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·18 February 2025

Aus dem Tritt gekommen

Article image:Aus dem Tritt gekommen

Zuletzt mangelte es dem FC St. Pauli an Offensivgefahr. Das hat Gründe, ist aber auch Ausdruck einer generellen Heransgehensweise beim Projekt Klassenerhalt.(Titelfoto: Stefan Groenveld)

Wirklich neu ist das Thema nicht, im Gegenteil. Kritische Äußerungen zur Offensivspiel-Qualität des FC St. Pauli ziehen sich bereits durch die gesamte Saison. Sie begannen, als das Team mit nur einem Treffer in den ersten vier Saisonspielen startete. Zwar gab es beim Rückrundenbeginn ein kleines Zwischenhoch, aber bereits nach der Niederlage gegen Leipzig stellte der FC St. Pauli wieder die nach erzielten Treffern schwächste Offensive der Bundesliga.


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Offensiv fehlt es an Durchschlagskraft

Es ist also ein Dauerthema, ein leidiges dazu. Für Alexander Blessin war am Samstag nach der 0:1-Niederlage gegen Freiburg das Maß voll. Als er auf die wenigen eigenen Treffer angesprochen wurde – mit einer schon recht wertend gestellten Frage (ab Minute 11:50) – erklärte der FCSP-Trainer erst, dass man schließlich gegen Freiburg („die um die Champions League-Quali mitspielen) gespielt habe und wurde während der Antwort spürbar ungehaltener, sprach am Ende der Antwort mit scharfer Stimme davon, dass man das angesichts des Gegners und des eigenen Vorhabens „in Relation sehen“ solle. Auf den folgenden Kommentar des Fragenstellers, dass es sich um eine „normale Frage“ gehandelt habe, antwortete Blessin unmissverständlich: „Die habe ich aber schon öfters gehört und deswegen geht es mir auf den Sack“.

Dabei gibt es gute Gründe, nach der fehlenden Offensivgefahr des FC St. Pauli zu fragen (wenngleich das sicher in einer anderen Tonalität angebracht ist). Denn ja, man muss der Wahrheit ins Auge blicken: Der FCSP zählt zu den schwächsten Teams der Bundesliga, wenn es um Torgefahr geht. Das Spiel gegen Freiburg war ein Extremfall, nur einmal in dieser Saison hatte der FC St. Pauli weniger Abschlüsse (gegen Bayern München). Doch auch wenn es extrem war, so passt es doch ins Bild der bisherigen Saison: Laut FBref hat der FC St. Pauli den zweitniedrigsten xG-Wert aller Bundesligisten.

Zu wenige Abschlüsse auf das gegnerische Tor

Interessant ist bei dem tieferen Blick auf die Zahlen, dass der FC St. Pauli vor allem mit der Genauigkeit ein Problem hat. Die wenigsten Abschlüsse der Bundesliga hat nämlich Holstein Kiel (233). Der FCSP liegt mit 243 Abschlüssen auf Rang 17. Doch Kiel gelingt es, viele der Abschlüsse auch auf das Tor zu bringen (89 von 233 = 38 Prozent; Platz 3 in der Bundesliga). Ganz anders der FCSP, der nur 66 Schüsse auf das Tor brachte und mit dieser Anzahl Schlusslicht ist (Quote bei 27 Prozent – Platz 17 vor Union Berlin, die aber viel öfter abschließen).Das Problem scheinen dabei tatsächlich die Abschlüsse beziehungsweise die Abschlusspositionen zu sein. Darauf deutet zumindest hin, dass es dem FC St. Pauli eigentlich ganz gut gelingt, in Nähe des gegnerischen Tores zu kommen. Bei der Anzahl an Ballkontakten im gegnerischen Drittel liegt das Blessin-Team auf Rang zwölf. Nur werden daraus nicht genügend Abschlüsse generiert.

Erschwerend kommt hinzu, dass es dem FC St. Pauli nur selten gelingt, die sich bietenden Chancen effizient zu nutzen. Den 17 erzielten Treffern (eigentlich sind es 18, aber ein Eigentor war dabei, das zählt hier nicht mit) steht ein xG-Wert von 22,8 gegenüber. Das macht -5,8 Tore. Nur zwei Bundesligisten haben einen schlechteren Wert (Union und Bochum). Die weitere Konkurrenz im Abstiegskampf ist deutlich effizienter, wie die Zahlen von Heidenheim (-1,9), Hoffenheim (-0,3), Augsburg (+2,2) und Kiel (+8,1!!!) zeigen.

