MillernTon
·5. Juni 2025
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·5. Juni 2025
Ob Kampfsport, Gym, Ausdauersport – auch als Fußballfan tut man heute oft deutlich mehr für den eigenen Körper als früher. Raphael gibt einen Überblick über das Angebot im Viertel und hat mit Christian von Audax gesprochen.Titelfoto: Audax
Gastartikel von RaphaelKampfsport – nee, echt jetzt? Was soll sowas hier? Wozu soll man sowas machen? Wir sind doch alle friedlich und keine Macker mit kompensierungsbedürftigen Minderwertigkeitskomplexen.
Zuallererst: Sport ist immer empfehlenswert. Binsenweisheit! Und jede Kampfkunst ist auch eine sportliche Betätigung. Sie fordert und fördert Körper und Geist. Konkret: Man wird fit und lernt dabei noch was. Man gewinnt an Kraft, Ausdauer und Koordination. Kampfsport1 ist hervorragend kombinierbar mit Ausdauersportarten wie Laufen, Radfahren, Schwimmen, aber auch mit Pumpen2 oder Yoga.
Die*der Trainierende bekommt ein Gespür für den eigenen Körper. Man lernt, was es bedeutet, Wucht auszuüben, aber auch zu spüren. Man lernt auch den Respekt vor sich selbst und dem Gegenüber. Je mehr man dazu in der Lage wäre, jemanden übel zu verletzen, desto bewusster wird einem das. Nicht zuletzt deshalb ist Kampfsport oft Teil gewaltpräventiver Jugendarbeit.
Es gibt aber auch eine „politische“ Dimension. Als Fußballfan kann es einem immer passieren, von gegnerischen Fans oder Hools attackiert zu werden. Ganz besonders wir Supporter des FCSP sind seit Jahrzehnten beliebtes Feindbild und Angriffsziel, insbesondere aufgrund unserer politischen Einstellung. Immer wieder werden St.-Pauli-Fans bei Übergriffen verletzt. Die meisten Vorfälle kommen gar nicht an die Öffentlichkeit. Doch nicht nur die zahlreichen rechten Fanszenen hassen uns. Seit dem 7. Oktober stehen uns auch weltweit viele israelfeindliche, linke Fangruppen feindselig gegenüber. Inzwischen muss man mit SP-Merch sogar in Gegenden aufpassen, wo es bisher einigermaßen safe war.
Auch außerhalb des Fußballs besteht stets die Gefahr, als Linker von Nazis angegriffen zu werden. Die Zahl rechtsextremer Straftaten in Deutschland hat im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht. An jedem Tag des Jahres geschehen drei Gewaltdelikte – und das sind nur die angezeigten Fälle. Die Dunkelziffer dürfte hoch sein. Neonazis haben generell keinen Skrupel vor Gewalt. Sie konzentrieren sich sogar voll darauf und nutzen sie gezielt zur Machtausübung und zum Durchsetzen der eigenen Interessen. Seit Jahren ist auch zu beobachten, dass sie in einigen Gegenden die Kampfsportszene infiltriert oder eigene Schulen gegründet haben. (Siehe auch: Einblicke in die rechtsextreme Kampfsportszene, MillernTon 2020) Und zu schlechter Letzt sind nicht-binäre Menschen oft Gewaltopfer, sowie Frauen von Männergewalt und Übergriffen, bis hin zu versuchten und durchgeführten Femiziden.
Also: Wehrt Euch! Niemand von uns will Opfer sein. Und niemand von uns soll Opfer sein. Und niemand von uns will den Arschlöchern die Straße überlassen. Kein Fußbreit den Faschisten ist keine hohle Phrase, sondern Auftrag.
