MillernTon
·9. Dezember 2023
VfL Osnabrück vs. FC St. Pauli 1:1 – Passiv zum Punktverlust

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·9. Dezember 2023
Der FC St. Pauli muss gegen den VfL Osnabrück mit einem Unentschieden leben, weil sich das Team vom Gegner beeindrucken ließ. Der Spielbericht.(Titelbild: Peter Boehmer)
Tja, da war leider wieder viel von dem, was man kennt als FCSP-Fan: Auswärts beim Tabellenletzten hat man sich trotz perfektem Start und einem richtig guten Spiel zu Beginn Stück für Stück vom Gegner beeindrucken lassen, obwohl man bereits frühzeitig die Partie für sich hätte entscheiden können. Trotzdem muss der FC St. Pauli dieses Spiel gewinnen, hatte genügend Chancen, auch im späteren Verlauf der Partie. Die Tore fielen nicht, der Gegner traf – somit bleibt der FC St. Pauli zwar ungeschlagen, muss sich aber sehr über einen erneuten Verlust von zwei Punkten ärgern.
Im Vergleich zum Pokalspiel in Homburg rotierte der FC St. Pauli zurück. Elias Saad, Manos Saliakas und Nikola Vasilj kamen für Etienne Amenyido, Lars Ritzka und Sascha Burchert in die Startelf. Im Vergleich zum Stadtderby letzten Freitag gab es dann einen weiteren Wechsel: Oladapo Afolayan ersetzte Connor Metcalfe auf der rechten Offensivseite.
Eher die ganz große Umstellung wählte Osnabrücks Trainer Uwe Koschinat. Die wohl größte Überraschung gab es im Tor. Dort stand Philipp Kühn anstelle von Lennart Grill in der Startelf. Kühn war vier Jahre lang Stammkeeper, musste zu Saisonbeginn aber für Grill weichen, der sich diesen Platz zwischen den Pfosten auch mit guten Leistungen verdiente. Insofern war die Aufstellung von Kühn schon eine Überraschung, die Koschinat vor dem Spiel erklärte: „Philipp Kühn kann die Bremer Brücke emotionalisieren. Mir fehlt im Team etwas die extravagante Art. Da braucht es auch extrovertierte Typen, die das Stadion emotionalisieren können.“
Aufstellung beim Spiel VfL Osnabrück gegen FC St. Pauli
Zwei weitere personelle Veränderungen gab es: Henry Rorig und Noel Niemann starteten anstelle von Maximilian Thalhammer und John Verhoek. Da beides keine positionsgetreuen Wechsel waren, ging diese Veränderung mit einer Umstellung der Formation einher: Der VfL Osnabrück agierte mit einem 4-3-3 und starker Mannorientierung.
Die Abläufe des FC St. Pauli saßen zu Spielbeginn so sicher, wie man es vom Team in dieser Saison kennt. Bei Ballbesitz schoben Marcel Hartel und Jackson Irvine in die offensiven Halbräume und drückten den VfL Osnabrück dadurch enorm tief in die eigene Hälfte. Der agierte nämlich sehr mannorientiert, mit Gnaase und Tesche, auf die beiden zentralen Mittelfeldspieler des FCSP. So bildete sich oft eine Sechserkette bei Osnabrück, welche dann meist viel zu tief stand, um auch nur ansatzweise für Entlastung zu sorgen.
Nach der Partie erklärte Uwe Koschinat, dass sein Team zu Beginn nicht daran geglaubt habe, dass sie mit offensivem Pressing erfolgreich sein können. Ich würde sogar sagen, dass sie nicht nur nicht daran glaubten, sondern es nicht einmal probierten. Wie auch, wenn man bereits nach fünf Minuten mit 0:1 hinten liegt. Der FCSP hatte, mal wieder, nach einer simplen Eckballvariante (Karol Mets blockte Jackson Irvine frei) früh die Führung erzielt. Du bist 18. und der Tabellenführer ist bereits früh vorne. Da dürfte wenig Hoffnung gewesen sein bei den Spielern des VfL Osnabrück.
Jackson Irvine legte mit dem FC St. Pauli einen Traumstart in Osnabrück hin, doch dem Team gelang es nicht, den zweiten Treffer nachzulegen.