Knapp hinter den beiden Spielen mit den wenigsten Abschlüssen des FC St. Pauli (Hinrunde gegen Bayern, Rückrunde gegen Freiburg), kommt das Rückrundenspiel gegen Leipzig mit nur sieben Abschlüssen des FCSP. Die letzten beiden Spiele haben also eine klare Delle, was den offensiven Output angeht. Denn eigentlich war beim FC St. Pauli eine deutliche Weiterentwicklung des Offensivspiels erkennbar, wie das Global Soccer Network just letzte Woche darstellte (mit Daten vor dem Leipzig-Spiel). Was also ist passiert beim FCSP, dass die Offensive nun plötzlich lahmt?

Die Gründe für eine schwächelnde Offensive

Einige Minuten nachdem Alexander Blessin ungewohnt scharf auf die Frage während der Pressekonferenz reagiert hatte, sagte er in der Medienrunde zu der Situation: „Da muss ich drüber stehen, aber im Endeffekt habe ich da keinen Bock drauf gehabt“ und erklärte seine Stimmung auch mit der Niederlage und der schweren Verletzung von James Sands. Mit etwas anderer Fragestellung, konnte man ihm dann doch noch entlocken, wie er das Offensivspiel seines Teams einschätzt und wo er die Probleme sieht: „Es ist wieder eine Umstellung“, erklärte er und meinte damit die Veränderung, die es durch die Verletzung von Morgan Guilavogui im Offensivspiel des FC St. Pauli gegeben habe. Denn auch wenn es als Begründung ziemlich platt erscheinen mag: In den letzten beiden Spielen wurde der beste Torschütze des FCSP schmerzlich vermisst.

Was genau das Fehlen von Morgan Guilavogui für den FC St. Pauli bedeutet? Blessin: „Die Statik verschiebt sich ein bisschen. Morgan konnte man hoch anspielen, konnte man in der Tiefe anspielen, da hatten wir sehr viel Variation. Jetzt müssen wir wieder adaptieren, das braucht Zeit. Wir haben jetzt zweimal anders, mit verschiedenen Spielern gespielt. Da gilt es wieder gewisse Prinzipien und Klarheiten rauszuarbeiten. Dann kriegen wir auch wieder Chancen. Aber man steckt es nicht einfach so weg, wenn solche Spieler wegbrechen.“

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Alexander Blessin war nach dem Freiburg-Spiel alles andere als gut gelaunt. Der FC St. Pauli hatte zuletzt Probleme, Torgefahr zu erzeugen.

// (c) Stefan Groenveld

Verletzungen bringen Offensivstruktur durcheinander

Die schwachen Offensivleistungen der letzten beiden Spiele können also auch mit dem Fehlen von unter anderem Guilavogui erklärt werden. Aber auch mit der Rückkehr von Elias Saad. Denn gegen Freiburg wurden auf beiden Offensivseiten Abstimmungsprobleme deutlich. Saad hat das Potenzial, das Fehlen von Guilavogui aufzufangen, muss dafür aber wieder ans Leistungsmaximum kommen. Das funktioniert laut Blessin über Spielzeit: „Dass Elias wieder etwas Zeit braucht, das hat jeder gesehen. Aber wir müssen ihn ja trotzdem schnellstmöglich ranführen und dafür braucht er Spielzeit.“ Was aber bereits gegen Freiburg deutlich wurde: Elias Saad kann in der Offensive den Unterschied ausmachen. Sieben der 13 Ballkontakte des FC St. Pauli im Freiburger Strafraum gingen auf seine Kappe, drei von fünf Abschlüssen auch.

Klar, eine Feststellung aus der „Hätte-Wenn-Aber“-Kategorie, doch sie einmal auszuschreiben dürfte eine weitere Erklärung liefern, warum es offensiv nicht so rund läuft: Elias Saad und Morgan Guilavogui haben noch kein einziges Mal gemeinsam in der Startelf gestanden. Angesichts ihrer Qualitäten ist das sehr, sehr schade und womöglich würde man das Thema Offensive beim FC St. Pauli ganz anders bewerten, wenn beide verletzungsfrei durch die Saison gekommen wären. So aber ist die Besetzung der offensiven Außenbahnen eine Dauerbaustelle, was der offensiven Durchschlagskraft ganz sicher nicht zuträglich ist.

