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·25. September 2020
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Spotlight | Ein guter Antritt, schnelle Haken und jede Menge Spielfreude. So könnte man Stürmer Alexandre Pato in seinen besten Zeiten zusammenfassen. Doch diese Zeiten sind nicht nur lange vorbei, sie hielten nicht einmal lange an.
Es war der erste Spieltag in der Gruppenphase der Champions League in der Saison 2011/12. Der FC Barcelona, das damals beste Team der Welt, empfing mit Trainer Pep Guardiola an der Seitenlinie die AC Milan. In der Startelf der Gäste stand Alexandre Pato, ein talentierter Stürmer, der mit seinem Antritt und seiner Zielstrebigkeit als eine Waffe für dieses Spiel angesehen wurde. Es dauerte nur knapp 24 Sekunden, bis Pato das Camp Nou zum Staunen brachte.
Anstoß Milan. Das Spiel wurde ruhig aufgebaut, Torhüter Christian Abbiati spielte den Ball nach vorne. Ein Zweikampf im Mittelfeld, Pato kommt an die Kugel. Und der Brasilianer dreht sich blitzschnell, legt sich den Ball los und sprintet an der völlig verdutzten Barça-Abwehr vorbei. Das Duell mit Torhüter Victor Valdes entscheidet der Stürmer ebenfalls für sich – und schiebt ein. 0:1. Ein Schock für den FC Barcelona, eine Ansage von Alexandre Pato.
Im Sommer 2007 wechselte Pato kurz vor seinem 18. Geburtstag von Internacional Porto Alegre nach Mailand. Schon früh zeigte sich, dass dieser Spieler über ein außergewöhnliches Talent verfügt. Auch wenn der Brasilianer zunächst an das Niveau in der Serie A herangeführt werden musste: In Sachen Technik, Spielwitz und Kreativität konnte er sofort Akzente setzen. In seiner ersten Saison erzielte er neun Tore in 20 Pflichtspielen und debütierte als 18-Jähriger in der UEFA Champions League.
2008/09 folgten 18 Tore und sechs Vorlagen in 42 Pflichtspielen. Pato reifte bei den Rossoneri nach und nach zum Star, viele Experten trauten ihm eine herausragende Karriere zu. Die 24 Millionen Euro, die Milan seinerzeit für den Teenager hinblätterte, schienen ein Schnäppchen zu sein. Pato spielte auch in der Folge eine gute Rolle, erzielte 2009/10 14 Saisontore, ein Jahr später waren es 18. Was fehlte, war der letzte Schritt, der ihn von einem guten zu einem außergewöhnlichen Stürmer macht.
Das angesprochene Tor im Camp Nou am ersten Spieltag der neuen Saison wäre eine optimale Initialzündung gewesen. Pato, mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet, hätte nach diesem herausragenden Tor komplett durchstarten können. Doch wie so oft im Fußball kam alles anders. Statt dieses Meisterstück in positive Energie umwandeln zu können, folgte für den Brasilianer eine Saison zum Vergessen. Mehrere Verletzungen sorgten dafür, dass Pato 2011/12 nur knapp 900 Minuten auf dem Feld stand. Vier magere Tore – so lautete die Ausbeute.
Statt dem Schritt in die absolute Weltklasse folgte Ernüchterung. Pato, der sich am Scheideweg befand, hatte immer häufiger mit Verletzungen zu kämpfen. Und wenn er spielte, dann zumeist unkonstant. Das hatte zur Folge, dass man bei Milan nicht mehr mit dem Brasilianer als Stammspieler plante. Schweren Herzens verließ der junge Alexandre Pato Milan im Januar 2013. Das Ziel überraschte durchaus, denn statt einem neuen Versuch in Europa wechselte der Brasilianer zu den Corinthians in seine brasilianische Heimat.
Damit aus einer vielversprechenden auch eine sehr gute Karriere wird, benötigt man als Spieler natürlich ein wenig Glück. Glück mit Verletzungen, Glück mit Entscheidungen, die man im Verlauf einer Karriere trifft. Harte Arbeit ist ebenfalls relevant, aber zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein gehört einfach genauso dazu. Der Wechsel von Pato nach Brasilien, menschlich aufgrund der Rückkehr in seine Heimat und der Nähe zur Familie gewissermaßen logisch, war aber aus sportlicher Sicht zumindest auf den ersten Blick zu hinterfragen.
Zehn Tore erzielte der Stürmer in der brasilianischen Liga, zwei in der Copa Libertadores. Das Problem: In Europa spricht man kaum über diese Wettbewerbe. Der Traum von der großen Karriere in Europa, vom Triumph in der Champions League blieb – der Fokus lag aber nicht mehr auf Pato. Das hatte auch mit den Leistungen zu tun, denn nach nur einem Jahr folgte eine Leihe zum FC Sao Paulo. Neun Tore erzielte er dort in 29 Ligaspielen. Das war sehr ordentlich, aber eben nicht mehr.
Die Leihe nach Sao Paulo wurde nach einer weiteren Saison beendet, eine neue Leihe folgte. Und plötzlich war Alexandre Pato zurück im Konzert der Großen in Europa, beim FC Chelsea. Für genau zwei Spiele. Mehr durfte der Brasilianer bei den Blues nicht absolvieren. Nach nur einem halben Jahr endete auch diese Leihe. Und nun? Diese Frage stellte sich Pato im Sommer 2016 sicher das ein oder andere Mal.
Eines wird beim Blick auf diese Phase in der Karriere des Alexandre Pato deutlich: Zur richtigen Zeit am richtigen Ort war der Brasilianer selten. Noch immer schwärmten Experten von seiner Ballbehandlung, seinem Instinkt. Doch zu selten durfte er seine Qualitäten unter Beweis stellen. Die vielen Vereinswechsel verunsicherten den Spieler zudem. Für drei Millionen Euro wechselte der Stürmer 2016 dann zum FC Villarreal nach Spanien. Auch hier blieb er nur ein halbes Jahr, dann lockte das große Geld in der Chinese Super League. Der nächste Wechsel, der für Stirnrunzeln sorgte, folgte.
Gerade Pato, der genau wissen sollte, dass Kontinuität wichtig ist, entschied sich für einen schnellen Wechsel. Und das, obwohl er in La Liga mit fünf Torbeteiligungen in 14 Spielen einen soliden Start erwischte. Immerhin dauerte sein Engagement in Tianjin gut zwei Jahre. Zwei Jahre, in denen er 30 Tore in der Chinese Super League erzielte. Im Anschluss an diese Zeit wechselte Pato erneut zurück nach Brasilien. Gerüchte um eine Rückkehr zu Milan tauchten punktuell auf, aber zu einem erneuten Engagement bei den Rossoneri kam es nicht.
Seit Mitte August, knapp eineinhalb Jahre nach dem Beginn seines zweiten Engagements beim FC Sao Paulo, ist der Brasilianer vereinslos. Mittlerweile ist der Offensivspieler 31 Jahre alt. Wie es für ihn weitergeht, ist nicht klar. Gerüchte gibt es zum aktuellen Zeitpunkt kaum. Klar ist nur, dass die Karriere des Alexandre Pato anders hätte verlaufen können. Zum Beispiel dann, wenn er einmal häufiger zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen wäre.
Photo: Imago