Was beim FC Bayern schief läuft (7): Die geringen Transfereinnahmen der Münchner | OneFootball

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·16. August 2019

Was beim FC Bayern schief läuft (7): Die geringen Transfereinnahmen der Münchner

Artikelbild:Was beim FC Bayern schief läuft (7): Die geringen Transfereinnahmen der Münchner

Der FC Bayern ist deutscher Meister und Pokalsieger, dennoch weist der Klub in vielen Bereichen große Probleme auf. fussball.news legt in einer 13-teiligen Serie dar, was bei den Roten strukturell schief läuft. Teil 7 handelt von den relativ geringen Transfereinnahmen der Münchner.

Derzeit steht der FC Bayern bei Fans und Berichterstattern massiv für seine Einkaufspolitik auf dem Transfermarkt in der Kritik. Der Verkaufspolitik des deutschen Rekordmeisters wird dagegen selten nachhaltige Beachtung geschenkt. Natürlich wird schon mal intensiv darüber diskutiert, ob Mats Hummels (2019) oder Mario Götze (2016) für eine angemessene Ablösesumme wieder zu Borussia Dortmund retransferiert wurden. Doch wie steht es um die Transfereinnahmen der Münchner insgesamt?


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Reicht das Festgeldkonto nicht mehr für die großen Deals aus?

Zunächst sei ein Widerspruch aufgezeigt: Einerseits leben die Münchner vom Ruhm ihres sagenumwobenen Festgeldkontos. Die Bayern sollen dabei auf ein Guthaben von über 200 Millionen Euro zurückgreifen können. Das „Festgeldkonto“ steht seit Jahren auch symbolisch dafür, dass die Münchner seriös wirtschaften im Gegensatz zu all den Schulden- und Investorenklubs in Europa, die ihre Erfolge wohl doch nur auf Pump kaufen. Andererseits aber beklagt die Führung des FC Bayern auf dem internationalen Transfermarkt finanziell kaum mehr mithalten zu können. Die Quintessenz: Der FC Bayern ist einer der vermögendsten Klubs der Welt, aber irgendwie scheint das Geld trotzdem nicht mehr auszureichen, um sich eine Mannschaft zusammenzustellen, die sich in den europäischen Top Vier behaupten kann.

Wo kann Bayern seine Einnahmen steigern?

Wenn demnach Geld fehlt, stellt sich die Frage: Wie kann der deutsche Rekordmeister mehr Geld verdienen? Es gibt dazu natürlich einige Klassiker: das Ticketing zum Beispiel. Hier hat Bayern kaum mehr Wachstumspotenzial – im Gegenteil: Durch weniger Spiele in der Champions League (Aus im Achtelfinale) müssten schätzungsweise die Einnahmen sogar etwas rückläufig sein. Das frühe Ausscheiden in der Champions League schmerzt die Bayern ohnehin sehr: Scheidet ein Team im Achtelfinale, nicht erst im Halbfinale der Champions League aus, kostet es den Klub als Gesamtpaket wohl mindestens 50 Millionen Euro an weiteren Einnahmen. Ein anderer Klassiker ist der Bereich Merchandising. Auch hier geht es nach Informationen von fussball.news für die Münchner primär darum, den bereits hohen Umsatz abzusichern. Bei den nationalen TV-Geldern wiederum müssen die deutschen Klubs für das neue Jahrzehnt eher Umsatzeinbußen einplanen. Die deutschen TV-Anstalten werden bei einem neuen Vertrag ihre Angebote voraussichtlich nicht erhöhen können. So bleibt dem FC Bayern eigentlich nur ein wesentlicher Bereich aktuell, um sich finanziell schnell zu verbessern: eine gute Transfer- und Personalpolitik.

