dieblaue24
·28 November 2024
In partnership with
Yahoo sportsdieblaue24
·28 November 2024
Aufgrund des Verletzungsschocks um Löwen-Kapitän Jesper Verlaat mussten wir das exklusive db24-Interview mit Derby-Torwart Daniel Hoffmann auf den heutigen Tag verschieben. Der 53-Jährige, der heute in Grafing bei München lebt, ist für seine direkte Art bekannt - und genau das ist herrlich erfrischend im Vergleich zu den heutigen Strategen im Profifußball. Das db24-Interview:
Witzigerweise habe ich mir vor kurzem drei Videos von RAN angesehen aus dieser Saison. Dieses 1:0 war der erste Löwen-Sieg seit 22 Jahren über den FC Bayern. Das war ein großes Ereignis. Nicht nur für uns, sondern für ganz München. Ja, das war ganz lustig. Wir hatten ja nicht nur dieses Derby gewonnen, sondern auch das Rückspiel - und am Ende der Saison sind wir mit Platz vier belohnt worden. Ich hatte in dieser für den TSV 1860 historischen Saison auch ein paar Elfmeter gehalten - und im letzten Spiel in Kaiserslautern zwei Sehnen abgerissen. Trotzdem war’s eine geile Saison.
db24: Was ist aus diesem Münchner Derby, das so glanzvoll für 1860 endete, besonders hängen geblieben?
Bayern hatte in diesem Spiel eigentlich keine Schnitte gegen uns, wir hätten gut und gerne 4:0 oder 5:0 führen können, ehe Tommy Riedl das 1:0 macht. Wenn ich nur an den Ball von Filip Tapalovic denke. Der hat am zweiten Pfosten den Ball aus vier Metern vorbei geknallt - außerdem hatten wir drei- oder viermal Aluminium getroffen. Kein Sieg war verdienter als dieser!
db24: Was die jungen Fans heute möglicherweise gar nicht mehr wissen: 1860 hatte damals zwei Hof(f)männer im Löwen-Tor…
Ja, und ich werde oft verwechselt. Ich bin nicht der Michi, sondern der Daniel. Der Hoffmann mit zwei F. Ich bin der, der beide Derbys gegen die Roten gewonnen hat. Das waren echte Erlebnisse. Das nimmt dir keiner mehr - genauso wie mein Spiel im Nou Camp gegen den FC Barcelona mit Hansa Rostock. Aber wenn wir schon darüber sprechen: Es gibt eine nette Anekdote aus der Spielerbesprechung unmittelbar vor dem Derby.
db24: Erzählen Sie!
Auf der Flipchart, wenige Stunden vor dem Anpfiff, stand plötzlich Hofmann, der Name meines Konkurrenten. Ich hatte alle Spiele vorher gemacht. Als ich das gelesen hatte, bin innerlich zusammengesackt. Der Werner Lorant klaut mir dieses Derby? Das kann doch nicht sein! Ich bemerkte, dass Michi Hofmann plötzlich unruhig wurde, sich aber gefreut hat. Und dann sagte Lorant kurze Zeit später: “Dicker, pass auf die Freistöße von Mehmet Scholl auf!” Dann gucke ich hoch, sagte zu Lorant: “Trainer, du schreibst, dass der Michi im Tor ist!” Lorant antwortete: “Darf man sich nicht mal verschreiben?” Meine Anspannung ist von 250 in Minus 100 - und dann wieder auf 200 hoch. Aber das war Werner Lorant! Heute kann ich darüber schmunzeln, damals war ich fertig mit der Welt…
db24: Die Löwen-Mannschaft von 1999/2000 war ein großer verschworener Haufen - das war das große Plus!
Ja, absolut. Wir hatten eine herausragende Mannschaft - für mich war Gerald Vanenburg das Highlight meiner Karriere. Er hatte ja eigentlich schon seine aktive Laufbahn beendet, doch dann wurde er überredet, noch ein halbes Jahr dranzuhängen. Er war mit Icke Häßler der Glücksgriff schlechthin. Es ist unglaublich, wie die Sache mit Gerald gelöst wurde: Er kam am Freitag zum Abschlusstraining, spielte am Samstag und flog am Sonntag wieder nach Holland heim. So etwas wird es auf diesem Niveau nie wieder geben. Obwohl, bei Toni Kroos und Real Madrid könnte ich mir diese Konstellation auch vorstellen…
db24: Von Bundesliga-Duellen gegen Rot können die Blauen mittlerweile nur träumen…
Die beiden Vereine sind inzwischen Lichtjahre auseinander. Wahrscheinlich wird es dieses Ereignis in München für die nächsten Jahrzehnte nicht mehr geben - auf gar keinen Fall! Das muss man sich mal vorstellen. Kein Derby in München? Deswegen kann ich viele Löwen-Fans nicht verstehen, die kein Bedürfnis auf sportlichen Wettkampf gegen den Rivalen haben und sich mit der aktuellen Situation anfreunden. Und sind wir mal ehrlich: Was bei 1860 seit Jahren abgeht, hat das auch nichts mit professionellen Strukturen zu tun. Und selbst wenn die Löwen mal glücklich in die Zweite Liga aufsteigen, haben sie das nächste Problem - kein Stadion! Bevor das nicht gelöst ist, brauchen sie von anderen Dingen nicht träumen, schon gar nicht von einem Punktspiel-Derby gegen den FC Bayern. Ich verstehe nicht, warum sich die Löwen nicht weiterentwickeln wollen? Alle Vereine in Deutschland haben Ziele, Projekte - aber Sechzig? Das muss mir mal einer erklären.