(c) Peter Boehmer
Bei der Betrachtung dieses Spiels geht es weniger um die taktischen Feinheiten. Davon waren dann irgendwann nämlich kaum mehr welche vorhanden. Je länger die Partie dauerte, umso dreckiger und strukturloser wurde sie. Zu Beginn konnte der FCSP aber noch viel von der Ballsicherheit zeigen, erspielte sich auch nach der Führung noch einige gute Situationen. Johannes Eggestein zum Beispiel hätte Mitte der ersten Halbzeit auf 2:0 stellen dürfen. Doch rund um die 30. Spielminute, in kurzen Abschnitten bereits früher, veränderte sich etwas auf dem Platz: Der FC St. Pauli wurde gegen den Ball sehr passiv, überließ Osnabrück viel Raum im Aufbauspiel.
Dieses Aufbauspiel war unfassbar simpel. Sobald sich alle Osnabrücker entsprechend positioniert hatten, schlug einer der beiden Innenverteidiger einen langen Diagonalball. Nur ganz selten probierten sie andere Varianten. Leider nicht ganz so selten hatte Osnabrück genau mit diesen einfachen Diagonalbällen Erfolg, sodass der FCSP sehr oft in eine tiefere Position gezwungen wurde. Gefährlich wurde es in diesen Situationen aber lange Zeit nicht. Letztlich hatte Osnabrück nur zwei Torchancen.
Mehr Gefahr erzeugte hingegen der FC St. Pauli, wenngleich die Struktur auch in den offensiven Abläufen mehr und mehr nachließ. Das hing vor allem damit zusammen, dass der VfL Osnabrück spätestens mit Anpfiff der zweiten 45 Minuten konsequent hoch presste – und der FCSP sich davon beeindrucken ließ. In der zweiten Halbzeit schaffte es das Team von Fabian Hürzeler nur noch selten, die hoch anlaufenden Osnabrücker kontrolliert zu überspielen.
Da hat vermutlich auch das tiefe Geläuf seine Finger mit im Spiel gehabt. Und ganz sicher sorgte die Bremer Brücke dafür, dass sich der VfL Osnabrück, der mit seinem hohen Pressing viel Risiko ging, wieder hochziehen konnte. Trotzdem muss man genau hinschauen, warum sich der FCSP von diesem Pressing so sehr beeindrucken ließ, während es dem Team in anderen Spielen zuverlässiger gelang, so eine Herangehensweise auszuhebeln. Immerhin legt es der FC St. Pauli mit seinem Aufbauspiel oft darauf an, dass er höher angelaufen wird. Nun tat der Gegner ihm genau diesen Gefallen, aber es gelang nicht, daraus Kapital zu schlagen.
Problematisch war für den FC St. Pauli auch die Struktur gegen den Ball. Nochmal: Das Konzept der Osnabrücker war sehr oft äußerst simpel. Die Innenverteidiger schoben sich ein wenig den Ball hin und her, bis alle in Position waren und dann folgte ein langer Diagonalball auf die offensive Außenbahn. Dort stellte Osnabrück dann idealerweise eine Überzahl in Ballnähe her (deshalb dauerte es immer etwas, bis der Diagonallball gespielt wurde). Andere Aufbauvarianten gab es natürlich auch, aber Osnabrück versuchte es zumeist mit genau dieser einen Variante.
Der FC St. Pauli fällt gegen den Ball oft in ein 5-4-1, um von dort nach bestimmten Pressingauslösern hoch anzulaufen. Gibt es diese Auslöser nicht, dann verbleibt das Team im 5-4-1. Nun kam noch erschwerend hinzu: Wirkt das Team verunsichert, dann verbleibt es sehr oft in diesem 5-4-1, auch wenn man sich nach vorne lösen sollte. Das Problem des 5-4-1 gegen den VfL Osnabrück war nun, dass Johannes Eggestein oft alleine gegen die beiden Innenverteidiger stand. Dadurch konnte der FCSP überhaupt keinen Druck auf die langen Bälle erzeugen.
