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·21. Januar 2020

Was beim FC Bayern schief läuft (12): Die Transferausreden

Artikelbild:Was beim FC Bayern schief läuft (12): Die Transferausreden

Der FC Bayern ist deutscher Meister und Pokalsieger, dennoch weist der Klub in vielen Bereichen große Probleme auf. fussball.news legt in einer 13-teiligen Serie dar, was bei den Roten strukturell schief läuft. Teil 12 handelt von der Passivität des FC Bayern auf dem Transfermarkt und vorgeschobenen Ausreden der Klubführung.

Einige Aspekte der Transferpolitik des FC Bayern wurden in der Analyseserie von fusssball.news seit Juni 2019 bereits beleuchtet. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Münchner sich für einen europäischen Top-Klub sehr passiv auf dem Transfermarkt verhalten – das gilt für Zugänge wie Abgänge gleichermaßen. Seit einger Zeit ist zu beobachten, wie sich die Führung des FC Bayern für ihre Passivität auf dem Transfermarkt rechtfertigt. So führen die Münchner beispielsweise zwei generelle Ausreden an. Sinngemäß lauten sie:


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1. Die Gehälter, die andere europäische Top-Klubs den Profis bezahlen – da kann der FC Bayern kaum mithalten.

2. Der FC Bayern setzt eher auf einen kleinen Kader, um a, keine Unruhe innerhalb der Mannschaft aufkommen zu lassen und b, Talente besser zu fördern.

fussball.news hat in dieser Serie bereits dargelegt, dass die meisten Profis des FC Bayern ein höheres Brutto-Gehalt erhalten als die meisten Profis aller anderen Top-Klubs in Europa. Die Münchner haben eine ungesunde Gehaltsstruktur und bei vielen Stars stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht mehr. Wohinter sich die Münchner verstecken: Die allerbesten Spieler der Welt wie Lionel Messi oder Neymar erhalten Mega-Gehälter, die sich dann auf den Gesamtschnitt des FC Barcelona und Paris Saint-Germain auswirken. Aber die Nummer fünf bis 15 im Kader von Real Madrid, des FC Barcelona oder Paris Saint-Germain verdient in der Regel eher weniger an Gehalt wie die Nummer fünf bis 15 beim FC Bayern. Das ist aus zahlreichen vergleichenden Studien und Medienberichten zu entnehmen. Fairerweise muss man sagen, dass in anderen europäischen Ländern die Spieler meist weniger Steuern bezahlen und bessere Werbedeals oder Zusatzprämien erhalten. Manchmal lässt sich auch bei der Steuer einfacher tricksen, wie zahlreiche juristische Verurteilungen von Top-Stars etwa in Spanien zeigen. Die Bayern sollten also nicht andere europäische Top-Klubs wegen der hohen Gehälter diffamieren, denn die Gehälter sind zumeist gar nicht höher als in München, sondern es braucht eine Initiative, die sich für eine faire europäische Steuergesetzgebung in diesem Bereich einsetzt.

Um auf den zweiten Punkt einzugehen: Europäische Top-Klubs haben oftmals 15 bis 20 große Stars im Kader – dennoch gelingt auch die Förderung von Talenten. Real Madrid und der FC Barcelona gehen mit gutem Beispiel voran – und bei Juventus Turin sitzen Spieler auf der Ersatzbank und Tribüne, die wohl in der Bundesliga zu den besten Akteuren zählen würden. Ein starker Trainer, ein cleverer Manager und ein konsequent agierender Klubchef können Kader mit zahlreichen Stars relativ gut in den Griff bekommen – und die Münchner selbst haben das um die Jahrtausendwende ebenfalls bewiesen, als zahlreiche Nationalspieler auf der Ersatzbank und Tribüne Platz nehmen mussten. Coach Ottmar Hitzfeld gelang mit einem starken Kader und relativer Geschlossenheit der Champions-League-Sieg 2001.

Neben den generellen Ausreden bedienen sich die Münchner nun regelmäßig auch der Einzelfall-Ausreden. Sie hören sich – zunächst – schlüssig an und scheinen auch für den Großteil der FC-Bayern-Fans nachvollziehbar zu sein. Drei Beispiele:

1. Der Fall Haaland

Dem Vernehmen nach soll sich der FC Bayern über die Eckdaten eines möglichen Winter-Transfers von RB-Salzburg-Stürmer Erling Haaland erkundigt haben. Die Reporter des Springer-Verlags meldeten dann jedoch, dass die Münchner aus dem Transferpoker um den 19-jährigen Norweger ausgestiegen seien – man könne ihm hinter dem gesetzten Mittelstürmer Robert Lewandowski kaum Einsatzzeit bieten. Zudem habe man genügend Aushilfs-Mittelstürmer im Kader (Serge Gnabry, Thomas Müller). Den Zuschlag bekam am Ende der nationale Rivale Borussia Dortmund.

Entwickelt sich Erling Haaland konstant weiter, wird er schon bald zu den besten fünf Mittelstürmern in Europa zählen. Für die festgeschriebene Ablöse von 20 Millionen Euro und für ein Brutto-Jahresgehalt von nicht mal zehn Millionen Euro wäre Haaland ein absolutes Transferschnäppchen geworden. In früheren Zeiten kauften die Bayern nahezu jedes Top-Talent im deutschsprachigem der nationalen Konkurrenz weg – und sei es nur, um den Konkurrenten nicht stärker werden zu lassen. Nun verzichtet man freiwillig auf einen der künftig wohl besten Spieler in Europa, weil man formal gesehen einem verdienten Spieler wie Lewandowski hundertprozentiges Vertrauen schenken will. Dass nahezu alle europäischen Top-Klubs mindestens zwei starke Mittelstürmer plus mindestens ein Talent für diese Position im Kader besitzen, ist für den FC Bayern offenbar kein Maßstab. Man lässt eher Vorsicht walten – in diesem Fall zum direkten Vorteil von Borussia Dortmund.

