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·13 June 2024

5 EM-Gewinner, die keiner auf dem Zettel hatte

Article image:5 EM-Gewinner, die keiner auf dem Zettel hatte

Die deutsche EM-Geschichte brachte Helden hervor, mit denen niemand vorher gerechnet hatte. Horst Hrubesch war vielleicht die größte Überraschung

26 Spieler stehen im deutschen EM-Kader, die meisten werden also nicht spielen, wenn am Freitag um 21 Uhr der Anpfiff ertönt. Bundestrainer Julian Nagelsmann hat die Rollen klar verteilt, doch dass es kein Fehler sein muss, sich im Kader genauer umzusehen, bewies die deutsche EM-Geschichte mehrfach. Hier sind fünf Beispiele, welche Überraschungen Bundestrainer und Fans erlebten


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EM 1972 – Erwin Kremers

Unsere Jahrhundertelf um Franz Beckenbauer und Günter Netzer bestand aus einem Block aus Bayern- und Gladbach-Spielern. Nur auf den Flügeln mischten zuweilen Vertreter anderer Vereine mit. Vor der EM in Belgien suchte Bundestrainer Helmut Schön einen Linksaußen, denn Frankfurts Jürgen Grabowski war verletzt, und Offenbachs Siggi Held musste in der Aufstiegsrunde spielen – denn die EM 1972 fiel vor das Saisonende! So perfekt lief das damals mit dem internationalen Terminkalender…

Schön sah sich also in der Bundesliga um und nahm den formstärksten Mann, den er kriegen konnte: Erwin Kremers von Schalke 04, das damals Zweiter wurde und nach der EM auch Pokalsieger. Außerdem war Kremers Ex-Gladbacher - ebenso wie der Bremer Verteidiger Horst-Dieter Höttges. Die Blockbildung war quasi damit auf die Spitze getrieben. Kremers kam im letzten Test gegen die Sowjetunion (4:1 in München) zu seinem Debüt und überzeugte dermaßen, dass er auch bei der kurzen EM beide Spiele über die volle Distanz bestritt, während dem wieder genesenen Grabowski nur die Jokerrolle blieb.

Mit den Toren gegen Belgien (2:1) und die Russen (3:0) hatte Kremers zwar nichts zu tun, aber bis zum letzten Test vor der WM 1974 blieb er unter Helmut Schön Linksaußen. Dann brachte er sich mit einer selten dämlichen Schiedsrichterbeleidigung ("Noch mal für Doofe: Sie sind eine blöde Sau") am letzten Bundesligas-Spieltag um den Weltmeistertitel. Er wurde 14 Spiele gesperrt – und der DFB nahm damals keine Rot-Sünder zu Turnieren mit.

EM 1976 – Dieter Müller

Nach Jugoslawien nahm Bundestrainer Schön 18 Spieler mit, nur zwei warteten noch auf ihr Debüt: Peter Nogly, Kapitän vom Pokalsieger HSV, und der junge Kölner Torjäger Dieter Müller. Er hatte in drei Bundesligajahren schon 55 Tore erzielt und außerdem den richtigen Namen. Denn Deutschland suchte nach dem Ausscheiden von Gerd Müller nach dem WM-Sieg 1974 einen neuen Müller - also einen Torgaranten. Schön hatte ihn schon einmal in den Kader berufen, konnte ihn aber nicht sonderlich gut leiden, da er ihm zu aufmüpfig war.

Aber immerhin bekam dieser Müller einen der vier begehrten Bankplätze beim Halbfinale gegen die Gastgeber. Das lief schlecht an, zur Pause stand es 0:2. Dann kamen die Kölner Joker. Heinz Flohe, zur Pause eingewechselt, verkürzte nach 65 Minuten. Auf Druck von Co-Trainer Jupp Derwall brachte Schön nach 79 Minuten vor einer Ecke Dieter Müller ins Spiel; der traf prompt mit seiner ersten Ballberührung als Nationalspieler – per Kopf. In der Verlängerung schoss er noch zwei Tore zum 4:2-Sieg.

Das Sensationelle war: Ein Joker-Hattrick eines Debütanten gab es noch nie und auch nie mehr in der DFB-Historie. Im EM-Finale stand er dann in der Startelf und schoss wieder ein Tor. Aber im Elfmeterschießen verlor Deutschland gegen die CSSR, sonst hätte er sich nach nur zwei Länderspielen schon Europameister nennen dürfen. Einen Titel bekam er trotzdem, vom Kaiser selbst. "Wir haben einen neuen Müller", adelte ihn Kapitän Franz Beckenbauer. Müller konnte die hohen Erwartungen leider nicht ganz erfüllen und kam nur auf zwölf Länderspiele und immerhin neun Tore.

