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·20. November 2022

Was die Weltmeisterschaft dem FC St. Pauli bringt

Artikelbild:Was die Weltmeisterschaft dem FC St. Pauli bringt

Mit Jackson Irvine nimmt ein Spieler des FC St. Pauli an der umstrittenen Weltmeisterschaft in Katar teil. Dafür wird der FCSP Geld von der FIFA erhalten.(Titelbild: Peter Böhmer)

Auf ganzer Ebene inakzeptabel

Ja, die Weltmeisterschaft in Katar hat Kritik verdient (lest dieses Interview). Ja, die Boykott-Aufrufe sind zu unterstützen. Die Vergabe nach und die Menschenrechtsverletzungen in Katar sind auf ganzer Linie inakzeptabel. Stattfinden wird die WM trotzdem. Der Umgang damit hier beim MillernTon ist bisher von Ignoranz und Hinweisen auf diesen Link geprägt. Dabei soll es auch größtmöglich bleiben (hier ein Boykott-Aufruf von 50 internationalen FCSP-Fanclubs). An einigen Stellen werden wir aber um eine Berichterstattung nicht herum kommen, da die Themen direkt den FC St. Pauli betreffen.


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Wer nimmt teil, wer nicht?

Jackson Irvine wurde vom australischen Verband nominiert und wird mit Australien auf Frankreich, Tunesien und Dänemark treffen. Aus sportlicher Sicht ist das ein großer persönlicher Erfolg für ihn. Und er macht auch abseits des Sports das Bestmögliche, wenn man schon an so einem Turnier teilnimmt: Er macht den Mund auf und spricht Probleme ganz klar an, wie dieses Beispiel zeigt (Twitter):

Etwas überraschend hat es Connor Metcalfe nicht in den Kader der Australier geschafft. Der seit kurzem 23-jährige war bereits längere Zeit regelmäßiger Bestandteil des Nationalteams und hat, wie wir auf St. Pauli live miterleben konnten, eine sehr gute Entwicklung im letzten halben Jahr genommen. Entsprechend groß war die Enttäuschung bei Metcalfe persönlich. Hoffen wir mal, dass er diese in Leistung auf dem Platz umwandeln kann.

Ein ehemaliger FCSP-Kicker dabei

Aus dem Kader des FC St. Pauli waren weitere WM-Nominierungen nicht erwartet worden, auch wenn der ein oder andere sicher damit liebäugelte. Einige ehemalige FCSP-Spieler aus jüngster Vergangenheit durften sich da schon mehr Hoffnungen machen: James Lawrence (Wales), Daniel-Kofi Kyereh (Ghana), Ryō Miyaichi (Japan), Leon Flach (USA) und Rodrigo Zalazar (Uruguay).

Einzig Daniel-Kofi Kyereh wurde nun für die WM nominiert, was aufgrund seiner bereits regelmäßigen Einladungen zum ghanaischen Nationalteam und dem persönlichen Aufstieg nicht mehr verwunderlich gewesen ist. James Lawrence wurde zuletzt im Herbst 2021 in den walisischen Kader berufen. Wir wissen durch ein persönliches Gespräch mit ihm, wie sehr er sich eine Teilnahme gewünscht, aber eben auch, dass er das alles schon realistisch eingeschätzt hat. Er hat es nicht in den Kader geschafft und sich ohnehin im letzten Spiel vor der WM schwer am Knie verletzt.

Auch Leon Flach wird nicht bei der Weltmeisterschaft in Katar dabei sein. Dabei konnte er sich durchaus Hoffnungen machen. Zwar wurde er noch nie für den Kader der USA berufen, aber seine Leistungen in der MLS sind seit seinem Wechsel auf konstant hohem Niveau gewesen.Zwei ehemalige FCSP-Spieler haben es aufgrund von Verletzungen nicht in die Kader ihrer Nationalteams geschafft: Rodrigo Zalazar wurde zwar im September erstmals in den Kader von Uruguay berufen, brach sich aber kurze Zeit später den Mittelfuß und wird noch einige Zeit ausfallen. Unfassbar bitter ist die Geschichte von Ryō Miyaichi, der sich Stück für Stück wieder auf sein altes Level zurückgekämpft hatte und im Sommer erstmals wieder in das Nationalteam berufen wurde. Doch es folgte ein Kreuzbandriss, der vierte in seiner Karriere.

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Daniel-Kofi Kyereh wird für Ghana an der WM teilnehmen. (c) Peter Böhmer

Was hat der FC St. Pauli davon?

Warum ich hier so genau ausführe, welche ehemaligen FCSP-Spieler es nicht geschafft haben? Weil es auch beim FC St. Pauli Personen gegeben haben könnte, die auf eine Teilnahme dieser Spieler gehofft haben. Und das womöglich nicht nur aus persönlichen Gründen, welche bei allen fünf aufgelisteten Spielern in jedem Fall auch eine Rolle gespielt haben dürfte. Nein, auch aus finanzieller Sicht.

Denn das Beispiel von Aziz Bouhaddouz, der 2018 für Marokko an der WM teilnahm (und im Spiel gegen Iran in der 95. Minute per Eigentor das 0:1 besorgte), zeigte, dass es besonders für Zweitligisten lukrativ ist, WM-Fahrer im Kader zu haben. Laut diesem Artikel soll der FCSP rund 200.000,- € von der FIFA für die Teilnahme von Bouhaddouz bekommen haben (eine genaue Zahl wollte uns der FCSP nicht bestätigen).

