🎙 Baumgartl exklusiv: "Da hat man gefühlt ein paar Bügeleisen im Fuß" | OneFootball

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Helge Wohltmann·26. August 2022

🎙 Baumgartl exklusiv: "Da hat man gefühlt ein paar Bügeleisen im Fuß"

Artikelbild:🎙 Baumgartl exklusiv: "Da hat man gefühlt ein paar Bügeleisen im Fuß"

Im Mai bekam Timo Baumgartl die Diagnose Hodenkrebs. Nach erfolgreicher Operation und Chemo-Therapie kann er bei Union Berlin wieder mit der Mannschaft trainieren und arbeitet an seinem Comeback. Mit OneFootball sprach er über seine Rückkehr zur Mannschaft, seine ersten Trainingseinheiten und über die kommenden Spiele in der Europa League.

Du trainierst seit ein paar Wochen wieder auf dem Platz, wie fühlst du dich während der Einheiten?


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Ich bin jetzt seit ein paar Tagen wieder komplett im Mannschaftstraining und es ist ein cooles Gefühl wieder zurück zu sein. Das war das, was ich mir in der Chemo-Therapie auch vorgestellt habe, was ich mir visuell vor Augen gehalten habe, wohin ich wieder zurück will. Das große Ziel ist wieder in der Bundesliga aufzulaufen, aber den ersten Schritt gemacht zu haben, ist einfach ein gutes Gefühl. Ich habe die Jungs natürlich vermisst. Die Gespräche, die Kabine, das ist einfach etwas anderes. Das findet man so im Leben nicht, wie wir es dort haben. Da ist auch ein bisschen Stolz dabei, dass ich jetzt schon wieder zurück bin.

Wie haben dich deine Mannschaftskollegen begrüßt, als Du wieder da warst? Gab es direkt einen Kuchen oder sowas?

Nein, sie waren, glaube ich, froh, dass ich wieder da bin, es wurde ein bisschen geklatscht, aber sonst möchte ich da auch keine große Aufmerksamkeit. Ich möchte einfach wieder Fußball spielen und wieder zurück sein. Jetzt gilt es für mich wieder fit zu werden. Die Jungs wussten am Anfang, glaube ich, nicht so richtig, wie sie mit mir umgehen sollen, aber nachdem ich schon gemeint habe, sie könnten mir ruhig wieder ein paar Sprüche reindrücken, ist es schon so, dass ich wieder mein Fett wegbekomme.

Welche Sprüche gab es denn?

Ja, ich hatte am Anfang direkt mit einem Schmunzeln gefragt, ob sie jetzt wirklich auf nen Krebskranken draufgehen wollen? Da war es kurz ruhig. Dann habe ich gelacht und da haben alle verstanden, dass man das schon machen kann.

Was hat in den ersten Einheiten direkt wieder super funktioniert und was ging absolut gar nicht?

Wenn man lange keinen Fußball gespielt hat, das kannte ich schon nach dem Urlaub, da hat man gefühlt ein paar Bügeleisen im Fuß. Pässe, die dahin gehen, wo man gar nicht hinwill, aber das gehört dazu. Diese Phase hat jeder Fußballer nach der Sommerpause. Es gilt nun wieder in den Rhythmus zu kommen, Kondition aufzubauen und langsam wieder auf das Niveau zu kommen, das ich hatte. Ich freue mich einfach über jeden Tag, den ich auf dem Fußballplatz stehen kann.

Und was hat überraschend gut funktioniert?

Ab und an kommt dann doch mal ein Pass an, bei dem man sich denkt: „Ja, geil!“

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Wie hast du dich während deiner Ausfallzeit, in der du keinen Fußball spielen konntest, abgelenkt?

Es war schon mal gut, dass wegen der Sommerpause kaum Fußball gespielt wurde. Aber es tat auch weh, die letzten Spiele nicht spielen zu können, weil wir so eine erfolgreiche Saison gespielt haben. In der Phase war es aber wichtiger, mich auf meine Genesung zu konzentrieren. Ich glaube, wenn man mit der Diagnose Krebs konfrontiert wird, ist es zwangsläufig so, dass man sich mit sich selbst beschäftigen muss. Da hat Fußball in dem Moment nicht so eine große Rolle in meinem Leben gespielt, sondern eher die Familie und die Freunde.

Hast Du im Privatleben noch Sachen gehabt, die dich ein bisschen von der Krankheit abgelenkt haben?

Wir sind zwischen den Chemo-Blöcken verreist. Einmal waren wir auf Usedom ein bisschen entspannen, dann war ich mit meiner Familie und meiner Freundin in Österreich zum Wandern und nach der letzten Chemo habe ich die erste Phase meiner Reha auf Ibiza gemacht, um ein bisschen Sonne zu tanken und mich ein bisschen abzulenken, aber gleichzeitig auch an meiner Fitness zu arbeiten. Das hat relativ gut geklappt und in den Phasen ging es auch einfach nur darum, den Kopf freizubekommen.

Gab es etwas, was Du am Fußball so absolut gar nicht vermisst hast?

Nicht direkt. Man hat ja sein ganzes Leben Fußball gespielt und von einen auf den anderen Moment ist es nicht mehr da. Es ist ja nicht so, dass man einfach Reha hat und für seinen Körper etwas machen kann, sondern man ist ganz woanders. Man ist stattdessen im Krankenhaus, das ist also ein harter Cut. Deshalb vermisst man eigentlich alles am Fußball. All die schönen und die schlechten Momente. Ich spiele aus Leidenschaft Fußball und deshalb war es schon schwer, komplett darauf zu verzichten.

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Welche Ziele hast Du dir persönlich für die Saison vorgenommen?

Ich habe schon Ziele für mich gesetzt, die habe ich aber noch niemandem verraten, auch meiner Freundin nicht. Mal gucken, ob die wirklich aufgehen, da bin ich gespannt. Aber ich mache mir auch keinen Stress, ich will einfach wieder in guter Form zurückkommen und dann sehen wir, wie lange es braucht.

Du hast bereits mit PSV in der Europa League gespielt, wie sehr freust Du dich auf den Wettbewerb mit Union und was habt ihr aus der vergangenen Saison mitgenommen, als es international nicht so lief?

Ich glaube, es war einfach eine Debütsaison und wir sind auch ein bisschen unglücklich ausgeschieden. Die Europa League ist dann noch einmal eine andere Qualität von den Mannschaften her, das muss man ehrlicherweise sagen. Ich glaube aber, der ganze Verein freut sich und wir freuen uns auch. Was für Mannschaften da einfach dabei sein! ManUnited, Arsenal, beide Rom-Klubs, das ist einfach cool dagegen zu spielen.