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·26. September 2024

Zoff ums deutsche Tor: Hier die fünf heftigsten Fälle

Artikelbild:Zoff ums deutsche Tor: Hier die fünf heftigsten Fälle

Wer soll Marc-André ter Stegen in der Nationalmannschaft ersetzen? Die DFB-Geschichte zeigt: Wachablösungen laufen nicht immer geräuschlos ab

Fußball-Deutschland sucht eine neue Nummer 1 – wieder einmal und schneller als gedacht. Nach dem Ausfall von Manuel Neuers Nachfolger Marc-Andre ter Stegen entbrennt ein Kampf ums deutsche Tor. Die Charaktere von Oliver Baumann und Alexander Nübel, die in der Hierarchie als nächstes kommen, obwohl beide noch ohne ein Länderspiel sind, stehen nicht unbedingt für Eskalation. Es war auch schon mal anders, denn bei Torhütern kann es nur einen geben. Das waren die fünf heißesten Duelle um die Nummer eins in der DFB-Geschichte.


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Oliver Kahn vs. Jens Lehmann

Von 1998 bis 2006 waren sie Rivalen ums deutsche Tor. Lange hielt Bayern-Keeper Oliver Kahn die Bälle und Jens Lehmann die Klappe. Vor der EM 2004 hielt er es dann nicht mehr aus: „Ich hätte es verdient, wieder mal zu spielen, weil ich sechs Jahre gewartet und auch die Leistung gebracht habe. Meine Leistung ist konstanter. Ich kann jetzt wirklich nicht sagen, dass einer besser ist als ich.“ Dann kam Jürgen Klinsmann und erklärte das Rennen ab 2004 für offen. Sie gingen sich aus dem Weg und redeten mehr über- als miteinander. Lehmann lästerte: „Worüber soll ich mit ihm reden, ich habe keine 24jährige Freundin.“ Kahn unterstellte ihm „Kindergartenniveau.“

Als Klinsmann zwei Monate vor der WM im eigenen Land Lehmann wegen seiner besseren fußballerischen Fähigkeiten zur Nummer 1 erklärte, rechneten alle mit Kahns Rücktritt als der Münchner eine eigene Pressekonferenz einberief. Doch auf der gab er bekannt, sich in seine Rolle zu fügen und den WM-Frieden nicht stören zu wollen. Größe bewies er auch vor dem Elfmeterschießen gegen Argentinien im Viertelfinale von Berlin.

Da reichte Kahn Lehmann die Hand und sprach ihm Mut zu. Das Bild flimmerte über die Anzeigetafel und das Publikum applaudierte. Seine Erklärung ist bemerkenswert: „Ich hatte das Glück, als 13jähriger Helmut Schmidt als Vorbild zu haben. Er wurde 1982 durch ein Misstrauensvotum vom Bundestag abgewählt. Es gab einen Moment, den ich immer im Kopf trage: als Schmidt durch die Reihen marschierte und als großer Staatsmann Helmut Kohl, seinem Nachfolger und Kontrahenten als Bundeskanzler, die Hand reicht. Das war ein Moment der Größe, der sich bei mir eingeprägt hat. Wie klein wäre es 2006 gewesen, nicht zu Jens zu gehen. Ich sagte zu ihm: ‚Das ist jetzt dein Moment. Nutze ihn, bring uns weiter.‘“

Lehmann brachte sie weiter, aber nicht ins Finale und so sagte Kahn ein halbes Jahr später: „Mit mir wären wir Weltmeister geworden.“

Toni Schumacher vs. Uli Stein

Diese Kontroverse war die heftigste, sie ging nur nicht sehr lange. Sie spielte sich bei der WM 1986 in Mexiko ab und fand ein jähes Ende, während das Turnier noch lief. Es war das Duell der ehrgeizigsten Bundesligatorhüter in den Achtzigern. Der da noch unerfahrene Teamchef Franz Beckenbauer hatte beiden Hoffnung auf die Nummer 1 bei der WM gemacht, aber in der Vorbereitung zeichnete sich ab dass Europameister Schumacher seinen Platz behalten würde. HSV-Keeper Stein meckerte prompt vor dem Abflug zur WM: „Hier geht es nicht nach Leistung.“ Er streute sogar den Verdacht, dass Schumachers Ausrüster Einfluss nähmen. Die Medien witterten eine große Story, zumal Schumacher wissen ließ „dass wir uns nicht so gut verstehen.“

Das war auch im Training zu spüren. Wir lesen in der Biograhie Schumachers von 1987 (Anpfiff): „Stein kennt vor allem unfaire Methoden, also sitzen seine Hiebe vor allem unter der Gürtellinie. Ich bat den Co-Trainer, außerhalb der Blick- und Giftzone des hasserfüllten Mitspielers Stein trainieren zu dürfen.“ Auch Stein schrieb eine Biographie (Halbzeit – Eine Bilanz ohne Deckung) und gab die Komplimente zurück: „Schumacher witterte die Gefahr, er zog alle Register des Psychoterrors inklusive persönlicher Diffamierungen in den Medien um die Hausmacht zu behalten.“

Seinen Platz im Kasten behielt er auch und so sonnte sich Reservist Stein in der Halbzeit des Auftaktspiels gegen Uruguay mit blanker Brust am Spielfeldrand. Dann überzog er in Queretaro mit einer kleinen Spielergruppe den Zapfenstreich und als er auch noch Beckenbauer in Anspielung an seine Werbung für Knorr als „Suppenkasper“ bezeichnete, was dem Kaiser ein Spieler steckte, wurde er suspendiert. Stein war nach Josef Haringer (WM 1934) der zweite deutsche Spieler, der von einem Turnier suspendiert wurde. Es war auch das Ende seiner DFB-Karriere, das für Schumacher nur ein Jahr später folgte – wegen seines systemkritischen Buches „Anpfiff“.