Der BVB verzeichnet Top-Transfererlöse

In Deutschland am meisten gelobt wird dabei Borussia Dortmund. Ein typisches Muster des BVB: Die Scouts entdecken relativ unbekannte Talente und verpflichten sie für relativ wenig Geld, um die Spieler rund zwei Jahre später für eine deutlich höhere Summe wieder zu verkaufen. Drei Saisons in Folge hat der BVB Spieler für insgesamt jeweils über 100 Millionen Euro verkauft – 2019 können die Schwarz-Gelben die Marke auch noch knacken. Zum Vergleich: Der FC Bayern hat in den drei Saisons zwischen 2016/17 und 2018/19 laut transfermarkt.de rund 169 Millionen Euro an Spielerverkäufen eingenommen – die Dortmunder im Vergleichszeitraum 486 Millionen Euro. Das ist fast der dreifache Betrag! Auf das Argument, der FC Bayern sei kein „Verkaufsverein“, sei später noch eingegangen.

Auch Real und Barca nehmen mehr ein

Erstmal wieder in der Analyseserie der Blick zu anderen europäischen Top-Klubs: Real Madrid erzielte mit Spielerverkäufen zwischen 2016/17 und 2018/19 rund 300 Millionen Euro – also 130 Millionen Euro mehr als die Münchner. Der FC Barcelona brachte es in diesem Zeitraum auf 400 Millionen Euro. Manchester City spielte rund 180 Millionen Euro ein, der FC Liverpool holte 320 Millionen herein. Juventus Turin liegt bei 430 Millionen Euro und Paris Saint-Germain bei 272 Millionen. Warum erwirtschaften nahezu alle europäischen Top-Klubs deutlich mehr Geld mit Spielerverkäufen als der FC Bayern?

Muss Fußballpopulismus sein?

Als Einschub sei zunächst festgehalten: Es wirkt wie Fußballpopulismus, wenn Präsident Uli Hoeneß oder Trainer Niko Kovac sich über die hohen Transferausgaben der Konkurrenz beschweren. Sie lassen dabei unter den Tisch fallen, dass nahezu alle Top-Teams auf der Verkaufsseite auch hohe Einnahmen erzielen – oder zumindest höhere als die Münchner. Ein bedeutender Unterschied zur europäischen Konkurrenz ist, dass die Bayern seit Jahren einen relativ kleinen Kader besitzen und trotzdem große Angst davor haben, dass unzufriedene Ergänzungsspieler für Unruhe sorgen könnten. In Spanien, England und Italien verfügen die Klubs meist über deutlich größere Kader – und dennoch herrscht selten große Unruhe vor. Das bleibt aber ein extra Thema.

Kein 40-Mann-Kader nötig

Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge betont regelmäßig, beim FC Bayern betreibe man keinen „Menschenhandel“. Denn in der Tat haben die europäischen Top-Klubs oftmals 30,40 Spieler im Profikader stehen. Viele Akteure werden verliehen, um sie dann später in die erste Mannschaft zu integrieren oder lohnend zu verkaufen. Auf dieses im europäischen Topfußball übliche Geschäftsmodell haben die Münchner bislang nicht zurückgegriffen. Ein weiterer Punkt könnte dabei sein, dass Deutschland mit die höchsten Steuern von Profiklubs und Spielern verlangt. Bei einem neuen Geschäftsmodell kann man sich in Deutschland also durchaus schneller die Finger verbrennen.

Europas Klubs im Umbruch

Hinzu kommt noch, dass die Münchner von einer goldenen Spielergeneration seit dem Jahr 2010 profitiert haben. Große Spielerkäufe und Verkäufe waren insbesondere zwischen 2013 und 2017 nur selten nötig. Dagegen befanden sich Klubs wie Liverpool, Manchester City oder auch Paris Saint-Germain im Umbruch und besorgten ihren neuen Coaches zahlreiche Stars. Über das Financial-Fairplay der UEFA sind diese Klubs natürlich in der Folge gezwungen, auch hohe Einnahmen zu generieren. Spielerverkäufe und Mega-Deals sind nahezu Pflicht. Da die Münchner kaum Spieler einkauften, mussten sie auch kaum Profis verkaufen. Das wird sich nun bald ändern.

