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·20. Juni 2023

Der Supermann, den keiner verstand

Artikelbild:Der Supermann, den keiner verstand

„Er macht eben Dinge, die keiner erwartet“, sagte Arie Haan einst über José Horacio Basualdo, „er ist ein Supermann, aber das kapiert hier ja keiner.“ Sein Nachfolger Christoph Daum jedoch meinte lapidar: „Er macht Sachen, die selbst seine Mitspieler nicht verstehen.“


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Als der slowenische Mittelfeldstratege Srecko Katanec nach dem UEFA Cup-Finale gegen den SSC Neapel den VfB für 3,5 Millionen D-Mark Richtung Sampdoria Genua verließ, machte der VfB ausnahmsweise einen smarten Move: Für gerade mal 1,3 Millionen Mark kam der argentinischer Feinfuß Basualdo 1989 an den Neckar. Carlos Bilardo, Nationaltrainer der Albiceleste, hatte ihn Arie Haan ans Herz gelegt.

Basualdo wurde überrascht von dem Transfer und hatte Bedenken, weil er befürchtete, dass ihn Bilardo in Deutschland nicht mehr im Blick hätte. Doch der Nationaltrainer meinte, der VfB würde zu seinem Spielstil passen und ein Wechsel ins Ausland wäre gut für seine persönliche Entwicklung. In Stuttgart traf er auf eine völlig neue Welt. “Sogar die Taxis waren von Mercedes“, wunderte sich Basualdo. Alles war neu, vor allem die Gepflogenheiten. Als sein Bruder seinen Mercedes sonntags wusch, kam die Polizei und machte ihn darauf aufmerksam, dass dies nicht üblich sei.

Aber er lebte sich schnell ein, „Nene“, so sein Spitzname, wurde schnell zum Publikumsliebling in Stuttgart. Anfangs hielt er den Ball noch viel zu lange am Fuß, gewöhnte sich dann an die eher körperliche Spielweise in der Bundesliga. Es war eine Freude, Basualdo zuzusehen: filigran, elegant, geschmeidig, kreativ und technisch anspruchsvoll wirkte er im Stuttgarter Mittelfeld – er hatte Ideen, die nicht alle seine Mitspieler nachvollziehen konnten, man kann sagen: Basualdo war zu gut für seine Mitspieler – und die hießen immerhin Karl Allgöwer, Maurizio Gaudino und Asgeir Sigurvinsson. Er war aber kein Ersatz für den Strategen Katanec. Leichtfüßig war Basualdo, aber auch ein Bruder Leichtfuß. Gerade in der Defensive agierte er reichlich sorglos und zu verspielt. Dabei konnte Basualdo wie alle Argentinier auch rustikal. In der argentinischen Nationalmannschaft assistierte er Diego Maradona und sicherte ihn defensiv ab. So wurde er 1990 immerhin Vize-Weltmeister.

Daum war das nicht genug, er setzte den sensiblen Mittelfeldspieler auf die Tribüne. Der gefeuerte Haan konnte das nicht verstehen: “Er ist zu schade für die Bundesliga. Wenn die Vereine solche Spieler nicht wollen, dann sollen sie Rennpferde kaufen“. Dabei ließ Daum mit dieser Maßnahme in erster Linie die Muskeln spielen. Indem er Basualdo rasierte, wollte er zeigen, dass beim VfB nur einer das Sagen hat und wenn sogar ein Vize-Weltmeister auf der Bank oder Tribüne landet, dann kann es jeden treffen in einer Mannschaft, die nicht immer widerstandsfähig ist. “Dass ich Basualdo aus der Elf genommen habe, hat für absolute Alarmstimmung gesorgt“, sagte Daum in einem Spiegel-Interview nach der Meisterschaft 1992.

Weil ihn Daum opferte, lief Basualdo in zwei Spielzeiten lediglich 57 Mal mit dem Brustring auf: 44 Bundesligaspiele (zwei Tore) plus sieben Einsätze im DFB-Pokal sowie sechs Spiele (ein Tor) im UEFA Cup. Danach wechselte er unter anderem zurück in seine Heimat und gewann die Copa Libertadores sowie den Weltpokal.

Heute feiert José Horacio Basualdo seinen 60. Geburtstag. Wir wünschen alles Gute, Nene!

Bild: Imago Images

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