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Selina Eckstein·28. April 2024

Wie konnte das passieren? Ein Übertrainer droht doppelt zu scheitern

Artikelbild:Wie konnte das passieren? Ein Übertrainer droht doppelt zu scheitern

"Er hat bewiesen, dass er Spieler, egal welchen Alters, weiterentwickeln und besser machen kann", bei seiner Vorstellung beim 1. FC Köln wurde der "emotionale Leader" Steffen Baumgart vom damaligen Sportchef Horst Heldt gefeiert.

Es folgten wundervolle Jahre, in denen Fußball-Deutschland dem "Typen" Baumgart zu Füßen lag. Mit Köln ging es erst nach Europa, dann gelang trotz schwerwiegender Abgänge eine sorglose Saison im Mittelfeld. Alles, was Baumgart anpackte, verwandelte sich in Gold, vermeintliche Durchschnittsspieler wurden plötzlich zu Leistungsträgern und es schien nur noch eine Frage der Zeit, bis der 52-Jährige bei einem Topklub landen würde. Vom 'Express' wurde er zwischenzeitlich sogar als möglicher Terzic-Nachfolger in Dortmund gehandelt.


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Doch daraus wurde nichts. Stattdessen stürzte er mit Köln in dieser Saison in den Keller und verantwortet den drohenden Abstieg mit. Mit dem Hamburger SV sollte es besser werden, doch auch hier klappt nicht viel und es droht ein weiteres Jahr 2. Bundesliga. Der einstige Übertrainer würde zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit scheitern. Wie konnte das passieren?

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Die Probleme beim 1. FC Köln in dieser Saison begannen mit den Namen Jonas Hector und Ellyes Skhiri. Während Hector seine Karriere beendete, wechselte Skhiri zu Eintracht Frankfurt. Es war kaum Geld da und die Neuzugänge konnten die entstandene Lücke nicht schließen.

Baumgarts einstige Erfolgstaktik, mit der er die Geißböcke 2022 in die Conference League geführt hatte, funktionierte auf einmal nicht mehr. Die Balance zwischen Offensive und Defensive war verloren gegangen. Der Coach schränkte den Klub zusätzlich in seinen Transferaktivitäten ein, sagte er doch selbst im März 2023 zum 'Geissblog', dass er nur in Ausnahmen fremdsprachige Spieler verpflichtet: "Der Grund ist der Trainer. Der spricht nur Deutsch."

Außerdem gelang es ihm auch nicht, taktisch auf die veränderten Umstände zu reagieren. Die Kritik in den Medien und sozialen Netzwerken ist eindeutig: Ihm wird Starrsinnigkeit vorgeworfen. Der 52-Jährigen habe keinen Plan B und würde immer nur mit einem System spielen. Wenn das nicht zum Erfolg und Punkten führt, fehle die Alternative.

Baumgart selbst gibt zu, dass er eine festgelegte Idee vom Fußball hat: "Wer meine Spiele beobachtet hat, wird selten erleben, dass man zu Null spielt, aber man in der Lage sein wird, sich drei oder vier Torchancen mehr zu erarbeiten", sagte er bei seinem Antritt beim HSV.

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Baumgart hielt in Köln an seiner Taktik fest, obwohl diese mit der geringeren Qualität der Spieler nicht mehr funktionierte. Zudem hatte er es in den Vorjahren verpasst, eigenen Talenten die nötigen Erfahrungen machen zu lassen.

Nachwuchsspieler wie Max Finkgräfe, Damion Downs und Justin Diehl, die zu den Profis hochgezogen wurden, erhielten kaum bis keine Einsatzzeit. Auch nicht, als schon feststand, dass die Kölner im Winter keine Transfers tätigen dürfen. Dass es richtig ist, auf diese Nachwuchsspieler zu setzen, zeigt sich nun bei Timo Schultz. Finkgräfe hat sich in der Verteidigung einen Stammplatz erspielt, Downs wurde mit seinem Treffer beim 3:3 gegen Gladbach zum Derby-Helden.

Schließlich erkannte Baumgart selbst, dass es besser ist, zu gehen. Beim Abschied aus Köln sagte er: "Der FC steht über allem. (...) Wahrscheinlich braucht es dazu dann eben doch einen neuen Impuls."

Was in Köln zum Schluss nicht mehr gelang, sollte in Hamburg klappen, um den Aufstieg zu schaffen. Doch die Euphorie nach der Verpflichtung hielt nur kurz an.

In seinen ersten neun Liga-Spielen kam Baumgart gerade mal auf 14 Punkte, was einen Schnitt von 1,55 Punkten pro Spiel machte. Das ist die schlechteste Bilanz aller bisherigen HSV-Cheftrainer (ohne Interims-Lösungen) in den sechs Zweitliga-Spielzeiten. Das gestrige 4:0 gegen Eintracht Braunschweig hob den Punkteschnitt zwar etwas an, es täuscht aber auch ein wenig über den Gesamteindruck hinweg, den der HSV seit der Übernahme von Baumgart vermittelte.

War es ein Scheitern mit Ansage? Nach drei Jahren Walter-Fußball scheint das Personal zu fehlen, das Baumgart für seine Taktik benötigt. In der Offensive setzt er auf die Flügelspieler, die mit Flanken gefährliche Bälle in den Strafraum schlagen sollen. Spieler wie Jean-Luc Dompé, Bakery Jatta, Ransford Königsdörffer und Levin Öztunali sind aber entweder außer Form oder eben keine Flankenmonster. Christoph Daum hält die Verpflichtung Baumgarts deshalb für "einen Riesenfehler", wie er '11 Freunde' sagte. Mit "Vollgas-Fußball" steige man nicht auf, "sondern indem man 30 Meter vorm eigenen Tor eine Todeszone einrichtet, in die im Idealfall kein Gegner vordringt."

Außerdem sagte er: "Den Aufstieg mit attraktivem 'Immer vorne voll drauf'-Fußball erzwingen zu wollen, grenzt an Kamikaze." Baumgart reagierte gelassen auf Daums Kritik und sagte der 'Hamburger Morgenpost': "Christoph Daum ist jemand, der einen hohen Sachverstand hat. Wenn er das so sieht, dann ist das seine Meinung, die er auch gern äußern darf."

Auf den einst gehypten "emotionalen Leader" könnte bald noch mehr Kritik einprasseln, sollte der HSV den Aufstieg verpassen, denn dann wäre der Schiebermützen-Träger innerhalb von einem halben Jahr gleich zweimal gescheitert.