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Löwenmagazin

·11. Mai 2022

Was fehlt den Löwen für die kommende Saison?

Artikelbild:Was fehlt den Löwen für die kommende Saison?

In ein paar Tagen ist die Saison beendet. Nach dem Spiel gegen Borussia Dortmund II werden die Löwen nach vorne schauen müssen. Meine Hoffnung: sie fangen frühzeitig mit der Saisonvorbereitung an. Ich persönlich bin der Meinung, dass wir heuer eine fußballerisch gute Mannschaft mit vielen interessanten Spielideen gesehen haben. Was mir persönlich fehlten waren die sportmotorischen Fähigkeiten. Die Löwen sollten jetzt an ihrer Athletik feilen. Ein Kommentar.

Quo vadis TSV 1860? Nach der Saison ist vor der Saison. Sind es nun tatsächlich nur “Nuancen”, die geändert werden müssen, oder bedarf es einer grundlegenden Veränderung? Oder benötigt es am Ende einfach nur mehr Glück in der kommenden Saison? Letzteres muss man so oder so als Trainer aus seinem Denken streichen. Wie sagte Arthur aus der Comedy-Serie “King of Queens” einst? Das Glück ist eine Hure. Verlassen kann man sich auf das Glück also nicht. Demzufolge bleibt eine grundlegende Änderung, oder eben das Drehen an Stellschrauben, oder in einigen Bereichen vielleicht auch nur eine Feinjustierung.


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Der TSV 1860 München möchte mit Michael Köllner weitermachen. Den großen Rundumschlag gibt es also schon mal nicht. Und das ist auch gut so. Denn in so vielen Bereichen passt es, was die Löwen machen. Doch es gibt Baustellen, an denen die Löwen arbeiten sollten. Dabei geht es, meiner Meinung nach, im Wesentlichen um die sportmotorischen Kompetenzen.

Bei der Talenteentwicklung und späteren Aufbautraining ist es von maßgeblicher Bedeutung, dass die technischen Kompetenzen und die sportmotorischen Kompetenzen im Einklang stehen. Ein Fußballer mit enormer technischer Qualität wird immer an einem Punkt hängenbleiben, wenn er sportmotorisch nicht die Voraussetzungen geschaffen hat. Du kannst also technisch absolut genial auf dem Platz sein, du wirst es irgendwann nicht mehr umsetzen können.

Nicht “the sky is the limit” sondern deine Athletik.

Sportmotorische Kompetenzen

Was sind sportmotorische Kompetenzen? Sie umfassen Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Koordination und Beweglichkeit.

Fußball ohne Fitness geht nicht

Koordination

Die Koordination ist immens wichtig. Bewegungen mit hoher Qualität auszuführen ist von wesentlicher Bedeutung um die taktisch vorgegebene Zielerreichung umsetzen zu können. Fordern kann man verschiedene taktische Züge nur dann, wenn sie koordinativ umsetzbar sind.

Koordination erlangt man durch Bewegungserfahrung. Als jemand, der aus einer athletischen Sportart kommt, frage ich mich häufig, wie es möglich ist, in einem Training von 2 Stunden auch nur annähernd soviel Bewegungserfahrungen zu sammeln, wie notwendig. Es geht dabei nicht darum, dass man “einfach” Freistöße übt. Sondern vielmehr darum, dass Schüsse ins Fleisch und Blut übergehen. Oder anders gesagt: Sportmotorische Aufgaben können unter Führung des Großhirns nur dann optimal ausgeführt werden, wenn im Kleinhirn diverse Bewegungsprogramme bereits als Fertigkeiten abgespeichert und abrufbar sind.

Ein Fußballer muss in unterschiedlichen Situationen auch unterschiedlich reagieren. Sind im Speicher des Kleinhirn entsprechende Muster durch Bewegungserfahrung abgespeichert, dann hat das Großhirn die Möglichkeit situationsbedingte taktische Entscheidungen zu treffen. Das ist von immenser Bedeutung.

Bei den Löwen sehe zumindest ich bei verschiedenen Bewegungsausführungen, dass sie zu langsam oder zu schnell und damit zu unkoordiniert ausgeführt werden. Das führt zu Fehlpässen oder allgemein zu Fehlentscheidungen bei Schüssen. Korrigiert mich, wenn ich hierbei falsch liege.

Findet der Fußballer den richtigen Rhythmus? Hat er eine hohe Reaktionsfähigkeit? Kann er verschiedene Bewegungsabläufe richtig miteinander koppeln oder sie differenzieren? Viele Fragen, die man mit einem gezielten Koordinationstraining durchaus beantworten kann. Mit Ball aber auch ohne Ball. Auch das spielt bei der Bewegungsausführung als koordinative Fähigkeit eine Rolle.

Kondition

Die Saisonvorbereitung ist wesentlicher Bestandteil der gesamten Spielzeit. Ja, sie ist vielleicht die wichtigste Phase. Denn wer hier versäumt, die Grundlagen zu legen, wird sie nicht aufholen können. In Sportarten wie im Fußball macht sich das gegebenenfalls erst im Laufe der Saison bemerkbar. Man mag es mir verzeihen, aber ich halte Fußball für eine Sportart, bei denen man den Mangel an Grundlagen lange verstecken kann. Sei es durch ein etwas langsameres Spieltempo, sei es durch frühzeitige Auswechslung oder eben direkt auf der Bank. Oder eben einfach durch Erfolge, weil es gerade läuft. Ein 100 Meter Läufer wird bereits am Saisonbeginn merken, wenn er zu wenig Sprintkraft entwickelt hat. Und im Endeffekt ist die Saison dann schon zu Ende. Er weiß, dass er es nur schwer aufholen kann. Genauso gilt es für einen Schwimmer oder einen Turner. Wer die Grundlagen nicht dann gelegt hat, als Zeit dafür war, wird sie nur schwer reinholen können. Wenn dein Herz nicht entsprechend im Grundlagentraining trainiert ist, dann läufst du die 400 Meter in guten 50 Sekunden, nicht aber drunter. So sehr du auch deine Beinmuskulatur schneller machst.