Aufbauspiel des FC St. Pauli und des VfL Osnabrück
links: Der FCSP baute zumeist in einem 2-3-5 das Spiel auf. In der ersten Halbzeit agierte Osnabrück darauf mit starker Mannorientierung und fiel so sehr oft in eine Art 6-3-1, welches für massive Feldvorteile des FCSP sorgte. Später in der Partie sollte Osnabrück den FC St. Pauli konsequent hoch anlaufen.
rechts: Bei Osnabrücker Ballbesitz fiel der FC St. Pauli vor allem in der zweiten Halbzeit oft in ein 5-4-1 und löste aus dieser Formation auch selten das hohe Pressing aus. Der VfL Osnabrück spielte oft lange Diagonalbälle von den druckfreien Innenverteidigern auf die offensive Außenbahn, die das Team zu überladen versuchte.
So gelang es dem VfL Osnabrück eine zweite Halbzeit zu spielen, bei der das Team mehr Ballbesitz als der FC St. Pauli hatte. Klar, das Heimteam zieht sich nach den ersten erfolgreichen Aktionen beim Spiel auf die eigene Fankurve natürlich auch daran hoch. Von der Spielqualität war es aber mehr ein Herunterziehen. Weil der FCSP zu passiv gegen den Ball war. Und weil Osnabrück mit aggressivem und, zugegeben, sehr gutem Verhalten im Offensivpressing den FCSP beeindruckte. Wenn der FC St. Pauli das Pressing mal überspielte, dann waren die Anschlussaktionen selten gut, oft zu langsam. Manchmal so, als wenn sie sich gar nicht darüber bewusst gewesen wären, dass sie gerade Räume geöffnet hatten und das Tempo wurde dann, trotz großer Freiheiten, trotzdem nicht anzogen.
Sicher würde ich über diese Partie ganz anders schreiben, wenn der VfL Osnabrück nicht eine seiner beiden nennenswerten Torchancen genutzt hätte. Das Zweikampfverhalten von Karol Mets vor dem Ausgleich ist natürlich nicht gut, da dürfte er sich selbst am meisten dran stören. Fabian Hürzeler störte sich nach Abpfiff vor allem daran, dass es dem Team erneut nicht gelungen ist, die Null zu halten. Aber er betonte auch, dass es sein Team mal wieder nicht schaffte, das Spiel „zu Ende zu bringen“ und meinte damit, dass man das zweite Tor hätte erzielen müssen. Chancen dazu waren genügend vorhanden.
Leider war dieses Mal die Bank des FC St. Pauli bei diesem Vorhaben überhaupt keine Hilfe. Keine der Einwechslungen hat gezündet. In der Offensive kam hinter Saad, Eggestein und Afolayan zuletzt und nun auch gegen Osnabrück, leider zu wenig. Dabei wäre es gerade bei dieser Partie sehr wichtig gewesen, von der Bank einen neuen Impuls zu bringen. Auch um das Momentum, welches im zweiten Abschnitt bei Osnabrück lag, einfach mal zu brechen. Denn klar ist auch: Das war ein Kartenhaus, auf dem Osnabrück versuchte, den FCSP in Schach zu halten.
Bei all dem Ärger über Passivität gegen den Ball und wenige Positionsangriffe mit dem Ball im zweiten Abschnitt: Der FC St. Pauli hat sich genügend Torchancen erspielt, um mindestens einen weiteren Treffer zu erzielen, MUSS sich also dringend erneut vorwerfen, das Spiel nicht frühzeitig entschieden zu haben. Wie gegen den HSV. Wie gegen Rostock.In Summe ergibt das in 16 Spielen bereits acht Unentschieden. Und wenn man sich die Spiele alle anschaut, dann hätte man davon gut und gerne vier, fünf gewinnen können, wenn nicht sogar müssen. Das sind verlorene Punkte.
Natürlich klingt das alles negativer, als es ist. Kurz nach Abpfiff ist da, bei mir – wie sicher auch bei den Spielern – viel Frust dabei. Aber der FCSP ist auch weiterhin ungeschlagen. Der FCSP war auch gegen Osnabrück das bessere Team. Der FCSP wird auch nach diesem Spieltag Spitzenreiter der 2. Bundesliga sein. Aber wenn der FCSP das alles auch weiterhin sein möchte, dann müssen solche Spiele öfter gewonnen werden.
Immer weiter vor!// Tim
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