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·28 September 2024
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·28 September 2024
Am Samstagabend empfängt der FC Bayern den amtierenden Meister Bayer Leverkusen zum heiß erwarteten Bundesliga-Topspiel. Angesichts der bisher gezeigten Leistungen beider Mannschaften dürfte die Partie vor allem in der Offensive entschieden werden – oder in der Defensive.
Wir schreiben den 10. Februar 2024: Das noch immer ungeschlagene Bayer Leverkusen trifft zu Hause auf den FC Bayern, der bis zu diesem Zeitpunkt ebenfalls eine herausragende Bundesliga-Saison spielt und gerade mal zwei Punkte hinter der Werkself liegt. Es geht also um die Tabellenführung und eine kleine Vorentscheidung im Kampf um die Meisterschaft.
Was dann folgte, ist Geschichte: Bayer dominiert den Rekordmeister aus München in nahezu allen Belangen, lässt in 90 Minuten lediglich einen Torschuss zu und gewinnt die Partie hochverdient mit 3:0. Der Vorsprung an der Tabellenspitze wurde ausgebaut, der Konkurrent aus dem Süden gedemütigt. Die Werkself surfte die Welle der Euphorie bis zum Ende der Saison, verlor kein Bundesliga-Spiel mehr und wurde mit satten 90 Punkten deutscher Meister. Bayern dagegen kam nach der Schmach von Leverkusen völlig aus dem Tritt, beendete die Zusammenarbeit mit Thomas Tuchel und lief mit gerade mal 72 Zählern nur auf einem enttäuschenden dritten Platz ein.
Knapp siebeneinhalb Monate später findet das Bundesliga-Topspiel unter anderen Vorzeichen statt. Der FC Bayern tritt vor den eigenen Fans an und grüßt zudem von der Tabellenspitze. Als Titelverteidiger reist Bayer Leverkusen früh in der Saison „nur“ in der Verfolgerrolle nach München. Und dennoch: Trotz des extrem frühen Zeitpunktes ist das Gipfeltreffen ähnlich richtungsweisend für den weiteren Saisonverlauf wie noch im Februar.
Insbesondere für die Bayern ist es nach einem dankbaren Auftaktprogramm die erste ernstzunehmende Prüfung unter ihrem neuen Trainer Vincent Kompany. Es gilt nun zu zeigen, dass die bisher gebotenen Leistungen auch gegen Gegner eines höheren Kalibers replizierbar sind. Nach einem Halbjahr aus der Hölle will der Klassenprimus endlich beweisen, dass er wieder dazu in der Lage ist, absolute Top-Spiele für sich zu entscheiden.
(Photo by Alex Grimm/Getty Images)
Leverkusen dagegen, erstmals in der Vereinsgeschichte in der Rolle des Gejagten, darf in München eigentlich nicht verlieren, um den Rückstand auf den deutschen Rekordmeister nicht schon zu groß werden zu lassen. Die 2:3-Pleite gegen RB Leipzig vor einigen Wochen hat aufgezeigt, dass die Mannschaft von Xabi Alonso eben doch schlagbar und nicht mehr die perfekt geölte Maschine der Vorsaison ist.
Diese These wird vor allem von einem Blick auf die bisherige Defensiv-Bilanz bekräftigt. Ganze neun Gegentore fing sich die Werkself nach nur vier Spieltagen, womit nur drei Mannschaften eine noch größere Schießbude aufweisen. Dieser Wert stellt einen krassen Kontrast zur Vorsaison dar, als Bayer mit gerade einmal 24 Gegentoren die mit riesigem Abstand beste Defensive der Bundesliga stellte.
Die offenbarten Probleme sind dabei sowohl personeller als auch systematischer Natur. Mit Bayern-Rückkehrer Josip Stanisic und Odilon Kossounou verlor der deutsche Meister zwei absolute Eckpfeiler des Erfolgs, die in Person von Nordi Mukiele und Jeanuël Belocian bislang nur auf dem Papier ersetzt wurden. Beim 4:3-Spektakel gegen den VfL Wolfsburg am vergangenen Wochenende standen beide Franzosen in der Startelf, gaben dabei jeweils keine gute Figur ab und wurden zur Halbzeit ausgewechselt. Dem Ex-Leipziger Mukiele merkt man vor allem die fehlende Spielpraxis und das fehlende Training mit der Mannschaft an, dem hochtalentierten Teenager Belocian sind Startprobleme ebenfalls nachzusehen. Da auch Jonathan Tah eigentlich nach München wechseln wollte und in den ersten Wochen dieser Spielzeit lange nicht so beeindruckend aussieht wie in der Vorsaison, sind Edmond Tapsoba und Piero Hincapie die derzeit einzigen Konstanten in der Bayer-Hintermannschaft.