Die Ü-20-Millionen-Transfers

Auch eine andere Statistik gibt Aufschluss darüber, dass der FC Bayern in Sachen Verkaufspolitik Nachholbedarf hat. Nur sechs Spieler in der Historie des FC Bayern konnten für jeweils über 20 Millionen Euro verkauft werden. Douglas Costa steht mit 40 Millionen Euro und seinem Wechsel zu Juventus Turin auf Platz eins. Mats Hummels für rund 30 Millionen Euro zum BVB belegt Rang Zwei. Die Transfers Toni Kroos (2014, Real Madrid) und Owen Hargreaves (2008! zu Manchester United) folgen auf den Plätzen drei und vier. Mario Götze (BVB) und Mario Mandzukic (Atletico) komplettieren den Klub der Ü-20-Millionen-Transfers. Jedoch zum Vergleich: Borussia Dortmund hat zehn Spieler mit jeweils mindestens einer Ablöse von 20 Millionen Euro verkauft, sieben Profis davon kosteten sogar über 30 Millionen Euro.

Der Blick ins Ausland

Und wieder der Blick ins Ausland: Real Madrid und der FC Barcelona haben jeweils 18 Spieler mit mindestens jeweils 20 Millionen Euro Ablöse abgeben können. Bei Liverpool sind es zehn Profis, Juventus bringt es auf 14 Spieler und PSG auf neun Akteure. Nur Manchester City hat erst fünf Spieler mit 20 Millionen Euro plus X verkauft und liegt damit in dieser Statistik einen Spieler hinter dem FC Bayern.

Ballack wechselte ablösefrei zu Chelsea

So ist nochmal auf das legendäre Image des FC Bayern, kein „Verkaufsklub“ zu sein, zurückzukommen. In den 1980er Jahren wurde Karl-Heinz Rummenigge zu Inter Mailand transferiert, der FC Bayern hatte durch den Deal mit den Italienern keine Schulden mehr. Danach ging es finanziell stetig bergauf für die Bayern, doch 2006 folgte ein besonderes Ärgernis: Michael Ballack klopfte sich nach einem Tor für die Münchner auf Herz und Bayernlogo, um kurz danach jedoch seinen Vertrag in München nicht zu verlängern. Chelsea London bot ihm 2006 einfach ein deutlich höheres Gehalt, wenn man den Kern des Konflikts zusammenfassen will. Die Münchner lästerten daraufhin gegen Ballack und gegen Chelsea, das mit Mäzen Roman Abramowitsch bessere finanzielle Möglichkeiten besessen hatte.

Wann Bayern kein „Verkaufsklub“ mehr war

Doch 2010 gab es für die Roten ein monumentales Ereignis: Flügelstürmer Franck Ribery schlug alle Offerten von europäischen Top-Klubs aus und verlängerte seinen Vertrag in München. Der FC Bayern fühlte sich nun auch finanziell in Europas Elite angekommen. Man sei kein „Verkaufsklub“ mehr, betonte die Bayern-Führung. Durch die Jahre großer Erfolge im Anschluss stellte sich ohnehin nicht mehr die Frage nach Verkäufen, einzig 2014 gab es einen Rückschlag: Toni Kroos wollte beim FC Bayern seinen Vertrag nicht verlängern und wechselte zu Real Madrid. Die Münchner wollten dem Regisseur keine deutliche Gehaltserhöhung zugestehen, auch wenn sie dazu in der Lage gewesen wären. Für rückblickend nur 22 Millionen Euro konnte Kroos zu Real weiterziehen und als Stammspieler drei Mal die Champions League mit den Spaniern gewinnen. Finanziell war der Abgang dennoch zu verschmerzen. In Zukunft aber sind die Münchner darauf angewiesen, bei Spielerverkäufen deutlich strategischer vorzugehen. Und die Bilanzen zeigen: Nahezu jeder europäische Topklub ist heute auch ein „Verkaufsklub“. Dafür aber kann er sich dann wieder neue Top-Stars leisten.

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