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·30. September 2024

Warum gibt es keine Kapitänsregel für Trainer?

Artikelbild:Warum gibt es keine Kapitänsregel für Trainer?

Schreien, Haare raufen, Abwinken – der Kolumnist hält das ständige Gemecker am Spielfeldrand einfach nicht mehr aus

Das Schöne am Fußball ist, dass man sich gleichzeitig furchtbar aufregen und beste Laune haben kann. Das gibt es sonst nirgends. Am Samstag fühlte es sich für mich mal wieder so an. Diesmal haben mich unsere Trainer zur Weißglut getrieben. Aber irgendwie fand ich es auch lustig, erwachsene Männer dabei zu beobachten, wie sie sich vor aller Welt lächerlich machen.


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Diese Trainer haben den Spielfeldrand inzwischen zu einer Art Freiheitskämpferzone gemacht. Am schlimmsten war es in Wolfsburg.

Natürlich half beim 2:2 zwischen den Wölfen und dem VfB Stuttgart die krasse Fehlentscheidung von Schiedsrichter Sven Jablonski nicht, die Gemüter zu beruhigen. Trotzdem stand das Spiel für mich stellvertretend für eine neue Entwicklung: Während nach Einführung der Kapitänsregel AUF dem Platz eine gewisse Ruhe eingekehrt ist, also Rudelbildungen und das nervtötende Gemecker von 22 Spielern gleichzeitig aufgehört haben, stoßen jetzt NEBEN dem Platz chronisch schlechtgelaunte und sich grundsätzlich benachteiligt fühlende Trainer in diese Lücke.

Diese Männer sind 90 Minuten lang unzufrieden. Manche schauen sogar nach einem Torerfolg der eigenen Mannschaft aus der Wäsche, als wollten sie den Treffer am liebsten aus Prinzip anfechten.

Ich nenne es das Tim-Walter-Syndrom. Der frühere HSV-Trainer war Grundsteinleger kommender Meckergenerationen. Walter legte in 90 Minuten Spielzeit grundsätzlich gegen alles Einspruch ein, was sich bewegte. Wenn vor einem Eckball des Gegners die Sonne rauskam und den eigenen Torwart blendete, witterte er eine Verschwörung im DFB-Hauptquartier.

In den Stadien ist es fast überall gleich schlimm. Ich räume aber ein, dass es möglich ist, dass das schon früher so war und erst so deutlich auffällt, seit (bei der EM im Sommer) die Kapitänsregel eingeführt wurde.

Beim Spiel Wolfsburg gegen Stuttgart wurde es unerträglich. Sebastian Hoeneß (VfB) und Ralph Hasenhüttl (VfL) benahmen sich wie Schulkinder, denen einer das iPhone weggenommen hat. Was immer passierte – es war falsch.

Dabei gab es genau EINE Fehlentscheidung. Also ungefähr neun weniger als früher in einem Spiel.

Und doch wurde jedes Ziehen, jeder Rempler, jedes Foul, jede Karte, jede Sekunde Nachspielzeit – zu viel oder zu wenig, egal, irgendwas ist immer falsch –, wurde jeder Einwurf draußen mit großem Drama und abwehrenden Gesten beklagt. Einfach alles, was auf dem Platz geschieht, wird inzwischen wahlweise vom einen Trainer abfällig kommentiert und vom anderen applaudierend gutgeheißen. (Jaja, ich übertreibe ein bisschen, es dient aber der Wahrheitsfindung.)

Aber mal ehrlich: Elfmeterentscheidungen sind heutzutage entweder "glasklar" (profitierender Trainer) oder "die größte Fehlentscheidung seit langer Zeit" (nicht profitierender Trainer). Ein Fußballlehrer würde im Jahr 2024 lieber Max Kruse trainieren, als ohne Sarkasmus in der Stimme zu sagen: "Ja, eindeutiger Elfer gegen uns!" Oder: "Super Schiedsrichter heute, Chapeau!"

Ausgerechnet die Chefs dürfen also weiterhin ungestört rummeckern, lamentieren, die Schiris auf und neben dem Platz scheinbar nach Belieben belästigen, anschreien und stets abwinken – und die Kameras halten natürlich dauernd drauf. Wo sieht man schon mal so viele rote Köpfe auf einmal?

Ich finde, nach der Kapitänsregel ist es jetzt an der Zeit für eine funktionierende Trainerregel.

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