Nach dem das Warum geklärt wäre, kommen wir zur Frage: Welche Kampfkunst? Denn die Auswahl ist groß3. Es gibt Kampfsportarten, die „für die Straße“ geeigneter sind als andere. Grundsätzlich haben alle ihre Berechtigung und es ist immer besser, überhaupt etwas zu machen, als gar nichts. Entscheidend ist, etwas zu finden, das einem so viel Spaß macht, dass man es regelmäßig und dauerhaft praktiziert. Man sollte überlegen: Wie sind meine körperlichen Voraussetzungen4? Wer zum Beispiel Probleme mit Kicks hat, weil sie*er sehr steif ist oder chronische Beschwerden in Knien, Hüfte oder Füßen hat, könnte sich eher etwas suchen, bei dem sie/er sich auf Fäuste/Arme konzentrieren kann. Zu beantworten wäre auch: Sind mir Sport- und Fitnessfaktor wichtiger oder effektive Combat Skills? Was wird in meiner näheren Umgebung angeboten? Wie sind die Kurszeiten?
Und dann die Frage: Welches Gym? Es macht Sinn, dass es möglichst nah am Wohnort liegt beziehungsweise gut erreichbar ist. Dass man auch bei drei Grad und Nieselregen motiviert ist, den Weg auf sich zu nehmen. Elementar: Guckt Euch die Schule an. Und mit angucken ist gemeint: Probetraining vereinbaren. Da muss man keinen Bammel vor haben, jede*r hat mal so angefangen, Neue sind immer willkommen und in der Regel gehen alle rücksichtsvoll mit Anfänger*innen um. Wenn man dort ist, bekommt man schnell mit, wie der Umgang untereinander ist, wie aufmerksam Trainierende und Trainer*innen sind und wie es um die Gym-Kultur bestellt ist.
Ein hoher Frauenanteil und eine konzentrierte, aber relaxte Atmo sind immer ein gutes Zeichen. Wer neugierig ist und sich später weiterentwickeln will, kann neben seiner erlernten Kampfkunst auch in andere Kurse reinschnuppern, sofern das Gym diese anbietet. Zwei oder mehr verschiedene Martial Arts erlernen, die sich ergänzen (z.B. Boxen & Krav Maga, Kickboxen & Groundwork) oder zusätzlich sowas wie HIIT (High Intensity Interval Training) oder Strength & Mobility durchziehen. Ihr seid dann definitiv fitter als jeder Turnschuh.
Gyms kosten was, es gibt manchmal verschiedene Tarife und man sucht sich einen aus, der passt. So richtig günstig ist es meistens nicht, denn die Trainer*innen, die Raummiete, Nebenkosten und das Interieur müssen bezahlt werden. Wem das zu viel Kohle ist, kann auch in einen klassischen Sportverein eintreten, siehe unten. Ihr braucht wenig Equipment: Sportkleidung (oft wird barfuß trainiert), Handbandagen, Handschuhe, Getränk, ggfs. später Zahnschutz und Tiefschutz, that’s it. Alles andere wird in der Regel von der Schule gestellt.
Hier eine Auswahl von Gyms im Viertel und Umgebung (alphabetische Sortierung):
Wer lieber in einem Sportverein trainieren möchte, der kann das zum Beispiel auch beim FCSP in der Boxabteilung. Link anklicken und dann per Kontaktformular ein Probetraining anmelden. Heros Boxen in der Bogenstraße 32 (Eimsbüttel) ist eine klassische Boxschule, es gibt sie seit über 100 Jahren. Der Boxclub BC Hanseat hat seine Heimat in der Seilerstraße 42. Man hört Gutes. Kontakt per E-Mail. Als großer Breitensportverein bietet unter anderem der ETV in der Bundesstraße 96 so einiges: Kung Fu, Capoeira, Aikido, Judo, Karate, Kinderkampfsport, „Moderner Kampfsport“.// Raphael
P.S. Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf 100 % Richtigkeit oder Wahrheit. Lob, konstruktive Kritik, Ergänzungen und Austausch sind immer willkommen.P.P.S. Dank geht raus an Tristan für die Unterstützung bei diesem Beitrag.
