EM-Blog, Tag 2: Eiskalter Genuss | OneFootball

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·16 June 2024

EM-Blog, Tag 2: Eiskalter Genuss

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Wir starten in unseren EM-Blog mit dem Rückblick auf den zweiten Tag der EM in Deutschland. Ein roter Faden zieht sich dabei durch alle Spiele.

Der zweite Tag der Europameisterschaft ist vorbei und obwohl die meisten Teams noch gar nicht gespielt haben, kann man einen roten Faden entdecken, der sich durch bisher alle vier Partien zieht.


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  2. Hiroki Itō beim FC Bayern: Pavard reloaded oder zurück in die 2000er? 
  3. MSR340: Kroosbritannien! Deutschland schlägt Schottland  

Eiskalt im Abschluss

Das Turnier mag zwar nominell im Sommer stattfinden, doch bislang ist die Veranstaltung eiskalt im Genuss. Und das liegt nicht einmal an den wenig sommerlichen Temperaturen.

Vergangenen EMs: Wenig Tore, wenig Durchschlagendes

Seit der Aufstockung der EM – manche mögen lieber von Aufbauschung sprechen – auf 24 Teams, ist die Gruppenphase zu einer absoluten Defensiv-Veranstaltung mit nur wenig Toren verkommen. Die Null muss stehen und ein Punkt ist auch ganz ok. Vier reichen ja schon sicher zum Weiterkommen und drei mit einem akzeptablen Torverhältnis wahrscheinlich auch.

So brauchte es 2016 etwa bis zum Abendspiel des dritten Tages, um ein Team mit mehr als einem Tor Unterschied gewinnen zu lassen. 2021 war es weniger extrem, aber das lag auch an mitunter wirklich schwachen Teams, die sich abschießen ließen. Ähnliches gab es nun mit den Schotten auch, doch davon abgesehen, treffen die Teams gerne mit der ersten echten Chance.

EM 2024: Volle Durchschlagskraft

  • Deutschland startete forsch und traf sofort nach 10 Minuten durch Wirtz.
  • Die Schweiz fand gut ins Spiel und belohnte sich in der 12. Minute direkt. Später trafen sie direkt mit der zweiten Chance zum 2:0. Selbst Ungarn belohnte sich sofort, als sie endlich anfingen nach vorne zu spielen.
  • Spanien mochte Kroatien überlegen sein, kam aber vor dem Pausenpfiff nicht öfter als dreimal vor Livaković. Pausenstand: 3:0.
  • Albanien traf direkt nach 22 Sekunden, Italien musste den albanischen Strafraum gar nicht lange belagern, drehte das Spiel direkt mit den ersten beiden Chancen, die sie bekamen.

2016 lief noch fast jedes Spiel nach dem Muster ab: Favorit rennt an, Underdog hält lange das 0:0. Müde gespielt, fielen kurz vor Schluss dann Tore.

Für den Abgesang des Mauerfußballs mag es noch zu früh sein – die allergrößten Betonrührer kommen noch – doch bislang ist es ein Turnier, indem Mannschaften nicht erst müde gespielt Tore kassieren und indem selbst die größten Chancen-Wucherer der letzten Jahre – Deutschland, Spanien, Italien – Eiseskälte ausstrahlen.

Ungarn – Schweiz 1:3

Tja, liebe Fußballnerds, da habt ihr uns ja einen schönen Bären aufgebunden! Von tollen Seitenüberladungen und unheimlicher Flexibilität war vorher die Rede! Und was haben die lieben Ungarn dann auf die Kette bekommen? Kick & Rush der allerfeinsten Sorte präsentierte man uns! Einmal den Ball lang kloppen, auf die Seiten abtropfen lassen und dann hoch ins Zentrum, so hieß die Devise. Das ist aber gar nicht kreativ!

Gepaart wurde diese Unwucht im Offensivspiel mit miesen individuellen Abwehrfehlern. Orbans Fehler beim 1:3 ist ja nicht zu übersehen, doch schon beim 0:1 lässt er Duah an den Ball kommen, obwohl man eigentlich ordentlich geordnet war.