Eike Immel vs. Bodo Illgner

Die Erben Schumachers gerieten nie richtig aneinander, das Verhältnis sei „ganz normal“ (Immel) gewesen, aber sie respektierten sich auch nicht besonders. Als Teamchef Beckenbauer nach der EM 1988, bei der Immel immer gespielt hatte, den sieben Jahre jüngeren Illgner in Finnland aufstellte, trat der Stuttgarter erbost noch auf dem Rückflug aus Helsinki zurück. „Ich habe lange genug hinter Toni Schumacher auf der Bank gesessen.“  Später bereute er das, noch 2006 sagte er: „Mit Abstand muss ich sagen, dass meine Entscheidung übereilt und zum Teil ausfalschem Stolz getroffen wurde.“

Damals gab es noch ein Telefonat ein paar Tage nach Immels Schnellschuss, dessen Ergebnis der verärgerte Beckenbauer knapp verkündete: „Das Thema ist erledigt, ich sage dazu nichts mehr.“ Immel wollte nur als Nummer 1 zurückkehren, mit dem Kaiser war das nicht zu machen und so wurde statt Immel eben Illgner, der seine Chance beim Schopfe packte, 1990 Weltmeister.

Sepp Maier vs. Wolfgang Kleff

Über diesen Witz lachten in den Siebzigern Millionen: „Sepp Maier hat seinen Dackel erschossen. Warum? Auf die Frage, wer der beste Torwart sei, machte er immer ‚Kläff, Kläff’.“ Erfunden hatte ihn Wolfgang Kleff. Vor der WM 1974 probte der lustige Gladbacher den Aufstand gegen den Bundes-Sepp aus München und sagte ganz im Ernst: „Maier ist nur einer von mehreren Konkurrenten.“ Aber der, der Weltmeister wurde. Doch auf dem Weg dahin hatte auch Maier, seit 1969 Stammkeeper, erstmals zu kämpfen. 1973 bestritt Kleff vier Spiele in Folge. Maier begründete daraufhin seine Patzer bei einem 5:5 auf Schalke damit, dass die Presse Kleff so „hochgelobt“ habe, was ihn beschäftigt hätte. Bundestrainer Helmut Schön ließ ihn daraufhin bei zwei Spielen zuhause, da er „so ein schlechter Reservist“ sei. Kleff kam trotzdem nie an ihm vorbei (sechs Länderspiele), wurde 1974 auf der Bank Weltmeister und trug sein Los, wie geschildert, mit Humor.

Hans Tilkowski vs. Wolfgang Fahrian

Nach der WM 1958 hatte sich Hans Tilkowski von Westfalia Herne den Platz von Essens Fritz Herkenrath erobert und weil er in allen Qualifikationsspielen dabei war, keinerlei Zweifel 1962 in Chile zu spielen.

In diesem Bewusstsein stieg der spätere Dortmunder in den Flieger. Doch in Chile spielte plötzlich einer, den niemand auf dem Zettel hatte: Wolfgang Fahrian vom Zweitligisten TSG Ulm 46. Es war eine der unglaublichsten Karrieren der deutschen Fußballgeschichte.

Es gab ein Jahr vor Gründung der Bundesliga 74 Erstligisten und somit ebenso viele Torhüter, die höherklassiger spielten als er.  Aber keiner schien besser zu sein als der fesche Fahrian, der erstmals im September 1960 bei einem Punktspiel das Tor hütete. Fahrian sagte im Rückblick: „Kurz davor galt ich noch als Dorffußballer und plötzlich stand ich bei allen WM-Spielen im Tor.“

Seine Karriere war sensationell: bis zur A-Jugend war er noch Verteidiger, spielte in der süddeutschen Jugendauswahl. Dann fiel in Ulm der Torwart aus, er sprang ein und so gut nach den Bällen, dass er den Verbandstrainern auffiel und schließlich in Sepp Herbergers berühmten Notizbuch landete.

Dass der Bundestrainer ihn an seinem 21. Spieltag nach nur einem Test gleich ein Länderspiel bei einer WM (0:0 gegen Italien) schenkte, war unglaublich und für Tilkowski nicht zu ertragen.

Der erklärte seinen Rücktritt, verlangte (vergebens) ein Rückflugticket und trat einen Stuhl durchs  Hotelzimmer, das er entgegen aufgeblasener Berichte aber nicht zerlegte. Wäre ja auch sehr unkameradschaftlich gewesen, er hatte drei Mitbewohner in der Miltärschule in Santiago – einer war Fahrian, gegen den er eigentlich nichts hatte: „Zwischen uns hat es keinen Streit und kein böses Wort gegeben.“

Für Herberger hatte er umso mehr böse Worte. Von Rachedurst getrieben, gab Tilkowski nach der Rückkehr aus Chile der WAZ ein Interview, das Herberger lächerlich machte, weshalb der eine Klage anstrebte. Zunächst vor dem DFB-Bundesgericht, Paragraph 18 der Verfahrensordnung sei der richtige für Beleidigungen innerhalb der DFB-Familie, teilte Präsident Dr. Gösmann Herberger mit.

Die Verleumdungsklage ersparte Herberger allen Beteiligten, nach eineinhalb Jahren kam es zur Versöhnung und Tilkowski schickte ihm sogar eine Weihnachtskarte. 1966 stand er im WM-Finale, wenn auch unter einem anderen Trainer, Helmut Schön. Nicht immer ging es so gut aus wie beim ersten deutschen Torwartzoff, denn wenn Nationaltorhüter um ihren Platz fürchten, schlagen die Emotionen besonders hoch.

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