(c) Audax
1 Der Einfachheit halber habe ich den Begriff für alle Arten der Kampfkunst benutzt. Man unterscheidet prinzipiell zwischen Kampfsport und Kampfkünsten, die ausschließlich der Selbstverteidigung (SV) dienen, auch wenn die Übergänge fließend sind. Im Sport gibt es Wettkämpfe und Regeln. Das Ziel beim SV dagegen ist nicht, Punkte zu bekommen und Turniere zu gewinnen, sondern den Gegner schnell und effektiv kampfunfähig zu machen. Dafür werden auch Techniken verwendet, die man lieber nicht in einen sportlichen Wettstreit benutzen sollte, weil sie bleibende Schäden hinterlassen können. Das bedeutet im Umkehrschluss gewiss nicht, dass die erlernten Kampfsport-Skills nicht für den Streetfight unbrauchbar sind, ganz im Gegenteil.
2 Pumpen: Umgangssprachlich für Krafttraining (bitte nicht verwechseln mit Bodybuilding). Enorm hilfreich als Ergänzung. Gemeint ist weniger, einen möglichst dicken Bizeps zu bekommen oder sich für die Optik bis zur völligen Unbeweglichkeit aufzublasen. Sondern möglichst viele der 600 Skelettmuskeln so zu aktivieren, dass es der Sache dient. Eher unpopulär, aber besonders essenziell, ist die Rumpfmuskulatur – Brust, Rücken, Bauch, Becken. Sorgt für Stabilität, verbesserte Kraftübertragung und Minimierung des Verletzungsrisikos. Gezieltes und kontinuierliches Krafttraining kann auch häufige Beschwerdezonen wie Rücken und Schulter supporten und so chronische Schmerzen lindern oder beheben. Kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Wer keinen Bock auf testosteron- und steroidgeschwängerte Muckibuden hat: Mit Eigengewicht und kleinem Besteck kannste fast alles auch zu Hause durchziehen. 1A Begleiterin: Passende Motivationsmucke – volle Kanne aufdrehen!
3 Es gibt Kampfkünste, insbesondere welche aus Fernost, die großen Wert auf bestimmte Kleidung, Rituale und Graduierungen legen. Bei einigen muss man gewisse Basics erst in Perfektion beherrschen oder die nächste Prüfung für eine höhere Graduierung abwarten, bevor einem etwas Neues beigebracht wird. Außerdem kann es passieren, dass man nur mit Partner*innen trainiert, die auf genau dem gleichen Level unterwegs sind. Das ist alles auch ok und hat seine Tradition und Berechtigung. Ob das aber hilfreich ist, um schnell auf ein gewisses Niveau zu kommen, ist fraglich. Ich habe früher selbst eine ganze Zeit lang sowas mitgemacht. Im Nachhinein muss ich sagen, dass investierte Zeit und Ergebnis in keiner guten Relation zueinander standen. Es macht zum Beispiel Sinn, wenn jede*r mal mit jeder*m trainiert, Anfänger und Fortgeschrittene. Das ist zum einen eine gute Abwechslung für die Routiniers und zum anderen werden die Rookies so schneller besser, was dann auch wieder gut ist für die Cracks, denn dann bekommen sie asap fähige Partner.