Die Ausschüttung der FIFA für die Abstellung von WM-Fahrern lag für die Weltmeisterschaft 2018 bei knapp 7.500,-€ pro Tag. Für die WM 2022 ist sie höher: Etwa 10.300,-€ pro Tag bekommen die Clubs für die Abstellung der Spieler. Jackson Irvine ist seit dem 13.11. abgestellt. Er übernachtete nach dem Spiel in Karlsruhe vor Ort und flog tags darauf direkt los. Das letzte Gruppenspiel der Australier ist am 30.11. – sollte Australien dann ausscheiden, dürfte für Irvines Teilnahme eine Summe von fast 200.000,- € ausgeschüttet werden.

FIFA-Ausschüttung für Irvine-Teilnahme

Dass sich die Summen von Irvine und Bouhaddouz kaum unterscheiden ist etwas verwunderlich, da sich die Tagessätze im Vergleich zur letzten WM deutlich erhöhten. Ursächlich dafür ist die extrem kurze Vorbereitung und der Spielplan. Für 2018 galt der Tagessatz ab zwei Wochen vor dem ersten Gruppenspiel. Irvine fehlen da bereits fünf Tage, da die Vorbereitung später startete. Zudem dauerte die Gruppenphase bei der WM 2018 insgesamt 15 Tage, 2022 sind es nur elf. Doch sollte Australien die Gruppenphase überstehen, dann erhöht sich die Summe natürlich noch.

Klar ist: Hätte auch Connor Metcalfe in Australiens Kader gestanden, dann würde der FC St. Pauli mehr Geld von der FIFA bekommen. Doch das ist auch ohne Metcalfes Teilnahme zumindest denkbar. Denn nicht nur die Clubs, bei denen WM-Fahrer aktuell spielen, werden an der Ausschüttung beteiligt. Vielmehr werden alle Clubs beteiligt, bei denen die Spieler innerhalb der letzten zwei Jahre spielten. So wird auch klar, warum ich Miyaichi, Flach, Kyereh, Lawrence und Zalazar erwähnt habe.

Auch Geld für Kyereh?

Da Daniel-Kofi Kyereh den Löwen-Anteil der letzten zwei Jahre beim FC St. Pauli gespielt hat, könnte das bedeuten, dass der Verein auch mit der Teilnahme Kyerehs Geld einnimmt. Auf Anfrage wird vom FC St. Pauli aber darauf verwiesen, dass „bei Spielern, die zu anderen Vereinen gewechselt sind, in den Vertragsdetails Beteiligungen festgelegt werden können“. Das bedeutet, dass letztlich alle möglichen Vereinbarungen getroffen werden können. Zum Beispiel könnte der FCSP auf die Gelder verzichten, da das Risiko der Teilnahme in Bezug auf Fitness und Gesundheit beim aktuellen Club der Spieler liegt. Wäre dieses Vorgehen üblich, dann würde der FCSP die volle FIFA-Ausschüttung für die Teilahme von Jackson Irvine erhalten, der ja erst seit Sommer 2021 am Millerntor ist.

Von einer „niedrigen bis mittleren sechsstelligen Summe“, die es für den FC St. Pauli für die Teilnahme von Jackson Irvine gibt, spricht FCSP-Präsident Oke Göttlich (In der empfehlenswerten Doku „Das Millardenspiel – die verkaufte WM“). Gelder für die Teilnahme von Kyereh werden dabei nicht erwähnt.

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Oke Göttlich sprach von einer „niedrigen bis mittleren sechsstelligen Summe“, die der FCSP für die WM-Teilnahme von Jackson Irvine erhalten wird. (c) Peter Böhmer

Drei Zweitligisten mit WM-Fahrern

Der FC St. Pauli ist einer von insgesamt nur drei Zweitligisten, die einen WM-Fahrer im Kader haben (Ao Tanaka (Fortuna Düsseldorf) spielt für Japan, Gael Ondoua (Hannover 96) für Kamerun). Das macht diese Einnahmen besonders wertvoll. Denn sie stellen eine Geldquelle für die drei Clubs dar, die andere Zweitligisten nicht haben.So ist es aus finanzieller Sicht für den FC St. Pauli bitter, dass Connor Metcalfe nicht zur WM eingeladen wurde und mit James Lawrence, Rodrigo Zalazar, Leon Flach und Ryo Miyaichi auch einige ehemalige FCSP-Spieler nicht. Ob sie für die Teilnahme der vier oder für jene von Daniel-Kofi Kyereh einen Teil der FIFA-Ausschüttung bekommen hätten, ist Teil der Verträge, die mit den neuen Clubs der Spieler ausgehandelt wurden (sofern das überhaupt der Fall war). Aber aufgrund der Teilnahme von Jackson Irvine darf sich der FC St. Pauli auf Einnahmen im sechsstelligen Bereich freuen.

Sicher ist aber, egal, ob es da nun Geld für den FC St. Pauli gibt oder nicht: Das macht die WM in Katar nicht besser oder schlechter, sie bleibt so oder so inakzeptabel.

// Tim

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