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Dominik Berger·7. Juni 2020
🔮 Was wäre eigentlich, wenn Gerrard 2014 nicht ausgerutscht wäre?

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Dominik Berger·7. Juni 2020
Bei den Reds begegnet Jürgen Klopp nichts als Liebe, doch 2014 wäre beinahe alles anders gekommen. Wenn, ja wenn Steven Gerrard nur nicht ausgerutscht wäre.
Die Premier League soll noch im Juni wieder ihren Spielbetrieb aufnehmen, das steht mittlerweile fest. Der FC Liverpool schickt sich an, endlich den ersehnten Ligatitel in die Stadt zu holen, auf den der Klub seit 30 Jahren wartet. Jürgen Klopp bekommt mit Sicherheit seine eigene Statue vor dem Stadion. Immerhin ist er der Trainer, der aus dem schlafenden Riesen einen europäischen Big Player machte und nach der Champions League auch die Meisterschaft gewinnen wird.
Der Liverpool FC war in der jüngeren Vergangenheit schon einmal kurz davor, im Titelrennen die Nase ganz vorn zu haben. Bis zum 27. April 2014. Liverpool traf zuhause auf den FC Chelsea und hätte für die Meisterschaft eigentlich nur ein Unentschieden gebraucht, verlor aber mit 0:2. Auslöser vor dem ersten Tor war das Wegrutschen von Liverpools Kapitän Steven Gerrard, der Chelseas Demba Ba anschließend nicht mehr einholen konnte.
Doch was wäre gewesen, wenn Gerrard in diesem Spiel eben nicht ausgerutscht wäre?
Spulen wir die Zeit etwas zurück und beginnen in der Spielminute 45 zwischen Liverpool und Chelsea. Steven Gerrard bekommt auf Höhe der Mittellinie den Ball zugespielt, passt ihn weiter und mit einem torlosen Unentschieden gehen die Mannschaften in die Kabine. Die Mannschaft von José Mourinho mauert weiter, spielt auf Zeit und fängt sich kurz vor Schluss doch noch einen Treffer. Stevie G hatte einen seiner gefürchteten Distanzschüsse ausgepackt und sich kurzerhand zum Stadtheiligen von Liverpool aufgeschwungen.
Die Reds unter ihrem immer als etwas nerdig geltenden Trainer Brendan Rodgers mussten nun nur noch die beiden letzten Partien gewinnen, um Manchester City auf Distanz zu halten. Auf der Euphoriewelle des späten Sieges surfend, holt Liverpool die nötigen Punkte und damit auch die erste Meisterschaft seit einem Vierteljahrhundert. Die Stadt explodiert in einem roten Freudentaumel. Rodgers wird von den Fans kurzerhand in „The Even More Special One“ umgetauft und Gerrard löst wo auch immer er auftaucht, mehr Schnappatmung und Ohnmachtsanfälle aus als die Beatles zu ihren besten Zeiten.
Zur neuen Saison, so ist man sich aber sicher in Liverpool, kann man den Erfolg der letzten Saison wiederholen. Die Last des langen Wartens auf den Titel ist weg und Luis Suárez entscheidet sich überraschend, doch noch länger beim LFC zu bleiben. Ein Jahr zuvor wollte der Uruguayer eigentlich schon beim FC Arsenal anheuern, um endlich international zu spielen, nach der Meisterschaft gibt er dann sogar dem FC Barcelona einen Korb.
Die Katalanen verpflichten daraufhin lieber Mario Balotelli vom AC Mailand, was sich langfristig noch als großer Fehler herausstellen sollte. Die größte News in diesem Sommer kommt aber aus der anderen Ecke von Manchester. Angestachelt vom Erfolg des Erzrivalen schafft es United, Borussia Dortmund den Trainer abzuluchsen. Jürgen Klopp soll im Old Trafford eine neue Ära à la Ferguson einleiten.
Während man in Liverpool im Bereich der Transfers eher kleine Brötchen backt, schließlich hat das bisherige Team Historisches geleistet, darf Jürgen Klopp in Manchester auf große Einkaufstour gehen, ein Gefühl, dass der ehemalige Dortmunder Coach so nicht gewohnt ist. Nachdem er mit dem neuen Torwarttrainer Dimo Wache und dem neuen Sturmtrainer Michael Thurk den Markt sondiert hat, folgen einige klopp’sche Transfers.
Für die neue Saison kommen mit Roman Weidenfeller, Mats Hummels, Jakub Błaszczykowski, Manuel Friedrich und Roberto Firmino einige bekannte Gesichter aus der Bundesliga nach Manchester. Da die fünf Spieler insgesamt nur 50 Millionen Euro gekostet haben, rechnet United das noch unter Spesen ab und fordert vom Trainer, ein paar große Namen zu holen. Klopp argumentiert, lieber entwicklungsfähige Spieler verpflichten zu wollen, die sein Pressing-System umsetzen können. Ed Woodward nickt zustimmend.