4 An dieser Stelle möchte ich einen gängigen Mythos gerne etwas relativieren. Nämlich, dass ein*e kleine*r und körperlich „schwache*r“ Kämpfer*in einen großen und kräftigen Brocken problemlos besiegen kann, wenn sie*er nur bestimmte Techniken beherrscht. Sieht man in jedem Martial Arts Movie. Zur Wahrheit gehört, dass eine – sagen wir mal – 60 kg schwere Frau zehnmal so hart trainieren muss, um eine Chance gegen ein 100-kg-Gegenüber zu haben, selbst wenn dieser ein eher mäßiger Kampfkünstler ist. Wenn SV-Schulen versprechen, dass ein*e Anfänger*in, egal welche körperlichen Voraussetzungen er/sie hat, innerhalb kürzester Zeit lernen kann, sich auf der Straße effektiv zur Wehr zu setzen, dann ist das unseriös und sogar gefährlich. Techniken zu erlernen ist gut und wichtig, aber sie müssen zusammen mit Power und Resilienz kommen. Das erfordert ein beständiges und intensives Training. Also fangt am besten bereits morgen damit an! Gleichwohl sind SV-Seminare für Anfänger*innen nicht in Bausch und Bogen abzulehnen. Sie können helfen, das Selbstvertrauen zu stärken. Zudem bekommt man einen Eindruck davon, wie es sich anfühlt, wenn man einem Gegner/Trainingspartner gegenübersteht und eine Kampfsituation simuliert. So dass man in bei einem echten Konflikt zumindest nicht in Schockstarre verharrt. Oft sind solche Kurse auch der Einstieg, ein dauerhaftes Kampfsporttraining aufzunehmen.
5 Thaiboxen ist die eingedeutschte Bezeichnung für Muay Thai und ist eine aus Thailand stammende Kampfsportart. Sie gilt aufgrund der Intensität und des körperlichen Einsatzes der Kämpfer*innen als eine der anspruchsvollsten der Welt. Im Muay Thai werden Fäuste, Ellbogen, Knie und Beine eingesetzt, um den Gegner anzugreifen. Faustschläge, kraftvolle Tritte und präzise Ellbogentechniken sind ein wesentlicher Bestandteil des Muay-Thai-Trainings und -Kampfes. Unterschied zu Kickboxen? Same same, but different 😉
6 BJJ steht für Brazilian Jiu-Jitsu. BJJ ist eine Weiterentwicklung der japanischen Kampfkünste Judo und Jiu Jitsu, die den Schwerpunkt auf Wurftechniken und Bodenkampf legt. Im Gegensatz zu anderen Kampfsportarten, die sich stark auf Schläge und Tritte konzentrieren, geht es bei BJJ darum, einen Gegner durch Technik und Timing zu kontrollieren und zu besiegen – selbst wenn dieser physisch überlegen ist. So entstand eine der effektivsten und realistischsten Kampfkünste der Welt. BJJ ist sowohl eine Sportart als auch eine Methode zur Selbstverteidigung. Es hat sich auch als effektive Disziplin in gemischten Kampfsportarten wie MMA erwiesen.
// (c) Audax
Christian Mull ist seit über 25 Jahren im Kampfsport aktiv und Inhaber vom Audax Gym in Bahrenfeld. Neben ihm ist Tanja Schlaugat die zweite hauptaktive Trainerin. „Audax ist Latein und bedeutet so viel wie frech oder kühn – oder auf hamburgisch ganz einfach ‚kiebig‘. Es beschreibt unseren Zustand, falls wir angegriffen werden. Wir sind stets friedlich, werden uns aber im Ernstfall so teuer wie möglich verkaufen.“ So steht es auf der Audax-Website. Was man sonst noch alles wissen sollte, erfahrt Ihr von Christian selbst.
Warum ist Kampfsport absolut großartig?Christian: Ich habe nichts anderes gefunden, was so vielseitig ist und mir auch nach Jahrzehnten immer noch gute Laune macht.
In der Kampfkunst ist es eine uralte Tradition, die Arten miteinander zu vergleichen. Sprich: Welche ist besser als die andere? Wie ist deine Meinung?Ah, das gute alte Bashing! Sehr beliebt! Die diplomatische Antwort lautet: Es kommt immer auf die praktizierende Person an. Und bei zwei Leuten mit gleichen Fähigkeiten werden vermutlich Masse und Reichweite entscheiden. Zumindest, was Effektivität angeht. Bei Kampfkunst gibts ja auch Aspekte wie Ästhetik, Tradition oder gesundheitliche Aspekte. Vieles davon ist mir persönlich Lachs. Ich freu mich aber, fitter als viele andere in meinem Alter (und drunter) zu sein.
