Union digital: affige Grüße aus Bad Gateway | OneFootball

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Textilvergehen

·15. Januar 2022

Union digital: affige Grüße aus Bad Gateway

Artikelbild:Union digital: affige Grüße aus Bad Gateway

Dass die Neuerungen, die Computer und das Internet in die Gesellschaft eingebracht haben, für viele von uns eine Herausforderung darstellen, ist nicht erst seit Angela Merkels Neuland-Rede eine Binsenwahrheit. Und es ist auch klar, dass die Chancen und Risiken des Netzes mittlerweile auch den Fußball und damit natürlich auch Union tangieren.

Union hat sich bisher recht schwer damit getan, besonders gut mit diesen Chancen umzugehen. Dafür kann man triviale Beispiele finden wie die Weise, in der die Aufstellung auf Social Media-Kanälen gepostet wird (wo man es sicherlich nie allen recht machen kann und das Ganze auch eine Geschmacksfrage ist). Aber es gibt im Bereich der Digitalisierung auch ein paar Dinge, die zu den wesentlichen Aufgaben des Vereins gehören. Hier ist natürlich vor allem der Onlineverkauf von Tickets und Merchandising zu nennen, aber auch Angebote wie AFTV sind eine Möglichkeit, die Bindung der Fans zu unterstützen und gerade in der Pandemie zu versuchen, die verlorengegangene Lagerfeuerromantik zumindest ein wenig ersatzweise zu schaffen. Zuletzt hat sich Union aber auch gefährlich nah am Abgrund von NFTs (später mehr dazu, was das ist) bewegt und damit gezeigt, dass auch die Risiken der digitalen Welt langsam mehr in den Fokus rücken. Aber bevor wir dazu kommen, sollten wir zunächst mal den bisherigen Weg nachvollziehen, den Union gegangen ist.


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Vorab: Es geht mir hier nicht darum, eine lange Beschwerdeliste aufzumachen, sondern zu zeigen, dass der Teufel oft im Detail steckt und dass es wichtig ist, ein Gefühl für die neuen Medien und Kommunikationswege zu entwickeln, um sie richtig zu nutzen und Probleme schnell zu entdecken.

Hier merkt man, dass Union einfach die Erfahrung auf diesem Gebiet fehlt – oder gefehlt hat. Denn der Verein hat zuletzt durchaus reagiert, im September 2021 die Geschäftsführung um einen “Geschäftsbereich Digitalisierung” erweitert und dessen Leitung mit Anja Kasper besetzt, die eben jene Erfahrung mitbringt. Die Baustellen sind allerdings zahlreich und umfangreich. Daher ist nicht damit zu rechnen, dass die Dinge sich von heute auf morgen ändern. Aber sie müssen dringend angegangen werden, wenn Union auf Bundesliga-Level mithalten möchte. Denn derzeit ist das digitale Engagement von Union vielleicht eher auf Regionalliga-Niveau.

Ticketing und Merchandising

Seit Jahren ist der Online-Kauf von Tickets für Unions Heim- und Auswärtsspiele eine Zumutung. Die Zeughaus-Website ist langsam, hält mit dem sprunghaften Ansturm bei Verkaufsstart von Tickets nahezu niemals mit und nervt dann auch noch mit einer Benutzerführung und Sprache, die einem die Haare zu Berge stehen lässt.

Wer auch nur einmal in der “Warteschlange” gelandet ist, wird die Verwirrung kennen, die von der Formulierung “Zugang erneut aktivieren. – Try again” ausgeht. Hier steht man wirklich eher im Wald als auf der Waldseite. Die Hilflosigkeit wird zum steten Begleiter.

Artikelbild:Union digital: affige Grüße aus Bad Gateway

“Zugang erneut aktivieren. – Try again.”, Screenshot: Union-Zeughaus

Das Problem ist hier natürlich vor allem, dass das ganze System mit absolut vorhersagbaren Sprüngen der Nachfrage nicht klarkommt (wir Techniker sagen gerne, “es skaliert nicht”). Aber die umständlichen Formulierungen und merkwürdigen Platzierungen von Menüeinträgen (warum erscheinen Verlosungen und die Abholung gewonnener Tickets in eigenen Menüs anstatt unter “Heimspiele”?) machen es Unionern noch zusätzlich schwer und erzeugen dazu eine überflüssige Belastung des Supports im Verein.

