nächsten Begegnungen für die einzelnen Nationen um den Einzug in die K.o.-Phase geht (bis auf Deutschland, Spanien und Portugal, die sind sicher dabei, und nun ja, Polen, die schon sicher ausgeschieden sind).
Bereits am Donnerstag spielte England gegen Dänemark, und nach der Partie, die in einem 1:1-Unentschieden endete, fand ein ganz besonderes Interview statt. Der dänische Torwart Kasper Schmeichel stellte sich nach seinem 102. Länderspiel den Fragen des Fernsehsenders FOX – und der Reporter war kein anderer als sein Vater Peter Schmeichel, ebenfalls ehemaliger Keeper der dänischen Nationalmannschaft und Europameister von 1992. Nach dem Interview nahm er seinen Sohn in den Arm und sagte: “I do a lot of post-match interviews but I never do this.” Vater Peter bestritt übrigens 129 Länderspiele für Dänemark.
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, oder, um es in Fußballsprache zu übersetzen: Der Ball rollt nicht weit weg vom Tor. Neben den Schmeichels gibt es bei diesem Turnier noch eine Reihe anderer Spieler, deren Väter ebenfalls Profifußballer waren und für ihr Land auflaufen durften. Der portugiesische Flügelspieler Francisco Conceição, der heute nur auf der Bank saß, ist der Sohn vom ehemaligen Mittelfeldspieler Sérgio Conceição. Die Älteren unter uns werden sich vielleicht an ihn erinnern, wenn auch nur ungern: Bei der Europameisterschaft 2000, die die Deutschen wohl liebsten aus ihrem kollektiven Fußball-Gedächtnis streichen würden, schoss Papa Conceição im Spiel gegen Deutschland drei Tore und somit aus dem Turnier.
Weitere Vater-Sohn-Gespanne sind Danny und Daley Blind (Niederlande), Lilian und Marcus Thuram (Frankreich), Enrico und Federico Chiesa (Italien) sowie Gheorghe und Ianis Hagi (Rumänien). Auch in der deutschen Nationalmannschaft wird man fündig: Der Vater von Leroy Sané, Souleymane Sané, war ebenfalls Fußballprofi. Während Leroy allerdings für die deutsche Nationalmannschaft kickt, lief sein Vater für den Senegal auf und erzielte 8 Tore in 55 Spielen.