Wie bist du zum Kampfsport / zur Selbstverteidigung (SV) gekommen? Was hast du alles gemacht oder gelernt?Erstkontakt und große Liebe waren lange Jahre asiatische beziehungsweise US-„Fuchtelfilme“ der 70er-90er Jahre, Anlass waren aber auch konkrete Probleme mit Jungnazis in den 90ern. Die meisten Filme sind heute nicht mehr erträglich, haben aber einen Platz in meinem Herzen. Dadurch war auch Kung Fu meine erste praktizierte Kampfkunst als Jugendlicher. Dann hab ich mich übers Boxen, Thai-/Kickboxen, Escrima et cetera zum Krav Maga durchgearbeitet. Das ist jetzt auch schon 15 Jahre her. In den letzten Jahren gab es dann immer wieder kleine Ausflüge in andere Gefilde, aber im Groben ist es das.
Was hat dich bewegt, selbst andere zu trainieren?Ab nem gewissen Punkt in der „Kampfsport-Karriere“ wird dir nahegelegt, Verantwortung für Gruppen zu übernehmen. Einmal, damit der Trainer mehr Zeit für Kaffeetrinken hat (Spaß) aber auch, um zu sehen, inwieweit du die Techniken und Fertigkeiten verstanden hast. In der Wissensvermittlung zeigen sich nochmal neue Perspektiven für das eigene Training. Das hat mir gefallen. Als „Überzeugungstäter“ im Bereich Kampfsport möchte ich gern anderen zeigen, wieviel Spaß das ganze Gekloppe machen kann, ohne dass man ein brutaler Mensch sein muss. Außerdem macht es mir Freude, Menschen beim besser werden zu helfen. Und, sie zu scheuchen. Und dann noch Geld dafür bekommen! Viel mehr geht ja wohl kaum.
Wie ist das Audax entstanden und was bietet es? Der Entschluss zu eigenen Räumen fiel vor zehn Jahren am Jolly-Tresen. Ich habe vorher schon bei einer großen Sportschule Training gegeben und war mit den Rahmenbedingungen nicht zufrieden. Als Henno mich mit den Leuten vom Tensho zusammenbrachte, hat es sehr gut gepasst. Nur, dass schon nach kurzer Zeit klar wurde, dass mir der Platz dort nicht reicht. Nach langer Suche haben wir nun seit 2019 mit 500 qm ausreichend Fläche und können machen, was wir wollen.
Der Claim vom Audax ist „Progressive Selbstverteidigung“. Ist „progressiv“ eine Anspielung auf den (diskriminierungsfreien) Umgang unter den Trainierenden? Oder auf moderne Trainingsmethoden? Oder beides?Es ist beides. Wir machen „moderne“ Selbstverteidigung und passen Inhalte sowie Lernmethoden stetig an. Ich hab inzwischen so viel vom klassischen Krav Maga fallen lassen, dass man es eigentlich auch anders nennen könnte. Der Begriff Krav Maga funktioniert aber natürlich als Orientierungspunkt gut. Und gleichzeitig wollte ich darauf hinweisen, dass wir auf bestimmte Leute und ihre Art keinen Bock haben. Im Bereich Kampfsport und Selbstverteidigung gibt es häufig einen Hang in die reaktionäre Ecke, dem versuchen wir entgegenzuwirken.
Was kann man im Audax alles trainieren? Wie lang sind die Kurse und wie läuft ein Kurs ab?Inzwischen haben wir ne ganze Bandbreite an Disziplinen und decken die relevanten Kampfdistanzen für die Selbstverteidigung ab. Krav Maga, Boxen, Escrima, Kickboxen, Combatives und ein bisschen Catchwrestling. Dazu funktionelles Training, damit der Körper auch heil bleibt.