Gut für Deutschland

Die hohe Niederlage gegen den ärgsten Rivalen der Gruppe ist nicht weniger als ein Super-GAU für Ungarn und spielt dem Gastgeber sehr in die Karten, weil Ungarn nun eigentlich zwangsläufig punkten muss. Verliert man auch gegen Deutschland, geht man punktlos mit mindestens -3 Toren Differenz ins letzte Spiel und sieht sich schon gezwungen, gegen Schottland ein totales Torfest abreißen zu müssen. Das ist gegen diese Schotten zwar erwiesenermaßen drin, aber wie es so ist: Kantersiege kommen selten auf Knopfdruck zustande.

Die deutsche Nationalmannschaft derweil wird sich die Finger lecken, bei diesen ungarischen Fehlern. So einen tollen Steilpass wie beim 0:1 von Aebischer, spielt bei Nagelsmann der halbe Kader. Und nur mit hoch und weit, wird man Rüdiger und Tah nicht bedrängen können.

Vor dem Spiel dachte ich eigentlich, alles sei für eine typische Jogi-Löw-Gruppenphase angerichtet, mitsamt eines verbockten zweiten Spiels – siehe 2008, 10, 14, 16, nun allerdings bin ich mir unsicher. Die Ungarn müssen nachweisen, ob sie wirklich hoch pressen können und wollen. Und selbst wenn sie es tun werden: Mit diesen Fehlern hinten, verliert alles Pressing der Welt an Bedeutung.

Spanien – Kroatien 3:0

Das erste Duell zweier Schwergewichte der EM lässt einen stirnrunzelnd zurück. Spanien gewinnt zwar verdient, aber diese Eiseskälte im Abschluss ist nunmal eigentlich ganz und gar nicht spanisch. Ist das nun ein Auftakt für ein neues Spanien? Das wird man sehen müssen, ich zweifle aber noch dran. Dafür fehlen mir immer noch die torgefährlichen Spielertypen. Morata ist der einzige, der nennenswerte Torjägerqualitäten besitzt, da ändert auch das wunderschöne Tor Fabián Ruiz’ nichts. Fast besser war da nur sein Steilpass zum 1:0, er und der Helvete Aebischer duellieren sich da um den Titel des Steilpasses des Tages.

Schön ist in jedem Fall, dass der beste Sechser des Planeten endlich auch in der Nationalelf dort spielen darf – bei der WM startete Rodri noch in der Innenverteidigung.

Die Kroaten werden sich wahrscheinlich darauf berufen, dass an diesem Tag einfach gar nichts ging. Was nicht falsch war, aber auch echte Fragezeichen überstrahlen kann. Zuerst wird Zlatko Dalić die Frage beantworten müssen, wie klug es wirklich ist, seine beiden besten Innenverteidiger Gvardiol und Stanisić außen spielen zu lassen. Nicht umsonst gilt für gewöhnlich die Devise im Fußball, dass man lieber in der Innenverteidigung auf Nummer sicher geht, und dann die unpassenden Spieler außen hat.

Mehr noch gibt es Fragen zur Fitness des Teams. Modrić auswechseln ist das eine – der Mann ist 38 und bei Real Rotationsspieler. Aber Brozović und Kramarić sollten eigentlich fitter sein und sind alternativlos bei Kroatien.

Vor gut 17 Monaten bezeichneten nicht wenige Kroatiens fulminanten dritten Platz in Katar als letzten Tanz der goldenen Generation. Schon da war die Mannschaft veraltet und schon es stießen nur in der Defensive Talente in die Lücken der Großmeister. Möglicherweise lief gegen Spanien einfach alles gegen einen – die Statistiken deuten darauf hin. Möglicherweise ist diese Mannschaft aber auch wirklich nicht mehr fit genug.

Italien – Albanien 2:1

Italien ist für mich eine positive Überraschung. Es gibt ja immer diese eine große Nation, die es einfach nicht auf die Kette bekommt, und ich rechnete den Italienern gute Chancen ein, dieses Jahr diese Mannschaft zu sein. Zu unbekannt waren einige Spieler, zu durchschnittlich andere. Zudem ist die große Eingespieltheit unter Mancini weg und das war das Titelgeheimnis beim letzten Turnier.

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Dortmund ist schwarz… rot? Für ein paar Tage jedenfalls!