Man könnte jetzt noch über die kafkaeske Platzbuchung selbst lamentieren, in der laufend verfügbare Plätze signalisiert werden, die sich dann aber immer aus irgendwelchen Gründen nicht erwerben lassen. Käufe werden als abgeschlossen angezeigt, die User aber noch gar nicht abgeschlossen hatten und ähnliche Unstimmigkeiten mit kryptischen Erklärungsversuchen, die der Person am Computer auch nicht weiterhelfen.

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“Leider ist dieser Platz nicht buchbar!”, Screenshot: Union-Zeughaus

Und ich fange gar nicht erst an, wie sich das Ganze auf den mobilen Geräten (Smartphones, Tablets) präsentiert. Aber ich denke, dass diese Probleme nicht nur allen Unionern bekannt sind. Das dürfte auch im Verein klar geworden sein. Und man kann nur hoffen, dass das Zugwrack von Ticket-Website bald auf dem Abstellgleis landet, wo es hingehört (beziehungsweise in die Metallverwertung).

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“Leider nichts mehr frei!” Ich habe doch auch keine Ahnung, warum Sektor P grün ist! Screenshot: Union-Zeughaus

Gestörtes Anmeldewesen

Schon vor circa zwei Jahren gab es technische Veränderungen. Die furchtbar hässliche Homepage des Vereins wurde durch eine etwas ansehnlichere, aber immer noch ziemlich verwirrende ersetzt (findet man Meldungen zum nächsten Heimspiel unter Union Live oder Fussball?). Dort findet sich nicht mal eine einfache Suchfunktion über alle Inhalte hinweg.

Neben den optischen Änderungen hielt ein einheitliches Login Einzug, dass sich allerdings oft mehr als Reisebüro für den Urlaub in Bad Gateway empfiehlt denn als Vereinfachung des täglichen Online-Bedarfs.

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Grüße aus Bad Gateway, Screenshot: AFTV

Das ganze Anmeldewesen kann einen wahnsinnig machen, denn es funktioniert nicht im Ansatz zuverlässig. Zwar sind die Totalausfälle in letzter Zeit deutlich weniger geworden. Aber viel zu oft muss man sich immer und immer wieder anmelden, weil man mit dem Smartphone von WLAN auf mobile Daten gewechselt ist, zwischendurch sich noch mit einem anderen Gerät angemeldet hat oder vielleicht auch nur weil man ein paar Minuten mal gar nichts gemacht hat.

Oder man ist irgendeines anderen digitalen Vergehens schuldig geworden, von dem selbst ich nicht den Hauch einer Ahnung habe, was es sein könnte. Und manchmal kriegt man einen Fehler angezeigt, nur um danach festzustellen, dass es doch geklappt hat. Der Vorgang nervt einfach nur.

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Fehler 500, Screenshot: AFTV

So richtig gute Laune kriegt man, wenn man bei der wiederholten Aufforderung zur Neuanmeldung nach dem Klick auf “Login” ganz ohne Eingabe des Passworts eingeloggt ist. Wenn man nicht mal mehr ein Passwort eingeben muss, warum soll man sich dann überhaupt noch einmal anmelden? Die Antwort darauf weiß wohl nur der Fußballgott. Das ganze System ist einfach nur kaputt.

AFTV

Während das alles bei einem Bestellvorgang nur nervt, wird es richtig anstrengend, wenn man den kostenpflichtigen Fernsehdienst von Union in Anspruch nehmen möchte: AFTV. AFTV ist eigentlich ein sehr mageres Angebot, denn der einzige wirkliche Mehrwert eines Abos sind die vollständigen Spielaufzeichnungen. Die Spielerinterviews und Spieltagsvorschauen sind mittlerweile auch kostenlos auf YouTube zu finden und Union fällt wenig ein, das Programm interessant zu gestalten.