Was macht das Audax aus? Gibt es Unterschiede zu anderen Schulen? Was für Leute trainieren dort?Die meisten Kurse für Erwachsene werden von Tanja und mir angeleitet und daher sind die Sachen „aus einem Guss“. Alles passt zusammen. Die Atmosphäre ist deutlich angenehmer als in vielen anderen Studios, ohne Abstriche bei den Inhalten zu machen. Don’t mistake kindness for weakness. Wir stehen hinter dem, was wir zeigen und haben keine Scheu, uns weiterzuentwickeln. Wir versuchen, allen Teilnehmenden einen guten Einstieg ins Thema Kampfsport zu geben. Zusätzlich legen wir Wert auf das Miteinander und erwarten aber auch, dass die Leute mitdenken, beim Training alles geben und nicht nur eine reine Konsumentenhaltung einnehmen. Außerdem behaupte ich, dass ich alle aktiven Mitglieder namentlich begrüßen kann. Wir haben unsere Leute auf dem Schirm.
Ansonsten ist Audax ein inhabergeführter, kommerzieller Betrieb. Ich (und einige andere) müssen davon leben können. Entsprechend können wir nicht mit Schleuderpreisen aufwarten, was dann leider ein gewisses Vorsortieren hinsichtlich finanzieller Mittel der Mitglieder verursacht. Daher sind unsere Mitglieder eher zwischen Mitte 20 und Ende 50, mit Überhang auf männlicher Seite. Die kulturelle Hegemonie ist progressiv und es ist immer bemerkbar, wenn der FCSP spielt. Dann ist es recht leer auf der Matte.
Fühlen sich auch Nicht-cis-Männer und Frauen bei Euch wohl und gibt es für sie spezielle Angebote?Hoffentlich! Wir legen auf eine Atmosphäre wert, in der alle mit allen trainieren können. Das bezieht sich auf Gewicht, Größe und Leistungsstand. Das Geschlecht zählt dabei nicht, übergriffiges Verhalten und „Herrenwitze“ werden nicht geduldet. Wir sind ziemlich krüsch, was das Verhalten unserer Mitglieder in Bezug auf sowas angeht, und verzichten im Zweifel auf Kohle, bevor wir Leute trainieren, denen wir nicht trauen. Darüber hinaus fragen wir nicht explizit die Geschlechtsidentität unserer Mitglieder ab, nehmen aber selbstverständlich Rückmeldungen oder Änderungen an und respektieren diese. Aus Datenschutzgründen gebe ich hier keine Beispiele, nur damit ich Werbung machen kann. Wir bemühen uns, verweisen im Zweifel aber auf explizite externe Gruppen. Spezielle Angebote? Wir haben freitags einen Boxkurs, an dem keine Männer teilnehmen dürfen. Der wird gut angenommen, die Teilnehmerinnen besuchen aber auch die offenen Kurse für alle.
Nehmen Audax-Mitglieder auch an Wettkämpfen teil?Eigentlich ist das nicht unser Gebiet, aber wir haben bereits einige unserer Leute für Box-/Kickbox- und MMA-Kämpfe in den Ring bzw. auf die Matte geschickt.
Krav Maga-Übung // (c) Audax
Es gibt im Gebiet St. Pauli / Altona viele Kampfsport-Gyms. Wie ist das Verhältnis untereinander – eher Konkurrenz oder freundschaftliche Koexistenz?Ich hab mit niemandem Stress und kümmere mich auch relativ wenig um andere Läden. Wir kennen natürlich einige, aber generell machen wir unser Ding. Das Angebot ist ebenso vielschichtig wie die KundInnenstruktur und Qualität setzt sich durch. Ich habe kein Problem damit, potenzielle Anfragen an andere Adressen zu vermitteln, wenn ich denke, die sind dort besser aufgehoben.
