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·31. Juli 2025
Zwischen Aufbruch und Erwartungsdruck: Ist Hertha reif für den Aufstieg?

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·31. Juli 2025
Mit neuer Offensivpower soll endlich wieder der Aufstieg in die erste Bundesliga gelingen. Hertha BSC musste sich zwar von zahlreichen Angreifern verabschieden, holte aber auch neue Stars und junge, aufstrebende Talente in die Hauptstadt.
Als Ziel wird von allen Verantwortlichen klar die Rückkehr in die höchste deutsche Spielklasse kommuniziert. Sowohl Trainer Stefan Leitl, als auch Präsident Fabian Drescher wollen den Aufstieg schaffen. Aber ist das realistisch? Zeit, einen genaueren Blick auf den Umbruch und die Chancen der alten Dame zu werfen.
Auf dem Transfermarkt war die Hertha durchaus aktiv. Mit Ibrahim Maza und Derry Scherhant musste man zwar zwei seiner besten Talente in die Bundesliga ziehen lassen, konnte dafür aber auch 14 Millionen Euro einstreichen. Zudem verließen einige Spieler den Klub ablösefrei, darunter Florian Niederlechner, der zu seinem Jugendklub 1860 München zurückkehrt, Jonjoe Kenny, Smail Prevljak, Jeremy Dudziak oder Andreas Bouchalakis.
Auf der Zugangsseite lag der Fokus vor Allem auf erfahrenen Zweit- und Drittligaspielern. Mit Sebastian Grönning kam der drittbeste Torschütze der abgelaufenen Drittligasaison. 17 Tore erzielte der Däne im Trikot des FC Ingolstadt. Gerade seine Kopfballstärke und seine Physis dürften ihn zu einem guten Transfer für den Zweitligisten machen. Ein weiterer Star-Transfer in der Offensive ist der von Dawid Kownacki. Der Pole kommt auf Leihbasis von Werder Bremen. In der letzten Saison konnte er bei Fortuna Düsseldorf mit 13 Toren überzeugen.
Die kreative Aufgabe von Maza soll zukünftig ein Bayern-Talent schultern. Maurice Krattenmacher wurde vom Rekordmeister ausgeliehen, nachdem er in der letzten Saison für den Absteiger SSV Ulm drei Tore und acht Vorlagen beisteuern konnte. Der offensive Mittelfeldspieler konnte bereits in der Vorbereitung überzeugen und dürfte gute Chancen haben, beim ersten Saisonspiel gegen den FC Schalke 04 in der Startelf zu stehen. Wenn Krattenmacher bei der Hertha seine Entwicklung aus der letzten Saison fortsetzt, könnte er zu einem der besten Spieler der 2.Liga reifen.
(Photo by Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)
Besonders kontrovers wirkte bei vielen Fans der Transfer von Paul Seguin. Die Verpflichtung trägt aber deutlich die Handschrift von Trainer Leitl. Die Beiden arbeiteten bereits von 2019 bis 2022 bei der SpVgg Greuther Fürth erfolgreich zusammen und schafften unter Anderem den Aufstieg in die erste Liga mit dem Kleeblatt. Kaum ein Spieler verkörpert den Spielstil von Leitl so sehr wie Seguin. Der Mittelfeldspieler gilt als verlängerter Arm des Übungsleiters auf dem Platz. Ebenfalls wird Leon Jensen die Zentrale der Blau-Weißen verstärken. Der 28-Jährige gilt als laufstarker Spieler mit hoher Zweikampfintensität, kann aber auch vor dem Tor gefährlich sein.
Leitl geht nach einer durchaus erfolgreichen Schlussphase nun in die erste volle Saison mit den Blau-Weißen. Dem 47-Jährigen gelang vor Allem die Stabilisierung der unter seinem Vorgänger Christian Fiel immer wieder löchrigen Defensive. Bis auf einen argen Patzer gegen den SV Elversberg, wo man 4:0 verlor, kassierten die Berliner in keinem Spiel bis zum Saisonende mehr als zwei Gegentore. Spielten sogar drei Mal in zwölf Spielen zu null. Genau so oft, wie unter Fiel in den 22 Spielen zuvor.