2. Der Fall Timo Werner

Krasser liegt aber der Fall um Timo Werner. Der 23-Jährige war offenbar bereit, im Sommer 2019 von RB Leipzig zum FC Bayern zu wechseln. Die Münchner lockten ihm dem Vernehmen nach auch lange Zeit, bevor sie Werner dann doch vertrösteten und auf einen Kauf verzichteten. Selbst vor Kurzem erklärte die Bayern-Führung noch: Konter-Stürmer Werner passe eben nicht ins Ballbesitz-orientierte Spielsystem des FC Bayern.

Klingt schlüssig, jedoch: Selbst der als Systemfanatiker und Taktik-Guru geltende Pep Guardiola betont, dass ein Trainer das System an die Qualität seiner Spieler anpassen müsse. Das System dürfe nicht die Qualität der Spieler einengen. Zunächst hat also ein Top-Klub wie der FC Bayern die Aufgabe, die bestmöglichen Spieler zu verpflichten. Und spätestens seit dieser Saison ist offensichtlich: Timo Werner, der mit Robert Lewandowski die Torschützenliste anführt, ist der beste deutsche Torjäger der Bundesliga. Die Statistik besagt sogar, dass Werner im Verwerten von Großchancen viel effizienter als Lewandowski agiert. Wenn man also einen Top-Spieler zu einem relativ günstigen Preis bekommen und einem nationalen Rivalen wie RB Leipzig den wichtigsten Spieler abnehmen kann, dann hat der FC Bayern in der Vergangenheit oftmals zugeschlagen. Die Frage muss gestellt sein: Welche Passivität herrscht in diesem Klub vor, dass man sich einen der besten Stürmer in Deutschland und Europa nun entgehen lässt? Schlimmer noch: Liest man die jüngsten Aussagen von Werner, hört man Verbitterung heraus, dass ihn der FC Bayern nicht verpflichtet hat. Denn gerne hätte Werner wohl mit seinen früheren Stuttgarter Freunden Joshua Kimmich und Serge Gnabry erfolgreich in München zusammengespielt. Nun zieht es Werner wohl Richtung Premier League: Champions-League-Sieger FC Liverpool will sich angeblich mit dem deutschen Nationalspieler verstärken.

3. Der Fall Nagelsmann

Auch das ist auffällig: Manche deutschen Spieler und Trainer himmeln den FC Bayern an, bieten sich indirekt für einen Wechsel an – und die Bayern erwidern diese Liebe nicht (mehr). Vor etwas mehr als zwei Jahren zum Beispiel sagte Julian Nagelsmann unmissverständlich, dass er mal den deutschen Rekordmeister trainieren wolle. Nagelsmann galt schon damals bei der TSG Hoffenheim als der Trainer mit dem besten In-Game-Coaching der Bundesliga. Zudem verbesserte er bereits in Hoffenheim nahezu jeden Stürmer deutlich und führte immer wieder Talente an die Nationalmannschaften heran. Was hätte da für den FC Bayern besser gepasst, als endlich mal einen gebürtigen Bayern auf der Trainerbank sitzen zu haben, der in einer Phase des Umbruchs jeden Stein im Verein systematisch umdrehen kann und auch noch für die regionale Identität des Klubs einen Anker bildet. Die Antwort der Bayern-Führung vor zwei Jahren lautete: Nagelsmann sei zu jung für den Job. Und selbst vor wenigen Monaten betonte Ex-Präsident Uli Hoeneß nochmals: Nagelsmann – 32 Jahre alt und nunmehr Coach bei Tabellenführer RB Leipzig – sei zu jung für ein Engagement beim FC Bayern. Dabei sagen die Münchner bei anderen Gelegenheiten oftmals: Das Alter spiele keine Rolle, es zähle die Leistung….

In Einzelfällen sind die Antworten der Bayern-Führung allemal nachvollziehbar, doch es geht nicht mehr um Einzelfälle. Seit rund vier Jahren ist eine große Passivität beim FC Bayern festzustellen. Eigentlich haben die Münchner dafür bereits die Quittung erhalten: Sie schieden in der vergangenen Saison mit einem relativ schwach besetzten Kader und einem relativ schwach agierenden Trainer einfallslos und mutlos im Achtelfinale der Champions League aus. In dieser Saison gilt zudem der Gewinn des Meistertitels als unwahrscheinlich, selbst FC-Bayern-Coach Hans-Dieter Flick hält das auf vier Punkte enteilte RB Leipzig für den Titelfavoriten. Was muss den Münchnern noch passieren, um aus dieser Passivität auszubrechen? Man darf auf die kommenden Monate gespannt sein, denn angeblich soll der positive Knall im Sommer 2020 auf dem Transfermarkt folgen: Dann will der FC Bayern angeblich deutsche Top-Stars wie Leroy Sane (Manchester City) und Kai Havertz (Bayer Leverkusen) verpflichten.

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