Für wen ist welche Kampfsportart/SV am besten geeignet?Pauschal schwer zu beantworten. Wahrscheinlich muss ich mich erst fragen: „was will ich erreichen?“ und dann „was bin ich bereit, körperlich zu investieren?“ Wenn ich Probleme mit engem Körperkontakt habe, wird zum Beispiel Ringen/BJJ nicht meine erste Wahl sein. Wenn ich es gar nicht ertrage, Leute zu schlagen oder geschlagen zu werden, muss ich verstehen, dass mein Training wahrscheinlich realem Druck nicht standhalten wird. Dann kann ich Kampfsporttraining an der Pratze aber immer noch aus einem Fitnessaspekt heraus betreiben.
Nehmen wir mal an, jemand möchte sich auf der Straße effektiv verteidigen können. Was sollte er/sie wählen? Wie lange und wie hart muss/sollte man dafür trainieren?Wir empfehlen natürlich unser Angebot im AUDAX 😉 Also: Krav Maga und Boxen, dazu ergänzend Fertigkeiten im Umgang mit Hilfsmitteln und Grundkenntnisse für den Übergang Stand/Boden. Aus diesen Bausteinen – zusammen mit Schulung zur Konflikterkennung und verbalem Rüstzeug – baut man sich seinen eigenen Werkzeugkasten zusammen.
Dauer und Intensität: so viel und so realistisch wie möglich. Das heißt nicht, dass ich 3x wöchentlich Vollkontakt gegen mehrere größere Gegner kloppen muss. Aber ich bekomme nur so viel raus, wie ich reinstecke. Grundsätzlich muss ich mich ehrlich fragen: „Auf welchen vermeintlichen Ernstfall will ich mich vorbereiten? Und wie plausibel ist es, dass der eintritt?“ Dann fällt viel Folklore wie „Pistolenentwaffnung“ schon mal flach. Und wer schon zusammenzuckt, wenn jemand böse guckt, sollte nicht glauben, seine garantierte Messerabwehr aus dem 60-Minuten-Kurs oder dem Internet hielte auch nur dem Angriff eines Kindes stand.
Was macht ein*e totale*r Anfänger*in, wenn er/sie bei Euch starten möchte? Und wie überwindet er/sie die Schwellenangst, das erste Mal mit den ganzen tätowierten „Kampfmaschinen“ auf die Matte zu gehen?Einfach nen Termin fürs Probetraining ausmachen und los gehts. Im Erstgespräch klären wir Vorlieben und Ziele und geben die Empfehlung für den Einstieg. Und obwohl die Tattooquote im AUDAX bei vermutlich >90% liegt, haben wir „Maschinen“ in fast allen Gewichtsklassen und jedeR erinnert sich an den eigenen Einstieg. Keine falsche Scheu.
Macht es auch Sinn, wenn jemand schon älter ist (sagen wir Ü50), mit Kampfsport/SV zu beginnen, und wenn ja: mit welchem?Auch das hängt von den Vorlieben und jeweiligen körperlichen Voraussetzungen ab. Mit kaputten Knien wirst du vermutlich kein Thaiboxer mehr. Aber klar: Training macht immer Sinn. In dem Alter ist natürlich keine Profikarriere mehr drin, aber generell ist Ü50 heute was anderes als vor 20 Jahren. Die Leute sind agiler. Und selbst wenn du mit 55 startest, hast du beim potenziellen Renteneintritt mit 67 schon zwölf Jahre Training auf der Uhr. Um dann richtig viel Zeit für Sport zu haben und die Neulinge in der Midlife Crisis einzunorden. Also: her zu uns.
Was kostet der Spaß?Wir haben unterschiedliche Tarife, je nach Laufzeit und Anzahl der Trainingseinheiten. Guck am besten auf der Homepage, was zu Dir passt.
Möchtest du noch etwas loswerden?Es gibt keine Shortcuts und die Wundertechniken aus dem Internet sind Quatsch. Macht aber nix, denn Training macht Spaß! Und, weil‘s immer stimmt: FCKAFD.
Vielen Dank, Christian, für das spannende Interview!Das Audax im Web: https://audax.hamburg.Haut rein! 👊🏻// Raphael
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