EM 1980 – Horst Hrubesch

Zur EM in Italien reiste der neue Bundestrainer Jupp Derwall mit dem jüngsten Kader aller acht Teilnehmer. Einer hob den Schnitt zwar gewaltig, war aber trotzdem mit der Unerfahrenste. Der HSV-Sturmtank Horst Hrubesch, damals schon 28, hatte erst 103 Minuten das DFB-Trikot getragen und mit der Qualifikation rein gar nichts zu tun gehabt. Er stand nur im Kader, weil sich Schalkes Mittelstürmer Klaus Fischer das Bein gebrochen hatte. Gesetzt aber waren die Stürmer Karl-Heinz Rummenigge und Klaus Allofs.

Zum Auftakt gegen die Tschechen spielten sie auch, Hrubesch blieb auf der Bank. Weil die Offensive aber enttäuschte, brachte Derwall gegen die Niederlande einen dritten Stürmer: Hrubesch. Alle Tore zum 3:2 schoss zwar Klaus Allofs, aber „der Lange“, wie Hrubesch hieß, riss Lücken und blieb im Team. Auch gegen Griechenland (0;0), als alle schlecht waren. Nur: Derwall war mit Hrubesch besonders unzufrieden und ließ ihn das auch wissen, wollte ihn im Finale gegen Belgien (2:1) nicht bringen. Gut, dass er umplant. Denn Hrubesch machte beide Tore und köpfte Deutschland zum zweiten EM-Titel. Übrigens mit dem Segen des Papstes, den er bei einer öffentlichen Audienz zu sehen bekam. Dessen zwei erhobene Finger zum Abschied deutete er als Auftrag, zwei Tore zu erzielen. Dank seines Finalauftritts blieb Hrubesch noch zwei Jahre Nationalspieler und kämpfte mit Klaus Fischer um den Platz im Zentrum. Bei der WM 1982 erzielte er zwei wichtige Tore und trat als Vize-Weltmeister ab.

EM 1996 – Oliver Bierhoff

Die Parallelen zu Hrubesch drängen sich geradezu auf. Ein kopfballstarker Blondschopf, der technisch eher limitiert war, fährt als Notnagel mit zur EM. Bierhoff spielte damals allerdings in Italien, bei Udine, und galt in der Bundesliga schon als gescheitert. Bundestrainer Berti Vogts hatte ihn aber noch in guter Erinnerung als zuverlässigen Torschützen in seinen Junioren-Nationalmannschaften. Außerdem riet Vogts-Gattin Monika, er solle ihn mitnehmen: "Er wird es Dir eines Tages danken."

Weibliche Intuition also machte den Europameister 1996. In England war Bierhoff, mit nur fünf Länderspielen auf dem Buckel, Stoßstürmer Nummer vier hinter Jürgen Klinsmann, Fredi Bobic und Stefan Kuntz. Nur einmal stand er bei dieser EM in der Startelf. Nach dem zweiten Gruppenspiel blieb er trotz großer Personalsorgen dreimal ganz außen vor. Dann kam das Finale gegen die Tschechen und das 0:1 durch einen unberechtigten Elfmeter. Deutschland lief die Zeit davon.

Da gab Vogts seinem Assistenten Rainer Bonhof das Kommando, Bierhoff herbeizuwinken. Bonhof fragte irritiert nach: "Wen soll ich holen?" Aber Vogts bestand darauf. Sein Bauchgefühl trog ihn nicht, Bierhoff drehte das Spiel mit zwei Treffern – darunter dem ersten Golden Goal der EM-Geschichte. Der Start für eine beachtliche Karriere im DFB. Bierhoff spielte noch drei Turniere, davon zwei als Kapitän, wurde 2002 zum Abschied Vize-Weltmeister und lenkte von 2004 bis 2022 die Geschicke der Nationalelf als Manager und Sportdirektor. Alles nur wegen der EM 1996.

EM 2016 – Joshua Kimmich

Zwei Wochen vor EM-Start gab der Bayern-Spieler nach Abschluss seiner ersten Bundesliga-Saison sein Debüt für Deutschland. Jogi Löw nahm ihn mit zur EM nach Frankreich, wo er vor allem zunächst auf seine Weltmeister setzte. Doch nach dem zweiten Spiel nahm er Benedikt Höwedes aus dem Team und riskierte es mit Kimmich auf der Position, wo er jetzt auch wieder spielt: hinten rechts. Vier seiner ersten fünf Länderspiele bestritt Kimmich bei einer EM, immer von der ersten bis zur letzten Minute. Auch als Höwedes wieder ab dem Viertelfinale in die Elf rückte. Er überzeugte durch seinen Einsatz, Offensivdrang und Entschlossenheit. Im Italien-Spiel bewies Kimmich vom Kreidepunkt auch Nervenstärke und verwandelte im Gegensatz zu drei Weltmeistern seinen Elfmeter. Kimmich war einer der Gewinner der EM, die mit einer Halbfinal-Niederlage gegen Frankreich endete. Seitdem ist er Stammspieler in der Nationalmannschaft.

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