Brückenschlag 113: Nervenkrimi im Sommer 69 | OneFootball

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VfL Osnabrück

·11 December 2024

Brückenschlag 113: Nervenkrimi im Sommer 69

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Nach der überlegen herausgespielten Meisterschaft in der Regionalliga Nord kannten die Lila-Weißen im Sommer 1969 nur ein einziges Ziel. Über die Aufstiegsrunde sollte dem VfL endlich der Sprung in die Fußball-Bundesliga gelingen. Doch hatte man auch nur den Hauch einer Chance gegen den Topfavoriten Rot-Weiss Essen? Am 9. Juni pilgerten mehr als 30.000 Zuschauer zur Bremer Brücke, um genau das herauszufinden.

Die Westdeutschen hatten ihre ersten drei Gruppenspiele gegen TuS Neuendorf aus Paderborn (4:2), bei Tasmania Berlin (3:0) und gegen den Karlsruher SC (5:0) in durchaus furchterregender Weise gewonnen und verzichteten auch an der mit einer Stahlrohrtribüne verstärkten Bremer Brücke auf jedes Vorgeplänkel. Nach gerade einmal vier Minuten flog ein Ball in den Osnabrücker Strafraum, den Keeper Andreas Burose unterlief und so Georg Jung das 1:0 ermöglichte. Zum Durchatmen blieb den Schützlingen von Radoslav Momirski keine Zeit, denn die Gäste witterten die Chance, auch dieses Spiel frühzeitig für sich zu entscheiden. Nur fünf Minuten nach dem Führungstreffer tauchte Willi „Ente“ Lippens, der in die Aufstiegsrunde bereits vier Treffer erzielt hatte, vor dem Osnabrücker Tor auf und markierte das 2:0 für die Rot-Weißen.


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In der Folgezeit zollten beide Teams der Sommerhitze und dem hohen Anfangstempo Tribut. Essen blieb aber die klar überlegene Mannschaft, sodass die VfLer mit dem Pausenstand wenigstens insofern zufrieden sein konnten, als er für Durchgang 2 noch einige Optionen offenließ. Momirksi versuchte, seine Mannschaft in der Kabine wieder aufzubauen und das Ruder noch einmal herumzureißen. Doch in der 50. Minute schien endgültig klar zu sein, dass dies kein Tag für lila-weiße Heldentaten war. Herbert Weinberg flankte, Hellmut Littek köpfte und es stand 3:0 für die Gäste.

An der Bremer Brücke feierten 7.000 Gäste-Fans, während sich bei den mehr als 20.000 Osnabrückern tiefe Enttäuschung breitmachte. Der VfL gab nicht auf und bemühte sich, das Ergebnis etwas freundlicher zu gestalten. 20 Minuten lang ohne Erfolg – dann aber fasste sich der gerade eingewechselte Günter Müller ein Herz und traf aus 14 Metern zum 1:3. Mit diesem Schuss kippte die Stimmung und das ganze Spiel. Die Rot-Weißen, welche die Partie bis zur 50. Minute dominiert hatten, verloren plötzlich den Faden, während der VfL alles nach vorne warf -offenbar in dem sicheren Glauben, hier wenigstens noch einen Punkt holen zu können.

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Als Carsten Baumann nach einer trickreichen Aktion das 2:3 erzielte, näherte sich die Stimmung ihrem Siedepunkt. Nur ein Tor fehlte noch, um dem großen Favoriten Paroli zu bieten und die Tür zur Bundesliga einen Spalt offen zu halten. Und das ersehnte Fußballwunder geschah nicht nur, es wurde auch noch von dem Mann vorbereitet, der an diesem Tag die Vertretung von Osnabrücks verletztem Ausnahmestürmer Wolfgang Kaniber übernommen hatte. Walter Wiethes Flanke fand den Kopf von Carsten Baumann, der eine Minute vor Schluss das 3:3 erzielte.

RWE-Trainer Willi Vordenbäumen, der vor der Partie mit einem Unentschieden zufrieden gewesen wäre, war es nun nicht mehr. Sein Gegenüber Radoslav Momirski gab zu Protokoll, er habe schon gewusst, dass seine Jungs in der zweiten Halbzeit „auf Tod oder Leben kämpfen würden“. Und Karl Heinz „Zorro“ Wöbker zog die gelassene Bilanz eines dramatischen Spiels, das zu den spektakulärsten der VfL-Geschichte gehörte: „In den Schlussminuten haben wir alles gegeben, was wir hatten. Es hat sich gelohnt.“

Der VfL gewann seine weiteren Gruppenspiele gegen TuS Schloss-Neuhaus, den Karlsruher SC und Tasmania Berlin, verlor aber das Rückspiel in Essen mit 1:3 – auch diesmal führten die Westdeutschen bereits zur Pause mit 3:0. Am Ende stieg Rot-Weiss Essen mit 14:2 Punkten verdient in die Bundesliga auf, der VfL belegte mit 11:5 Zählern Rang 2. Obwohl sich die Lila-Weißen auch in den folgenden vier Jahren für die Aufstiegsrunde qualifizierten, kamen sie der Beletage nie wieder so nah wie im Sommer 1969.


Text: Thorsten Stegemann

Bilder: Spielszenen von Walter Nordmann, NOZ-Archiv

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