In den kommenden Wochen fällt Klopp bei der morgendlichen Zeitungslektüre regelmäßig das Gebiss ins Rührei. Edinson Cavani für 100 Millionen Euro, Ángel di María für 75 Millionen Euro und Paul Pogba für weitere 100 Millionen stehen plötzlich in seinem Kader. Liverpool hingegen bleibt sparsam, man möchte einen Schritt nach dem anderen machen und verpflichtet daher für den Platz hinter Luis Suárez, Divock Origi von Lille, außerdem wechselt auch Emre Can an die Merseyside. Gerüchte, die Liverpool etwa mit Spielern wie Rickie Lambert von Southampton in Verbindung bringen, stellen sich später als lächerliche Zeitungsente heraus.
Steven Gerrard, der sich mit einem Wechsel in die MLS anfreundet, möchte in seiner letzten Saison nochmal nach den Sternen greifen und sich mit dem Triple verabschieden. Der Kapitän kann befreit aufspielen, genau wie seine Mannschaftskollegen. So stehen sie über die Feiertage dann auch auf einem Champions League-Platz und im Achtelfinale der Königsklasse.
Eben auch, weil Divock Origi sich unter Suárez Fittiche zu einer echten Alternative entwickelt. Oft beobachtet man die beiden, wie sie nach Trainingsende mit ein paar Jugendspielern Eckballvarianten trainieren. Eine wird dabei schnell flach auf den ersten Pfosten ausgeführt, ohne dass die gegnerische Mannschaft realisiert hat, dass der Ball bereits wieder im Spiel ist. Die beiden Stürmer versprechen sich in den K.o.-Spielen davon einen Überraschungserfolg.
Bei Manchester United hängt hingegen der Haussegen schief, Klopps Starensemble steht nur auf Platz acht. Cavani, di María und vor allem Pogba stänkern öffentlich, dass eine Mannschaft wie United mehr Ballbesitz haben müsse. Ständiges Anlaufen sei etwas für Abstiegskandidaten. Das Charisma des Erfolgstrainers garantiert ihm aber eine Beschäftigung mindestens bis Saisonende. Klopp will im Winter einen neuen Stürmer. Der junge Spurs-Angreifer Harry Kane soll unbedingt kommen, drängt er den Klub. Mit einem Marktwert von 15 Millionen Euro ist er günstig zu haben.
Nach neuen zähen Verhandlungen, die einen beträchtlichen Teil des Budgets verschlingen, gelingt United in den letzten Stunden des Fensters stattdessen ein anderer Coup: Ed Woodward holt Falcao, der gerade von einem Kreuzbandriss genesen ist.
In der Champions League scheitert Liverpool erst im Finale an Juventus und einem bärenstarken Gianluigi Buffon. Im Halbfinale gegen den FC Barcelona gelingt der Eckentrick, den Origi zusammen mit Jugendspieler Trent Alexander-Arnold eintrainierte. Alexander-Arnold bekommt ein Versprechen auf einen Profivertrag und einen eigenen YouTube-Kanal, indem er weitere Tricks verrät.
Für die Entscheidung des Duells sorgt allerdings Balotelli. Der Italiener fliegt im Rückspiel kurz nach der Halbzeit mit Gelb-Rot vom Platz. Barça-Coach Luis Enrique danach konsterniert: „Ich habe in der Halbzeit nicht mal eine Ansprache gehalten, sondern 15 Minuten lang nur auf Balotelli eingeredet, dass er vorsichtig sein soll.“ Geholfen hat es nicht.
Da sich die Reds international in einen Rausch spielen, tritt man auch in der heimischen Premier League noch wesentlich selbstbewusster auf, als in der Hinrunde.
Wenn der Kapitän von Bord geht, möchte man neben einer Statue auch nochmal den Meistertitel nach Liverpool holen. Am 36. Spieltag kommt es wieder zum Duell zweier Meisterschaftsaspiranten, Liverpool muss gegen City antreten und das auch noch auswärts. Das Spiel verläuft schleppend, Citys Abwehr lässt kaum etwas zu. Durch eine längere Verletzungsunterbrechung, Citys Kapitän Kompany hat minütlich Wehwehchen an allen möglichen Stellen, kommt es am Ende der zweiten Halbzeit zu einer Nachspielzeit von zehn Minuten.
Philippe Coutinho entscheidet das Spiel in der 99. Minute für die Reds. Kommentator Martin Tyler bekommt für seine Reportage und dem Ruf „CoutinhoooooOOOOOOOOOO!“ den englischen Reporterpreis für die spannendste Fußballübertragung der letzten Jahre. Liverpool schafft durch den Sieg den Sprung auf Platz eins und Steven Gerrard beginnt als zweifacher englischer Meister sein Amerika-Abenteuer in Los Angeles. Jürgen Klopp wird zwei Spieltage vor Schluss bei United doch noch gefeuert.
Dieses Format soll dich in regelmäßigen Abständen in ein Paralleluniversum der Fußballwelt entführen. Du darfst dich also auf weitere Teile einer Serie von unterhaltsamen, lustigen oder sogar absurden Texten freuen.