Vielleicht ist es unangemessen, sich für einen Dienst zu beklagen, der “nur” 3,95 EUR im Monat kostet (ja, es gibt eine Jahresgebühr von 39,95 aber im Sommer ist auf AFTV auch für zwei Monate nix los). Aber viele zahlen auch schon für die superteuren Live-Angebote von Sky und DAZN und es hat nun mal auch nicht jeder so dicke. Da, wie gesagt, die Spielaufzeichnungen und -zusammenfassungen das eigentliche Exklusiv-Angebot auf AFTV sind, zahlt man diesen Betrag im Prinzip also für die Möglichkeit, ein paar Szenen aus wenigen Spielen im Monat nachzuschauen.

Gut, man weiß, was man kriegt. Aber es wäre auch schön, wenn es dann funktionieren und dem Bedarf gerecht werden würde. Es hat schon Ewigkeiten gedauert, bis mal Spielstand und -zeit eingeblendet wurden und lange Zeit gab es die Spiele maximal in einer Auflösung von 720p, was es dann schon schwierig machte, die Rückennummern zuverlässig zu erkennen. In letzter Zeit wird aber immerhin auch 1080p (aka HD) geliefert und hat der Player auf der Website eine manuelle Einstellungsmöglichkeit für die Auflösung erhalten – das funktioniert aber zum Beispiel nicht auf dem Mac mit Safari. Und auf dem Telefon auch keine Chance. Schade, denn damit könnte man etwa endlich wertvolles Datenvolumen auf dem Telefon sparen oder sich die Möglichkeit eröffnen, das Spiel auch mit einem wackeligen WLAN im Zug zu verfolgen.

Die beiden Halbzeiten werden außerdem aus irgendwelchen Gründen separat vorgehalten, das Vorspulen zur zweiten Halbzeit ist knifflig bis unmöglich. Manchmal wird einem dann auch zweimal die erste Halbzeit angezeigt, weil alles irgendwie nicht funktioniert. Man kann keine Abspielgeschwindigkeit einstellen (manchmal will man eine Szene langsam sehen, manchmal ein Spiel vielleicht mal im Zeitraffer beobachten) und alle Kontrollelemente sind so klein, dass man sich permanent verklickt. Es gibt keine leichte Möglichkeit, mal 10 Sekunden zurückzuspulen und wenn man Pech hat, schnappt der Player irgendwann komplett ein und man muss alles neu laden und sich minutenlang zu der Stelle vortasten, wo man mal gewesen ist, weil sich die Seite das nicht merken kann. Und es gibt keine Synchronisation mit der Spielzeit (oder die Möglichkeit, zu einer bestimmten Spielminute zu springen). Es ist wirklich zum Mäusemelken.

Artikelbild:Union digital: affige Grüße aus Bad Gateway

“Failed to execute ‘appendBuffer’ on “‘SourceBuffer”: The SourceBuffer is full, and cannot free space to append additional buffers”. Alles klar. Screenshot: AFTV

Ich will mich wirklich nicht aufregen, aber Umfang und Ausführung des Angebots sind im Jahre 2022 einfach technisch nicht mehr zeitgemäß. Und so macht es keinen Spaß.

Apps

Artikelbild:Union digital: affige Grüße aus Bad Gateway

Hier fehlt irgendwas … Screenshot: iOS-App Store

Ich bin nicht der Meinung, dass die Welt für jeden Scheiß eine eigene App braucht. Aber mal ehrlich: für einen Bundesliga-Verein könnte das schon ganz praktisch sein. Der Screenshot aus dem iOS App Store oben entstand, als Union seine alte App vorübergehend aus dem Angebot genommen und erst später durch eine neue ersetzt hat. Aber man hätte das auch gleich bleiben lassen können, denn auch danach blieb das Angebot mager.

Zeughaus und AFTV sind hier nur über einen eingebauten Web Browser “integriert” und lassen sich dadurch noch schlechter bedienen als ohnehin schon. Ansonsten gibt es ein paar Meldungen von der Website, eine Bundesliga-Spieltagsübersicht und Tabelle der Profimannschaft. Das war’s. Kein Mitgliederlogin, keine Möglichkeit seine Tickets oder Dauerkarte zu speichern oder sonst irgendwas.

Ich weiß, die aktuellen Webseiten in ihrem Dauerbaustellenzustand sind vermutlich null geeignet, eine solche Integration zu ermöglichen, und vermutlich ist das in Arbeit. Aber dann hätte man die App auch einfach weglassen können. Die App sollte nicht nur eine Website-in-anderen-Schläuchen sein, sondern eine echte Schnittstelle der Mitglieder zum Verein.