(Photo by Maja Hitij/Getty Images)
Auch in der Vorbereitung ließ sich die defensive Stabilität besonders hervorheben. Aus sechs Spielen holte man drei Siege gegen unterklassige Gegner wie den Ludwigsfelder FC (3:0), den BFC Dynamo und den TSV Havelse (3:2), einen Sieg gegen den Tabellendritten der österreichischen Liga in der abgelaufenen Saison, Austria Wien (2:1), spielte unentschieden gegen den schottischen Erstligisten Motherwell FC (1:1) und musste sich lediglich dem dänischen Topklub Bröndby IF (0:1) geschlagen geben. Wie schon in der letzten Spielzeit setzte Leitl auf sein gewohntes 3-4-3, das aber auch zu einem 3-4-1-2 werden kann. Dabei steht man hinten sehr gut, kassierte nur fünf Gegentore in sechs Spielen. Der Fokus lag während den Spielen dabei vorrangig auf der Implementierung von Automatismen im Spielaufbau und im situativ hohen Pressing.
Vorne hatte man trotz immenser Qualität noch einige Probleme, gerade gegen qualitativ ebenbürtige Gegner. Aber man dürfte alleine von den Namen her die beste Offensive der zweiten Liga haben. Mit Fabian Reese hat man seinen absoluten Starspieler halten können, auch dank Leitl. Die Abgänge von Maza und Scherhant hat man vor Allem mit den Zugängen von Kownacki und Krattenmacher auffangen können. Zudem verfügt man weiter über Michael Cuisance im Mittelfeld, der unter dem neuen Übungsleiter wieder seine Qualitäten zur Schau stellen konnte.
Ein großes Problem war in der letzten Spielzeit die Heimschwäche. Trotz im Schnitt mehr als 40.000 Fans im Berliner Olympiastadion blieben gerade mal 17 von 51 möglichen Punkten im Stadtteil Charlottenburg. Punktgleich mit Absteiger SSV Ulm belegte man damit den letzten Platz in der Heimtabelle. Wirklich erklären konnten sich sowohl die Mannschaft, die Fans als auch die Medien die schlechten Ergebnisse vor heimischen Publikum nicht. Fest steht: Wenn man den anvisierten Aufstieg tatsächlich Realität werden lassen will, sollte man dringend vermeiden, wieder so schwach zuhause aufzutreten.
Ein Name der in den letzten Monaten immer wieder durch die Medien geisterte, war der von Toptalent Kennet Eichhorn. Der talentierte Mittelfeldspieler wurde erst vor nicht mal einer Woche 16 Jahre alt und könnte damit theoretisch diese Saison schon bei den Profis zum Einsatz kommen. Stark umworben von zahlreichen Klubs aus dem In- und Ausland, entschied sich Eichhorn trotzdem für einen Verbleib in Berlin. Sehr zur Freude von Offensivstar Reese, der in einem Gespräch mit dem kicker von Ausnahmespieler schwärmte: „Ein unfassbares Ausnahmetalent.Wenn er so weitermacht, stehen ihm alle Türen offen.“ Zudem würde er mit einem Einsatz vor dem Ende der Hinrunde zum jüngsten Zweitligaspieler aller Zeiten werden.
Die Hertha dürfte gerade durch die Aufstiege des 1.FC Köln und des Hamburger SV einer der Top-Favoriten auf die vorderen Tabellenplätze sein. Auch der SV Elversberg wird wohl eher nicht an die starke letzte Saison anknüpfen können. Eine Rückkehr in die 1.Bundesliga dürfte nicht nur ein hoher Anspruch sein, sondern sogar eine Pflicht. Auch dieses Jahr war es ein äußerst schwieriges Unterfangen die Lizenz für die 2.Bundesliga zu bekommen. Eine Anleihe über 40 Millionen Euro, die eigentlich im November fällig gewesen wäre, konnte man noch drei weitere Jahre hinauszögern.
Die sportliche Qualität für den Aufstieg ist alle mal da. Mit Reese steht wohl der beste Spieler der zweiten Liga im Kader der Hertha und auch mit Krattenmacher, Kownacki und vielleicht ja noch Mergim Berisha, der Gerüchten zufolge auch bald in Blau-Weiß spielen könnte, ist man in der Offensive top besetzt. Defensiv konnte Leitl die Mannschaft weitgehend stabilisieren. Nun muss man den hohen Erwartungen gerecht werden. Das Fundament ist jedenfalls schonmal vielversprechend.