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·22. November 2020

Zwei Punkte verloren oder einen gewonnen?

Artikelbild:Zwei Punkte verloren oder einen gewonnen?

Remis gegen Köln, Schalke, Frankfurt, Hoffenheim. Die Frage nach jedem Spiel ist: Hat der VfB einen Punkt gewonnen oder zwei verloren?

Bei einem Ausgleichstor in der 93. Minute muss man klar sagen: Punkt gewonnen.


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So, wie Hoffenheim dem VfB in der zweiten Halbzeit taktisch und spielerisch überlegen war: Punkt gewonnen.

Aber liegt die Freude über den späten Ausgleich nicht eher daran, dass wir so etwas nicht mehr gewohnt sind?

Späte, entscheidende Tore, die Punkte bringen: Nicht unbedingt die Trademark des VfB. Und gerade nach einem frühen Gegentor folgte nach dem Gesetz der VfB-Serie meist das nächste Gegentor (und das nächste). Nach dem 3:2 durch Andrej Kramaric hätte der VfB, wie wir ihn bisher kannten, nach einigen halbherzigen Alibi-Angriffen noch einen Konter zum 4:2 gefangen. Die Freude über den Ausgleich ist die Freude über das Auftreten der Mannschaft. Widerstände und Rückschläge scheinen sie nicht aus der Bahn zu werfen, sondern im Gegenteil: zu motivieren. Die Freude über den Ausgleich ist auch die Freude über das ungewohnte attraktive Spiel des VfB. Schnell, flüssig, mutig. Das sind wir alles nicht gewohnt nach der zurückliegenden Zweitliga-Saison, nach bleiernen Auftritten in den letzten Jahren unter Markus Weinziel, Tayfun Korkut und auch Hannes Wolf. Die Jungs geben Gas, sie wollen Spaß. Dass da manchmal zu viel gewollt wird wie beispielsweise von Tanguy Coulibaly, dass da einige letzte Pässe unsauber gespielt werden vor lauter Übermut, können wir verschmerzen.

Können wir das wirklich? Denn mit ein bisschen mehr Glück, mehr Konsequenz und besserem Coaching hätte der VfB aus den letzten vier Spielen durchaus vier bis sechs Punkte mehr holen können. Punkte, die in den nächsten Wochen Sicherheit geben könnten gegen große, schwere Gegner. Punkte, die im Kampf um den Klassenerhalt mal Gold wert sein könnten.

Nach dem Anpfiff zur zweiten Halbzeit war jedem klar: Hoffenheim wird Tore schießen, es ist nur eine Frage der Zeit. Die TSG hatte sich taktisch anders aufgestellt, den als Außenverteidiger verschenkten Ihlas Bebou nach vorne gezogen und damit kam der VfB nicht zurecht. Jeder hat das gesehen, auch der Trainer. Wie schon gegen Frankfurt, die ebenfalls in der zweiten Halbzeit taktisch umstellten, sah Pellegrino Matarazzo lange zu. Womöglich zu lange. Vielleicht wollte er, dass sich die Mannschaft selbst fängt, dass sie erwachsen wird und das Problem selbst löst. Vielleicht will er einen Reifeprozess auslösen, damit diese Art von Herausforderungen und Veränderungen in Zukunft auf dem Platz von den Spielern selbst gelöst werden. Das geht im Moment allerdings auf Kosten von Punkten. Gegen Frankfurt reagierte er in der 72. Minute, gegen Hoffenheim zwar früher in der 59. Minute, aber er reagierte nicht auf die veränderte Statik im Spiel. Zwei Mal konnte der VfB den Dreier nicht retten, der durchaus gegen die Eintracht und Hoffenheim drin gewesen wäre. Matarazzo sollte sich im In-Game-Coaching entwickeln, um auf taktische Veränderungen nicht mit positionsgetreuen Wechseln zu reagieren, sondern um seiner Mannschaft einen Impuls und eine Idee zu geben, wie sie auf taktische Veränderungen des Gegners reagieren soll.

Let’s talk about Sex Gonzalez! Dass der VfB mehr als zwei Punkte verloren hat, liegt an der Verletzung von Nicolas Gonzalez. Der Junge war bis zu seiner Verletzung shit hot. Sein Tor, das war doch purer Sex, oder? Allein dieser Abschluss nachdem er gefühlt die komplette Hoffenheimer Defensive umkurvt hatte. Wenn sich Jetlag bei Gonzalez so äußert, sollte man ihm vor jedem Spiel ins Flugzeug setzen.

Es schmerzt, auf ihn bis Endes Jahres wegen eines Innenbandanrisses im Knie verzichten zu müssen (Aktualisierung: Der VfB spricht von 2 bis 3 Wochen Pause). Er kann den Unterschied machen, sein Nationalmannschaftstrip hat ihn regelrecht beflügelt. Dort traf er zwei Mal für Albiceleste, kam quasi auf einer Wolke schwebend wieder nach Stuttgart. Denn die zehn Stunden Flug waren ihm überhaupt nicht anzumerken. Es lag auch an ihm, dass der VfB in der ersten Halbzeit eine Klasse besser war als die Hoffenheimer. Gonzalez befand sich in Top-Form und wir hätten gerne gesehen, wie er sich gegen die Abwehr von Bayern München geschlagen hätte.

Dass der VfB mit Sasa Kalajdzic erfolgreich sein kann, haben wir zum Saisonauftakt gesehen. Dass auch er den Unterschied machen kann, haben wir in der 93. Minute gesehen: Dank seiner Kopfballverlängerung schoss Marc-Oliver Kempf den Ausgleich. Ein Happy End, das sich der VfB absolut verdient hatte.

Noch ein Wort zu den Corona-gebeutelten Hoffenheimern: Sie hatten im Vorfeld beantragt, das Spiel zu verlegen. Und es schwang Selbstmitleid und der Vorwurf mit, dass ausgerechnet sie mit so vielen Ausfällen antreten müssten. Jetzt hat Hoffenheim trotzdem eine ordentliche Mannschaft auf den Platz geschickt. Mit dem Fast-Nationaltorwart Oliver Bauman, dem Dorf-Proll Dennis Geiger, dem umtriebigen Christoph Baumgartner, dem immer gefählichen Bebou, der Tor-Maschine Kramaric. Außerdem wird nur das gnadenlos umgesetzt, auf was sich alle 36 Profi-Clubs geeinigt haben: Nämlich den Wettbewerb auch unter besonderen Umständen miteinander durchzuziehen. Letztlich ging es bei diesem gemeinsamen Entschluss um Geld und nicht um Chancengleichheit für alle. Das hat man vorher gewusst und bewusst in Kauf genommen. Daran sollte sich die TSG erinnern, bevor sie sich in die Opferrolle begibt. Von daher darf sich Hoffenheim nicht beklagen, dass die DFL einer Spielverlegung nicht zugestimmt hat. Viel wichiger wäre der Diskussionsanstoss gewesen, in wieweit es überhaupt Sinn macht, in diesen Zeiten den Ligabetrieb aufrecht zu erhalten. Viele Sportarten haben den Spielbetrieb ausgesetzt, Wirtschaft und Gesellschaft müssen Einschränkungen für die Gemeinschaft hinnehmen und annehmen. Nur der Profifußball nicht.

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Foto: Matthias Hangst (Getty Images)

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