Social Media

Im Bereich Social Media tut sich Union nicht ganz so schwer. Ich persönlich stecke ja eher in der vom Präsidenten gelegentlich verhöhnten Twitterblase fest und kann und will mir über das Engagement auf Meta-Plattformen wie Facebook und Instagram kein Urteil anmaßen, die ich aus Gründen wenig bis gar nicht frequentiere.

Unions Twitter-Präsenz ist spontan und sehr lustig und vor allem auch schon mehrsprachig (auf Deutsch und Englisch). Pressemeldungen und sonstige Geschehnisse werden schnell und brauchbar verkündet oder kommentiert. Außerdem ist man sich nicht zu schade, sich auch mal zum Obst zu machen oder ein paar Kalauer rauszuhauen. Das finde ich gut.

Vor allem gefällt mir, dass Union sich bisher auch nicht dazu hinreissen lässt, das Ganze als ausgelagerten Werbekanal ihrer Sponsoren zu mißbrauchen. Klar, auf gemeinsame Aktionen wird hingewiesen und so weiter und so fort. Das ist auch okay und ließe sich auch kaum anders machen. Trotzdem tritt Union hier “unionig” auf: sich nicht zu ernst nehmen, in den Dialog mit den Fans treten, auch mal ‘nen Spruch raushauen, aber dabei freundlich bleiben. Das passt, da gibt’s nix zu meckern.

Aber man merkt auch, dass Union teilweise noch wenig Erfahrungen mit der digitalen Welt hat – und das kann schnell nach hinten losgehen, wie sich beim jüngsten Spieltagsinterview gezeigt hat.

Falle Internet

Ich möchte vorweg stellen, dass ich die Spieltagsinterviews zuletzt doch recht unterhaltsam fand. Das gilt vor allem, seit Katharina Brendel diese Aufgabe von Christian Arbeit übernommen hat. Ihre offene und herzliche Art, ihr Humor und grundsympathische Natur hat dieses Segment in Unions Medienangebot zu einem Spitzenprodukt gemacht.

Und für das zweiteilige Interview mit Max Kruse (Teil 1, Teil 2) würde ich ihr am liebsten den Grimme-Preis verleihen. Ich kann mich nicht erinnern, mich bei einem Fußballspieler-Interview in meinem Leben jemals so weggeworfen zu haben vor Lachen. Einfach. Pures. Gold.

Mit der selben Unbedarftheit ging sie nun auch an das Interview mit Kevin Möhwald heran, der auch genauso sympathisch und unbedarft mit in den Ring gestiegen ist.

Nach dem üblichen Chit-Chat über seine persönliche Fußballgeschichte und seine Ankunft bei Union ging es dann noch um seine Aktivitäten im Netz. Er erzählt dann emsig von seinen Streifzügen auf TikTok und wie er dann auf “Videos gestoßen” sei, die “bei Sachen mit Crypto” sich mit “NFTs” beschäftigen und weil er sich gerne “über solche Dinge beliest”, sei er dann in den Markt der “virtuellen Kunst” eingestiegen.

Ich vermute mal, die meisten von Euch wissen mit dem Begriff NFT nicht viel anzufangen und so geht es natürlich auch Katharina, die sich “auch erst mal belesen” musste. Sie verweist dann darauf, dass “Möh” ja selbst so ein “NFT” hat und zwar einen “Affen im Union-Trikot”. Das sieht dann so aus:

Katharinas Frage, warum Leute für sowas Geld ausgeben, kann sich Kevin dann auch nicht so recht erklären, aber das ist ihm auch egal. Er sieht da “Chancen für sich persönlich” und will sich da “ein bisschen weiterbilden”, am Ende würde das der “Markt hergeben”, er ist ja “offen für Neues”. Damit ist der Themenblock im Interview auch abgeschlossen und steht ein wenig einsam im Raum.

Was ist jetzt das Problem und warum erwähne ich das hier? Nun, das ist leider nicht ganz einfach zu erklären, aber ich will es trotzdem mal versuchen.