Kann ich über 90 Minuten das Tempo hoch halten? Diese Frage stellt sich mir nicht, wenn ich die Grundlagen hierfür gelegt habe – also die Grundlagenausdauer. Im Fußball scheint es einfach, dass man die Schuld an einer deutlich schlechteren Leistung in der 2. Halbzeit in einer rasanten 1. Halbzeit sieht. Doch das ist oftmals eine Verschiebung der Realität. Nicht immer ist die vorgegebene Taktik Schuld. Manchmal fehlt es einfach an der Grundlagenausdauer. Und die ist trainierbar. Am Besten bereits frühzeitig nach der vergangenen Saison damit anfangen. Weil: aufholen kann man nur sehr wenig während der Saison.

Das Problem? Gerade beim TSV 1860 München ist man lange Zeit damit beschäftigt, überhaupt einen Kader zusammen zustellen. Aber das ist vielleicht heuer anders.

Auch Reaktionsschnelligkeit, die Beschleunigung und die Bewegungsschnelligkeit sind elementar für einen Fußballer. Ob beim TSV 1860 München diese Fähigkeiten gezielt trainiert werden bzw. richtig trainiert werden, kann ich als Außenstehender nur schwer beurteilen. Aber mir kommen die Spieler des TSV 1860 manchmal zu langsam vor. Vor allem beim Antritt. Schnell sind vor allem Jugendspieler. Vielleicht, weil sie im Jugendtraining da noch mehr Akzente setzen. Ein direkter Vergleich der Werte wäre hier mal mit anderen Drittligisten sehr interessant. Derartige Statistiken liegen mir allerdings nicht vor.

Beim Krafttraining würde ich zuerst auf Kraftausdauer setzen, dann auf Hypertrophie (Muskelquerschnittvergrößerung) und dann Schnellkraft. Einem Tim Linsbichler hätte man so sicherlich deutlich mehr Masse mitgeben können. Mit Bewegungserfahrung kombiniert, sogar effektive Masse.

Muskuläre Dysbalancen

Aus meiner persönlichen Sicht gibt es einige muskuläre Dysbalancen bei den Spielern des TSV 1860. Interessant ist dabei, dass in der Presse häufig von einer fehlenden Körpersprache gesprochen wird. Natürlich kann die Körpersprache auch ohne Dysbalancen sich ins Negative verändern. Aber in der Regel ist eine ausgeglichene ausbalancierte Muskulatur der Garant für eine gute Körpersprache. Was ist unter Dysbalance zu verstehen? Ein Ungleichgewicht der Muskulatur durch eine veränderte Länge, Kraft oder Spannung zweier Muskeln. Es gibt diverse Tests um Dysbalancen zu erkennen und entsprechende Übungen um diese auszugleichen. Das muss individuell geschehen. Ist ein Muskel verkürzt, dann muss er gezielt gedehnt werden, ist ein Muskel geschwächt, dann muss er entsprechend kräftiger werden. Bei Spielern des TSV 1860 ist oftmals der Hüftstrecker verkürzt. Aber häufig ist auch der Brustmuskel zu kräftig, während der Rückenmuskel zu schwach ist. Das wirkt wenig dominant, da die Schultern nach vorne fallen.

Ernährung

Sich öfters mal ein Weißbier am Abend gönnen? Sascha Mölders trank als Löwe gerne Weißbier und machte aus seinem Bierbauch einen Wampen-Kult. Das funktionierte deshalb, weil er dabei auch Tore schoss. Ein gutes Vorbild war der damalige Kapitän allerdings weder für Fans, noch für Mitspieler. Ob das gut ist? Mag sein, dass sich der eine oder andere Fan damit vielleicht ein Stück weit identifizieren kann. Solange die Leistung stimmt. Aber seien wir mal ehrlich. Regelmäßiger Alkoholkonsum hat im Leistungssport nichts verloren. Alkohol wirkt sich bereits nach dem ersten Bier negativ auf die Proteinsynthese aus und verringert die Ausschüttung von Testosteron. Zwei wesentliche Elemente, die für den Muskelaufbau wichtig sind. Alkohol erhöht zudem die Cortisolausschüttung. Das wirkt katabol und damit muskelabbauend. Kraftausdauer oder Schnellkraft trainieren und sich danach ein Weißbier gönnen? Keine gute Idee. Die Ernährung ist das A und O. Und dazu gehört natürlich nicht nur die Thematik Alkohol. Auf Vorbilder, die sich Alkohol auf das Banner zeichnen, sollte man zukünftig verzichten. Aber auch sonst bedarf es eine sinnvolle Nutzung der Ernährung.

Wesentliche Grundlagen kann übrigens vor allem auch das Nachwuchsleistungszentrum legen. Denn gerade in jungen Jahren können zum Beispiel spielerisch sehr viele Bewegungserfahrungen gesammelt werden.

Titelbild: IMAGO / Ulrich Wagner

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