Ja, der FC St. Pauli ist weit davon weg, ein Offensiv-Monster zu sein. Zwar war im Saisonverlauf eine Entwicklung der Offensive zu erkennen, aber die führte das Team in Richtung unteres Mittelfeld, nicht höher. Und die letzten beiden Spiele haben diese Entwicklung nicht bestätigen können. Das dürfte auch mit den Gegnern zusammenhängen. So hat sich der SC Freiburg zwar diese Saison bisher 36 Gegentreffer gefangen, das sind aber 9,2 mehr als nach xG wahrscheinlich – das Team hat ligaweit den drittniedrigsten gegnerischern xG-Wert zugelassen.Eine weitere Erklärung gibt es noch für eine eher schwächelnde Offensive: Die starke Defensive.

Offensivschwäche bedingt Defensivstärke

„Offensiv haben wir sicherlich kein Feuerwerk abgebrannt, das ist klar. Aber wir standen stabil.“ – diese Worte von Alexander Blessin in Bezug auf das Freiburg-Spiel zeigen ziemlich klar auf, dass man Fußballspiele und damit auch die Leistung von Teams ganzheitlich betrachten muss. Was im Fall des FC St. Pauli bedeutet: Man zählt in der Offensive zu den schwächeren Teams, in der Defensive aber zu den besseren. Das Team investiert bewusst nicht ganz so viel in Offensivaktionen, um gegen den Ball besser zu sein. Und das mit der Arbeit gegen den Ball funktioniert. Der FC St. Pauli steht nicht auf Platz 14 und damit über dem Strich, weil er erst 18 Treffer erzielt hat, sondern weil er erst 25 gefangen hat.

Für Blessin ist die Arbeit gegen den Ball die Kernkompetenz des Teams: „Uns zeichnet diese defensive Stabilität aus. Wenn man gegen so ein Team wie Freiburg wenig Torchancen zulässt, ist das schon gut.“ Und nun kann man auch verstehen, warum der FCSP-Cheftrainer etwas ungehaltener wurde, als er darüber sprach. Denn was erwartet man denn vom FC St. Pauli? Das er defensiv sicher steht UND offensiv stets Torgefahr erzeugt? Das mag letzte Saison in der zweiten Liga gelungen sein (aber da auch längst nicht bei jedem Spiel). Als Aufsteiger in der Bundesliga so etwas zu erwarten, wäre aber ziemlich vermessen.

Gegentor-Flut will niemand haben

Den anderen Weg hat übrigens Holstein Kiel gewählt. Wie bereits erwähnt, nutzen sie ihre Chancen sehr effizient, haben aber mit 57 Gegentreffern auch die mit Abstand schlechteste Defensive der Bundesliga. Nur ein einziges Mal haben sie zu Null gespielt. Nur ein weiteres Mal haben sich die Kieler nicht mehr als ein Gegentor gefangen, in den anderen 20(!) Spielen haben sie immer zwei oder mehr Gegentreffer gefressen. Ähnlich erging es Bochum zu Saisonbeginn, als der VfL sich 29 Gegentreffer in den ersten neun Ligaspielen fing. Und der 1. FC Heidenheim hat nach gutem Saisonstart in den letzten 14 Bundesligapartien nur einmal zu Null gespielt. Die TSG Hoffenheim hat zweimal 0:0 gespielt und sich ansonsten auch immer mindestens einen Gegentreffer gefangen.

All diese Clubs mögen zwar mehr Offensivgefahr erzeugen – aber das bedeutet natürlich nicht, dass sie damit auch erfolgreicher sind. Welche Ausmaße eine Diskussion im, inzwischen extrem emotionalen, FCSP-Umfeld wohl schon angenommen hätte, wenn man mit der Gegentor-Flut dieser vier Clubs hätte klarkommen müssen? Will man vermutlich lieber nicht wissen. Trotzdem ist natürlich auch klar: So ein Offensivspiel wie gegen Freiburg darf der FC St. Pauli nicht zur Regelmäßigkeit werden lassen. Das hat Blessin so auch sehr deutlich gesagt.

Offensiver Fußball ist schön und berauschend, kann ein Stadion anzünden und erfreut sich deshalb einer größeren Beliebtheit als der Fokus auf eine stabile Defensive. Aber ob dieser Weg für den FC St. Pauli – unter Berücksichtigung von Trainerwechsel, Verletzungssorgen, Leistungsstärke der Spiele et cetera – auch erfolgreich sein würde? Fragwürdig. Aktuell spricht vieles eher dafür, dass der Fokus auf defensive Stabilität den FC St. Pauli in der Bundesliga halten könnte. Sicher ist aber auch, dass ein besser funktionierendes Offensivspiel extrem dabei helfen könnte.

// Tim

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