Kryptische Begriffe

Wenn hier von “Crypto” geredet wird, dann ist damit der Markt der Crypto Currencies (Kryptowährungen) gemeint, die genau genommen keine Währungen sind. Dafür aber ein Sektor, in den viele Leute gerade sehr viel Geld reinstecken in der Hoffnung, am Ende als Gewinner herauszugehen, weil später noch andere Leute kommen, die einem dieselben Bithaufen für noch mehr Geld wieder abkaufen.

Die ganze hier in Stellung gebrachte Kryptographie (Verschlüsselungs-Technologie) stellt sicher, dass jeder dieser Bithaufen nur einmal gekauft und wieder verkauft werden kann. So weit, so kompliziert. Aber für das daraus entstehende System des finanziellen Hin-und-Hers gibt es ein Wort: es ist ein Schneeballsystem, auch wenn die Befürworter dieser Szene das natürlich ganz anders sehen und der Idee weltenheilende Eigenschaften zuschreiben.

Aber vor allem ist es ein extrem unübersichtlicher und hochgradig unregulierter Spekulationsmarkt. Unreguliert heißt, dass hier Investitionen weder durch Gesetze noch Einlagen abgesichert sind und ein sehr hohes Risiko besteht, dass man sein ganzes Geld einfach nur verliert, besonders, wenn man sich “da noch ein bisschen einlesen muss”. Wäre Kryptogeld eine normale Geldanlage, wie sie jede Bank vermittelt, müsste der Finanzberater hier entsprechende Warnungen mit herausgeben, dass genau dieses Problem droht.

Das geschieht in diesem Interview mit keiner Silbe. Niemand weiß hier offenbar, wovon überhaupt die Rede ist und man quatscht einfach mal so daher.

Das wird nicht einfacher durch das Buzzword-du-jour NFT. Hinter dieser trockenen Abkürzung steckt der nicht weniger verwirrende Begriff Non-Fungible Token und man kann da jetzt viel drüber erzählen, aber im Kern handelt sich um eine Art Kryptogeldschein, dem man einen kleinen Text hinzufügen kann. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Findige Kryptogeldhaie sind nun auf die Idee gekommen, in diesen Text eine stinknormale Webadresse zu packen, die in der Regel auf irgendeine merkwürdige Website mit viel bunten Bildern zeigt. Erwirbt man also dieses “Token”, soll das den “Kauf” eines Bildes symbolisieren, auf den diese Webadresse letztlich zeigt.

Und das ist dann auch schon das Problem: der Kauf “symbolisiert” etwas, mehr aber auch nicht. Es gibt keine Eigentumsbescheinigung, keine Rechteüberschreibung, keinen Kaufvertrag. Nichts. Und man “kauft” nur den kleinen Text mit der Webadresse, und nicht das, worauf es zeigt oder was dahintersteht.

Wer übrigens den gelangweilt dreinschauenden Affen in Möhs “virtueller Kunst” für sonderlich kreativ hält, dem sei noch gesagt, dass es sich hierbei um ein Mem handelt, das sich in der Krypto-Unkultur um diese NFTs entwickelt hat und, wie das bei Memes so ist, von jedem in leicht abgewandelter Form kopiert wird. Soziologisch mag das interessant sein, Kunst ist es vielleicht nicht. Und das Wort virtuell gehört eh langsam mal in die Mottenkiste. Virtuell sind hier nur die Vorstellungen, es würde sich dabei um irgendwas Besonderes handeln.

Letztlich ist dieser ganze NFT-Unsinn nichts anderes als eine Masche, um Leuten Geld aus der Tasche zu ziehen und ihnen dafür heiße Luft in Dosen zu überreichen. Es ist so lächerlich, man kommt aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr heraus.

Union auf dünnem Eis

In diesem neuen “Markt” ist also nun unser unbelesener Mittelfeldspieler unterwegs und verkauft quasi Schlangenöl im Internet. Und das dann auch unter Zuhilfenahme des Logos des 1. FC Union Berlin, der Wortmarke des Hauptsponsors und dem Design des Trikotsponsors. Und als ob das alleine nicht schon problematisch genug wäre, veröffentlicht Union auch noch ein Video dazu, indem das ganze genüsslich und putzig kommentiert wird, als hätte Kevin Möhwald gerade angefangen, selbstgemachte Batik-Schals auf dem Flohmarkt zu verkaufen.

