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·17. Juni 2021

Zu geil für diese Welt?

Artikelbild:Zu geil für diese Welt?

Eins hat Pierre-Enric Steiger seinem Mitbewerber Claus Vogt, dem Ex-Kandidaten Christian Riethmüller, dem abgelehnten Bewerber Volker Zeh und vielen Ex-Präsidenten voraus: Er hat ein Konzept. Schriftlich fixiert auf 18 Seiten, juristisch geprüft und abgesegnet und für jedermann nachlesbar veröffentlicht.

Das ist weit mehr als ein schnell herunter gerotztes 11-Punkte-Programm und konkreter als wolkige Absichtserklärungen, die flüchtig in Interviews und Podcasts geäußert werden. Hier ist das Strategiepapier nachzulesen, damit sich alle ein Bild davon machen können.


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Steigers Kernpunkte: Er will die Mitgliederinteressen und das Mitbestimmungsrecht stärken. Das hört sich erst einmal gut und ein bisschen populistisch an. Sein Konzept erfüllt dies nicht unbedingt, im Gegenteil. Auch die Stärkung des Vereins im AG-Aufsichtsrat wirkt für mich wie eine Luftnummer. Oder verstehe ich es nur nicht? Das sagte Steiger bei Danny Galm und Simeon Kramer in deren Podcast des ZVW. Die Fans würden sein geiles Konzept nicht verstehen, er fühlt sich unverstanden, von Teilen der Fans und Mitglieder vorverurteilt, es scheint, als meine er, er sei zu geil für diese (VfB-)Welt.

Dein Konzept ist Deine Party, die Dir kein VfB-Fan versaut. Du bist der Chef auf Deinem Fest, Du bist der Boss, Du bist der Held. Was kümmert Dich der Rest, Du bist zu geil für diese Welt.

Damit macht er sich einfach. Denn, wenn es ein Kommunikations- bzw. Verständnisproblem gibt, dann liegt das immer am Sender der Botschaft (Handbuch Kommunikation, Einführung). Ganz unabhängig davon, dass die Zustimmungsbereitschaft für sein Konzept leidet, wenn sich die Leserinnen und Leser beim Lesen dumm vorkommen und der Absender sich auch noch in Interviews über sie erhebt.

Oder werden die Fans und Mitglieder nur für dumm verkauft und das Steiger-Papier hat echte Schwächen? Dieselben Schwächen, die auch der Herausforderer im Auftritt in der Öffentlichkeit hat? Pierre-Enric Steiger ist auf höchsten Ebenen hervorragend vernetzt und weiß sich und seine Stiftung zu vertreten. Dennoch wirken seine Auftritte als Präsidentschaftskandidat auf mich verkrampft und unbeholfen. Mit zunehmender Tendenz zur beleidigten Leberwurstigkeit, weil in seinen Augen vor allem „die Twitterblase“ böse ist, das eigene Konzept dagegen gut und die Leute doch selbst Schuld sind, wenn sie ihn nicht verstehen. Vielleicht nehme ich ihm die Leidenschaft für den VfB auch deshalb nicht wirklich ab.

Clever ist hingegen seine Aussage, dass nach seinem Verständnis die erste Aufgabe des AG-Aufsichtsrats nicht die Kontrolle des Vorstands sei, sondern Thomas Hitzlsperger und Sven Mislintat das uneingeschränkte Vertrauen zu schenken und ihnen viel Freiraum zu geben. Das hören wir (dummen) Fans natürlich gerne, sehen wir in Hitzlintat doch den Erfolgsfaktor für eine glorreiche sportliche Zukunft und man kann überdies zwischen den Zeilen heraushören, dass Amtsinhaber Claus Vogt diesen Freiraum nicht gewährt und sich in sportliche Belange eingemischt hat (was zu beweisen wäre).

Schlichtweg gefährlich ist hingegen seine Einstellung zur Mitgliederverarsche: Steiger kann sich vorstellen, dass die Aufarbeitung des Datenskandals nur dazu gedient habe, unliebsame Führungspersönlichkeiten los zu werden. Eine erstaunliche Spekulation, denn entgegen seiner Aussage sah nicht nur Esecon ein eindeutiges Fehlverhalten, sondern auch die Heerscharen an Kanzleien, die den Esecon-Bericht bewerteten und Konsequenzen empfahlen.

Ich bin interessiert an Pierre-Enric Steiger, an seiner Person und an seinen Plänen, wie er den VfB in die Zukunft führen will. Wenn es einen besseren Präsidenten gibt als Claus Vogt, dann ist das auch gut für den VfB, zumal der Amtsinhaber mich nicht immer restlos überzeugt hat. Herr Steiger macht es mir jedoch schwer mit seinem Konzept, seiner belehrenden Art und der durchsichtigen Taktik, mit ihm als Präsident käme mehr Ruhe in den Verein und die AG. Denn das Problem beim VfB ist nicht der Präsident. Das Problem ist das Spannungsfeld zwischen VfB e.V. und VfB AG. Und hier hat Steiger mit widersprüchlichen Aussagen überhaupt nicht aufzeigen können, welche Lösung er sich vorstellt. Wie will er den e.V. von der AG emanzipieren und gleichzeitig für mehr Harmonie zwischen diesen beiden Playern sorgen?

Aber womöglich bin auch ich das Problem. Womöglich ist Pierre-Enric Steiger einfach zu geil für meine (VfB-)Welt.

Foto: Imago Images

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