(Foto: Kenzo Tribouillard/AFP via Getty Images)

Man sollte die Leistung der Squadra Azzurra nicht zu hoch hängen, Albanien war bis auf das Ausrufezeichen nach 22 Sekunden nicht viel mehr als Kanonenfutter, aber die Italiener konnten ein gutes und auch interessantes Ballbesitzspiel aufziehen. Mit nach vorne stoßenden Innenverteidigern und absichernden Sechsern. Zuvor dachte ich, man wird sich gegen mauernde Albanen die Zähne ausbeißen, doch man konnte die Nachbarn gut auseinanderziehen.

Mit dem Titel werden sie nichts zu tun haben, aber das dürfte dann doch ein grundsolides Turnier werden – was schon mehr wäre, als viele ihnen zugetraut hätten.

Was sonst noch auffiel

  • Kleiner Rückblick auf das Deutschland-Spiel: Justin und Andreas erwähnten es bereits im Podcast: Selbst bei hoher Führung konnten Andrich und Tah nicht widerstehen, sich gelbe Karten abzuholen. Gerade Andrichs war eine der Kategorie “sehr dumm”. Bei 2:0-Führung tief in der gegnerischen Hälfte ein gelbwürdiges Tackling anzusetzen, hat einfach wenig mit Spielintelligenz zu tun. Groß und Anton können sich schon bereit halten, demnächst zu starten.
  • Überhaupt war Andrich etwas auf verlorenem Posten. Hier zeigt sich der Fluch des rein defensiven Sechsers: Eigentlich braucht man ihn erst in der K.O.-Phase, doch das echte Turnierleben ist kein Managerspiel. Also muss man ihn durch die Gruppenphase zerren.
  • Ich erwähnte ihn bereits zweimal, aber Michel Aebischer vom FC Bologna ist bislang die frühe Entdeckung des Turniers. Von der großen Saison des FC Bolognas (Champions-League-Qualifikation) habe ich nur gehört, daher sind die Spieler dieses Vereins für mich größtenteils unbeschriebene Blätter. Aebischer überzeugte mit erstklassigem Assist und gutem Distanztor.
  • Es wird leider nicht die EM der langen Nachspielzeiten. Schade, von allen beknackten Ideen der FIFA in den letzten Jahren, war das strahlende Ausnahme. 7, 9, 12 Minuten Nachspielzeit, das ist einfach völlig legitim bei all dem Spielzeitverlust. Zumal noch massig Zeit in der Nachspielzeit selbst verloren geht.
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Beim Spiel zwischen Spanien und Kroatien kam es zu einem sehr kontroversen VAR-Einsatz.

(Foto: Alex Livesey/Getty Images)

  • Kroatien ist bisher die glühende Ausnahme der sich belohnenden Teams. Obwohl sie den wie immer fehleranfälligen Unai Simón vor einige Probleme stellten, wollte der Ball einfach nicht ins Tor.
  • Selbst der verwandelte Elfmeternachschuss wurde ihnen verwehrt und sorgte sogleich für viel Diskussionsstoff. Während die Schiedsrichter-Experten die Aufregung nicht verstanden, waren alle Ex-Spieler erzürnt.Aus gutem Grund: Noch ist nur Gruppenphase und Kroatien lag 0:3 hinten. Aber wenn eine große Fußballnation genauso aus dem Turnier ausscheidet, wird das die Mannschaft, die Nation, die Presse, ja wahrscheinlich selbst die politische Führung niemals akzeptieren.Wenn ein Spieler einen Strafstoß vergibt und daraufhin der Ball dennoch im Netz landet, darf das nicht wegen ein paar Zentimetern abgepfiffen werden. Bei solchen Szenen sollte der Elfmeter wiederholt werden.
  • Italiens Nationalmannschaft hat mir eindringlich vor Augen geführt, wie sehr Inter Mailand sich in den letzten fast 20 Jahren gewandelt hat. Vor 18 Jahren stellte man trotz Topclub-Status nur einen heimischen Weltmeister ab, Marco Materazzi. Immerhin war es ja auch der FC Internazionale. Mittlerweile setzt Inter trotz seines Namens auf italienische Spieler und bildet auch das Herz der Squadra Azzurra: Bastoni, Barella, Frattesi, Dimarco und Darmian.
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