"Wie Jordan zu besten Zeiten": Ein Frankfurter ist auf dem Weg zum Topstar | OneFootball

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Dominik Berger·3. Dezember 2021

"Wie Jordan zu besten Zeiten": Ein Frankfurter ist auf dem Weg zum Topstar

Artikelbild:"Wie Jordan zu besten Zeiten": Ein Frankfurter ist auf dem Weg zum Topstar

Es läuft die Nachspielzeit in Frankfurt und die Eintracht probiert es noch einmal mit einer letzten Flanke, nach der wahrscheinlich abgepfiffen wird. Filip Kostić schickt den Ball mit besten Grüßen von seinem starken linken Fuß gen Strafraum. Auf Höhe des Elfmeterpunktes schraubt sich Eintrachts Nummer zwei hoch, steht gefühlt mehrere Sekunden in der Luft und lässt den Ball perfekt von seiner Stirn ins Tor klatschen, Union-Keeper Luthe hat keine Chance bei diesem Kopfballtorpedo von Evan N’Dicka.

„Ein Luftstand wie Michael Jordan zu seinen besten Zeiten. Dann gewinnen wir 2:1“, beschreibt Oliver Glasner die Aktion im Anschluss an die Partie. Natürlich wollte der Coach seinen französischen Innenverteidiger damit nicht auf eine Stufe mit dem besten Basketballer aller Zeiten stellen. Aber hinter diesem Treffer verbirgt sich auf den zweiten Blick eine größere Geschichte, der sich als Charaktertest für den jungen Franzosen herausstellen sollte.


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Lobeshymnen und große Erwartungen ist er schon seit jungen Jahren gewohnt. Als Evan N’Dicka mit einer Empfehlung von gerade einmal 16 Profieinsätzen für den französischen Zweitligisten Auxerre im Sommer 2018 in Frankfurt vorgestellt wurde, kostete er rund sechs Millionen Euro, die damals deutlich über dem Marktwert des 18-jährigen Verteidigers liegen.

Für manche Spieler wird eine derart hohe Ablösesumme eine psychische Belastung, doch N’Dicka beweist in seiner Premierensaison, dass er nicht zu dieser Sorte Profis gehört. Die Wertschätzung, die ihm mit der gezahlten Summe entgegengebracht wird, zahlt er mit konstanten Leistungen auf seine Weise zurück.

Bis zu seinem Platzverweis gegen Lissabon ist er einer der Defensivgaranten beim rauschhaften Europaabenteuer der Eintracht, das 2019 erst im Halbfinale gegen Chelsea im Elfmeterschießen endet. Am Ende seiner ersten Saison kommt N’Dicka auf 36 Pflichtspiele. „Er ist einfach ein Spieler, der spielen muss“, fasste Ex-Coach Adi Hütter dessen Bedeutung für die Eintracht einmal bei einer Pressekonferenz zusammen.

Für den jungen Franzosen geht es bei der Eintracht steil bergauf, sein Marktwert hat sich seit seiner Ankunft auf 28 Millionen Euro vervielfacht. Nur allzu logisch, dass internationale Topklubs den konstanten Innenverteidiger schon längst auf dem Zettel haben.

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Auch Glasner sah N’Dicka bei seinem Amtsantritt als festen Bestandteil der Eintracht-Defensive: „Das Set, das er mitbringt, ist top für einen Innenverteidiger. Er hat Größe, Tempo, Zweikampfstärke und bringt für einen zentralen Defensivspieler alles mit“, sagte Neu-Coach im Sommer bei ‚Sport1‘. „Im taktischen Verhalten hat er noch Luft nach oben. Deshalb habe ich auch viel mit ihm gesprochen.“

Unter dem neuen Trainer läuft N’Dicka aber erstmals in seiner Eintracht-Zeit so richtig in eine Wand, die härter ist als ein Block von NBA-Legende Dikembe Mutombo. Bei der Eintracht will zu Saisonbeginn nichts so richtig klappen. Neuer Coach, neues System und neue Probleme namens Formtief. Die ersten sechs Spiele werden nicht gewonnen und beim Überraschungssieg in München muss N’Dicka wegen einer Bänderdehnung zuschauen.

Im nächsten Spiel ist er zurück auf dem Platz und die SGE verliert gegen Hertha BSC. Obwohl N’Dicka statistisch gesehen der beste SGE-Verteidiger war, wird er nach der Partie von Glasner öffentlich angezählt. Beide Gegentore gingen auf die Kappe des Franzosen, der in den entscheidenden Situationen gar nicht erst in den Zweikampf kommt und dessen ausgelassenes Eingreifen daher von keiner Statistik erfasst wird.

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Sein Trainer hatte es aber sehr wohl gesehen: „Wir nehmen den Laufweg hinten einfach nicht auf. Es war eine ähnliche Situation gegen Köln kurz vor der Halbzeit, als Sebastian Andersson vorbeirutscht und Evan auch diesen Laufweg nicht mitmacht, und hier wieder nicht. Dann steht es 0:2 und dann war es eigentlich fast vorbei“. Im nächsten Spiel, das beim VfL Bochum ebenfalls verloren geht, schmort N’Dicka 90 Minuten auf der Bank.

Es sind diese Momente, in denen sich zeigt, ob ein junger Spieler das Zeug für ganz oben hat. Hat er die Charakterstärke, um ein Topstar zu werden? Fast jedes große Talent durchläuft irgendwann eine Talsohle und hat dann zwei Möglichkeiten: Sich durchbeißen und aus dem Formtief herausarbeiten oder aber den Kopf hängen und sich von den Rückschlägen verunsichern zu lassen.

Der französische U-Nationalspieler reagiert genau richtig, stellt sich kurz hinten an und antwortet dann auf seine Weise auf dem Platz. Von nun an bleiben die Frankfurter ungeschlagen, spielen Unentschieden gegen Leipzig und gewinnen die nächsten drei Spiele in Serie.

Er lässt sich auch während der Spiele von Rückschlägen nicht beeindrucken. Gegen Union Berlin verschuldet ausgerechnet er den Elfmeter, den die Gäste zum zwischenzeitlichen Ausgleich nutzen können. Frei nach Michael Jordans Motto aus „The Last Dance“ schien N’Dicka sich aber nur zu denken: „… and I took that personally.“ Also rennt er voller Überzeugung in dieser fünften Minute der Nachspielzeit noch einmal in den Strafraum der Gäste aus Köpenick und sieht Filip Kostić eine Flanke schlagen. Der Rest ist bekannt und das einstige Formtief vergessen.