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·25. März 2025

Zum Hoffen verdammt

Artikelbild:Zum Hoffen verdammt

Die Hoffnung stirbt zuletzt? Aber wer kann es sich bei Hertha BSC überhaupt noch leisten, zu hoffen? Davon handelt dieser Text von Niklas Döbler.

Ein Tag in Berlin

Weil der 6. November 2004 eine dieser typischen regnerisch grauen Berliner Herbsttage ist, möchte mein Vater schnell weg. Er und ich haben uns gerade durch anstrengende neunzig Minuten der Partie Hertha gegen Werder Bremen gekämpft, in der es seit der 81. Minute dank Angelos Charisteas 0:1 für die Gäste steht. Wohl um den enttäuschten Massen aus dem Weg zu gehen, stehen wir schon vor Abpfiff auf und streben der S-Bahn entgegen. So erfahre ich erst, als ein gleichgesinnter Fan mit wehender Fahne am Ostkurveneingang zurück ins Stadion rennt, dass Alexander Madlung in letzter Minute eine Ecke von Marcelinho im Bremer Tor versenkt hat.


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Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich seit je her nie ein Hertha-Spiel vorzeitig verlassen oder abgeschaltet habe; dass ich immer bis zuletzt an die Mannschaft geglaubt habe. Allerdings habe ich 2019 beim 8:7 n.E Pokal-Fight gegen Dynamo Dresden das Handy mit dem Liveticker gerade dann weggelegt, als Jordan Torunarigha in der 122. Minute zum 3:3 ausglich. Auch beim 3:3 gegen Düsseldorf im Jahr 2020 – das Spiel, in dem Thomas Kraft seine Mitspieler an der Ehre packte – habe ich die Kneipe zur Halbzeit beim Stand von 0:3 verlassen.

Nun lassen sich für jedes dieser Beispiele gefühlt zehn Spiele finden, in denen Hertha sicher geglaubte Punkte leichtfertig aus der Hand gab. Dennoch wäre es zu kurz gegriffen, zu behaupten, dass der Gang ins Olympiastadion dem Abstieg in die dantischen neun Kreise der Hölle gleicht. Auch wenn es sich in letzter Zeit oft anfühlte, als müssten jene, die eintreten, wirklich alle Hoffnung fahren lassen.

Trauma als Fankultur

Ja, ja, der Ball ist rund, das Spiel dauert 90 Minuten – und die Hoffnung stirbt zuletzt. Wer so etwas unironisch sagt, dem ist das Hertha-Fan Sein wohl erspart geblieben. Wurden wir nicht zu oft von der Hoffnung verführt? Auf einen Champions-League-Platz am letzten Spieltag? Auf eine glorreiche Zukunft, versprochen von windigen Charmeuren und Kleinunternehmern? Der Schöne Bruno, der international schnelle Alexander oder der zuletzt der leidenschaftliche “Fiélo” — Kollektives Trauma und Resilienz als Fankultur.

Aber was bleibt uns – denen, die es besser wissen, aber nicht besser können – anderes übrig als zu hoffen? Uns, das sind wir, die zum Schauen verdammt sind. Die die Verbeugungen der Akteure auf dem Feld goutieren müssen und nur gehört werden, wenn wir mit einer Stimme singen. Anfeuern können wir. Und Jubeln. Und Stöhnen. Aber kicken, das müssen die, die es eigentlich können.

Wer darf bei Hertha hoffen?

In diesem Sinne müssen wir als Fans die Hoffnung für uns pachten. Den Spielern und Verantwortlichen darf Sie nicht zugänglich sein. Zu groß ist die Gefahr, die vermeintliche Machtlosigkeit in Passivität zu ertränken. Hoffnung darf kein Aufruf zum Nichts-Tun sein. Kein Appel an lähmenden rheinischen Optimismus. Et hätt beim FC Köln halt nicht noch emmer joot jejange.

Wir als Fans dürfen Hoffen, weil wir nicht anders wollen und können. Weil bei der jetzigen Performance der Mannschaft und ohne Hoffnung ein Hertha-Spiel nur 20 Minuten dauern würde. Wir müssen fluchen, verzweifeln und ungläubig die Hände über den Kopf schlagen. Wir dürfen den Fans nicht vorwerfen, die verzerrte Vereinsbrille zu tragen, die Dinge schön zu reden. Ohne diese Fähigkeit wäre Hertha-Fan zu sein, wahrlich kein Vergnügen (wohl aber immer noch Ehre). Doch die da unten, die müssen an ihrer Hoffnung arbeiten. „Zuversicht ist die Arbeit an der Hoffnung“, ließ Kanzlerkandidat A.D. Robert Habeck die Zuschauer im TV-Wahlkampf wissen. Nun ist es an Leistner, Ernst, Reese, Schuler und Co. Zuversicht zu zeigen, damit sich die Fans wieder der Hoffnung hingeben können, dass 2025 für Hertha besser ausgeht als für die Grünen.

Es ist in Ordnung zu zweifeln und die Hoffnung, fahren zu lassen. Das geht aber nur, weil wir Wissen, dass wir sie beim nächsten Spiel im Direktzug von Westkreuz zum Olympiastadion wiederfinden. Dort, neben uns in der Kurve, ist zuhause und zu gleichen Teilen bereit, uns einige der vermeintlich besten und schlimmsten Erlebnisse unseres Lebens beizufügen. In welche Richtung die Waagschale kippt, liegt letzten Endes aber nicht auf den Betontreppen des Stadions, sondern auf dem Rasen darunter. Lassen wir es drauf ankommen!

(Titelbild: Matthias Kern/Bongarts/Getty Images)

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