(Photo by Leon Kuegeler/Getty Images)
Zudem warf Xabi Alonso, der im letzten Jahr so gerne an seiner ersten Elf festhielt, zuletzt so richtig die Rotationsmaschine an, weshalb eine gesetzte Stammformation aktuell noch nicht gefunden ist. Das gilt auch für das zentrale Mittelfeld, wo der vom FC Girona verpflichtete Aleix Garcia seine Rolle deutlich offensiver interpretiert als beispielsweise Robert Andrich. Vor allem die Paarung mit dem ebenfalls spielfreudigen Granit Xhaka funktioniert bisher noch überhaupt nicht. Der Führungsspieler will die Leverkusener Abwehrsorgen aber nicht an einzelnen Personalien festmachen. „Die Defensive fängt vorne an. Da rede ich von der ganzen Mannschaft“, erklärte der Schweizer und betonte: „Ich bin sowieso keiner, der einen einzelnen Spieler rauspickt. Weil das komplett falsch wäre.“
Doch auch der FC Bayern konnte die Stabilitätsfrage bisher noch nicht abschließend beantworten. Zu schwach und ängstlich waren die Gegner und zu sehr wurden die eigenen Leistungen von der brillierenden Offensive überstrahlt. Festzustellen bleibt, dass die Münchener vor allem gegen den VfL Wolfsburg und gegen Dinamo Zagreb in der Champions League die einen oder anderen Schwachstellen offenbarten. Dass diese am Ende niemanden mehr interessieren, wenn man insgesamt zwölf Tore schießt? Geschenkt!
Fragezeichen bleiben trotzdem: Können individuell stärkere Mannschaften wie Leverkusen den hochanlaufenden Bayern aufgrund ihrer Pressingresistenz mehr wehtun? Und werden Min-Jae Kim und vor allem Dayot Upamecano ihre Patzer aus dem Vorjahr, die insbesondere in großen Spielen wiederholt auftraten, endgültig abstellen können?
(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)
Laut eines Berichts der Münchner tz hat Kompany in den vergangenen Wochen einige gezielte Anpassungen vorgenommen, um sein Innenverteidiger-Duo zu entlasten. Der Belgier haben seinen Abwehrspielern demnach eindeutige Anweisungen mitgegeben, wann diese nach vorne rücken und wann lieber defensiv absichern sollen. Außerdem wird der Spielaufbau in dieser Saison häufig von Joshua Kimmich, Aleksandar Pavlovic und sogar Jamal Musiala übernommen. Auch das soll weitere Last von den Schultern der beiden Abwehr-Recken nehmen.
Es wird also entscheidend darauf ankommen, welches Top-Team seine Defensiv-Fragezeichen am heutigen Samstagabend am besten in den Griff bekommen kann. Angesichts der bislang gezeigten Leistungen erscheint ein Wettballern um die Tabellenspitze als das realistischste Szenario. Andererseits ist es ebenso möglich, dass die Taktikfüchse Alonso oder Kompany ihre Mannschaften so sehr auf den jeweiligen Gegner eingestellt haben, dass letztlich zwei sich gegenseitig neutralisierende Teams aufeinander treffen werden.
Guten Fußball werden wir sowieso sehen. Es bleibt also nur die Frage, wie taktisch dieser geprägt sein wird. Auch wenn ein spektakuläres 5:4 dem Gros der Bundesliga-Fans sicherlich gefallen würde, werden der Rekordmeister und der Titelverteidiger selbst kein Interesse an einem solchen Ausgang haben. Denn die Defensive gewinnt eben immer noch Meisterschaften. Gewinnt sie auch dieses Top-Spiel?
(Photo by Leon Kuegeler/Getty Images)