db24: Am Samstag kommt es im Grünwalder Stadion zum Duell 1860 gegen Rostock - dem Vergleich Ihrer beiden Ex-Klubs…
Oh, da kann’s passieren, dass ich mir das vielleicht anschaue (lacht). Ich verfolge die Problematik von Hansa Rostock ganz genau. Die ganzen Ultra-Geschichten schaden dem Verein eher als das sie ihn besser machen. So werden Vereine ruiniert. Diese Fans können meinetwegen ja Ultras sein, aber wie sich einige aufführen, hat das nichts mehr mit Fußball-Kultur zu tun. Und bei Hansa sitzt einer von denen auch im Aufsichtsrat. Glückwunsch! Ich finde, die Menschen nehmen sich zu wichtig - und denken, sie sprechen für zehntausende Fans sprechen. Das ist ein Trugschluss! Sie denken, sie sind der Verein, sie können alles bestimmen. Ich sage nein. Für mich sind das keine Fans! Nehmen wir 1860 und Rostock her: Wie viel Geld mussten beide Klubs in den letzten fünf Jahren für Pyrotechnik und sonstigen Schmarrn bezahlen? Wie viele Millionen Euro kommen da zusammen? Das ist ein Trauerspiel - und die Vereine und Verbände schauen zu. Was hat das noch mit Sport zu tun?
db24: Bei 1860 ist der Hass gegen Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik ein trauriges Kapitel in der Vereinsgeschichte…*
Ich stelle eine ganz simple Frage: Würde es 1860 noch geben, wenn der Investor weg wäre? Ja oder nein? Die Löwen sind in den 90er Jahren mit dem Geld und den Kontakten von Karl-Heinz Wildmoser von der Bayernliga bis in die Bundesliga durchmarschiert. Mit Werner Lorant hatte er den perfekten Trainer. Glaubt denn wirklich einer, dass die Geschichte ohne Geld genauso gelaufen wäre? Meine Meinung: 1860 wäre weg von der Bildfläche. Man soll die Tradition ehren, aber wenn du nur an die Tradition denkst, spielst du als Sechzig eben in Pipinsried oder Grafing. Und will das der Löwen-Fan? Aber Hansa Rostock hat das selbe Problem: Rolf Elgeti wird von den Ultras bekämpft. Wäre er nicht, würde es das Ostseestadion nicht mehr geben - da bin ich mir sicher. Dann würde auf der Fläche möglicherweise Wohnungen stehen.
db24: Nochmal zurück zu Ihrer eigenen Karriere: Warum haben Sie am Höhepunkt Ihrer Karriere im Jahr 2000 eigentlich die Löwen verlassen und sind in die Türkei gewechselt?
Dazu gibt es natürlich eine Vorgeschichte: Der damalige Sportdirektor Edgar Geenen hat im Alleingang, ohne das mit Werner Lorant zu besprechen, Simon Jentzsch aus Karlsruhe verpflichtet. Ich glaube, Sechzig hat damals auch dafür viel Geld bezahlt. Wir waren dann drei Torhüter: Jentzsch, Hofmann und ich. Und ich war ja noch verletzt, aber es war absehbar, dass ich auf einem relativ hohen Niveau zurückkomme. Und plötzlich war ein Angebot von Koacelispor aus der Türkei beim Verein. Das Angebot war eigentlich für den Michi, die Nachnamen wurden wieder einmal vertauscht. Und dann kam das irgendwie zu mir. Mir wurde viel versprochen. Werner Lorant hat mich bekniet, zu bleiben: “Mach das nicht, du wirst wieder spielen!” Dann habe ich Lorant aber gesagt, was ich da verdienen kann. Das konnte ich bei 1860 nicht verdienen. Klar, im Nachgang war dieser Wechsel ein großer Fehler vom mir, weil er meiner Karriere mehr geschadet als geholfen hat.