Um das gleich klarzustellen: Es ist sehr offensichtlich, dass Kevin Möhwald nicht die Spur einer Ahnung hat, was er da eigentlich gerade tut und wohl irgendwie angemessen findet, scheinbar ohne sich ausreichend dazu “belesen” zu haben.

Und es ist auch offensichtlich, dass Union hier als Gesamtapparat das Thema noch gar nicht auf der Kette hat und die Medienabteilung es nur irgendwie niedlich findet und dabei nicht merkt, dass sie gerade ihre eigene Marke und auch die ihrer Sponsoren in ein Licht stellen, von dem ich denke, dass sich Union davon so weit entfernen sollte wie nur irgendwie möglich. Denn diese Kryptogeldwolke ist schlicht fleischgewordener Turbokapitalismus mit libertärem Deckmantel, der uns noch sehr viel Ärger machen kann. Und der NFT-Unsinn ist derzeit nur die Kirsche auf der Torte, die einem schnell ins Gesicht fliegen kann.

Die Kryptogeld-Szene wendet sich derzeit aufgrund seiner Strahlkraft überall dem Sport zu: Manchester City ist eine “Partnerschaft” mit einem Unternehmen aus dieser “Branche” eingegangen, von dem sich wenig später heraus stellte, dass es gar nicht existiert (woraufhin der Club die “Partnerschaft” beschämt wieder auflösen musste – wie auch immer das geht, wenn es das Gegenüber nicht gibt). Ähnlich erging es – auf noch bizarrere Weise – dem Basketball-Franchise Philadelphia 76ers aus der NBA. Und das sind keine Einzelfälle, das Phänomen breitet sich gerade überall auf der Welt aus.

In der Bundesliga ist es bisher allen voran Chemie Leverkusen, die sich einen entsprechenden Ärmelsponsor herangezogen haben. Man muss sich nur die Selbstbeschreibung des Sponsors Floki durchlesen, um die Nadel des Bullshit-O-Meters komplett auf Anschlag zu bringen:

Floki ist die Kryptowährung für alle und ein Projekt, das darauf abzielt, die Kryptoindustrie zu revolutionieren, indem es einen soliden Wert bietet und gleichzeitig die Möglichkeiten von Memes nutzt, um die Attraktivität und Akzeptanz des Produktes sicherzustellen. Um die Kryptowährung zu etablieren und jeden daran teilhaben zu lassen, entwickelt Floki ein PlayToEarn NFT-Gaming-Metaverse, einen NFT- und Merchandise-Marktplatz und eine Krypto-Bildungsplattform.

Ich will hier kein Faß aufmachen, aber es sollte klar sein, dass es mindestens eine offene Debatte ist, ob der Stromverbrauch dieser ganzen Kryptogeldlandschaft, der den Umfang eines mittelgroßen Staates aufweist, der Rettung des Klimas so zuträglich ist und ob es darüber hinaus angemessen ist, über die Kanäle von Union so unreflektiert über Anlagesysteme zu sprechen, die ein enormes Ausfall- und auch Betrugsrisiko haben.

Wer schon Probleme mit den Kooperationen mit Wettanbietern hat (leider ist Union auch hier nicht frei davon), dem sollte dieser Trend erst richtig Kopfschmerzen machen. Im Sport sind schließlich bereits andere Pyramidensysteme weit vorgedrungen und werden von bekannten deutschen Trainern in fühligen Werbespots oder übertragenden Sendern dem Volk empfohlen. Die neuen Kryptomilliarden heizen das Spiel jetzt noch weiter auf.

Fazit

Union braucht dringend digitale Fortbildung. Wenn man mit den Großen mitspielen will, muss man auch wissen, worüber man redet und wie man sich mit der Zukunft einrichtet. Ich möchte nicht, dass Union es sich in einem “PlayToEarn NFT-Gaming-Metaverse” gemütlich macht.

Union sollte sich daher auf sein Kerngeschäft konzentrieren. Das heißt hier: die digitalen Dienste aus der Perspektive der Fans aufbauen und sich darum bemühen, ihnen damit einen wirklichen Mehrwert zu bieten – und sich von windigen Geschäftemachern speziell aus der Finanz-, Wett- und speziell der Kryptogeldbranche fernhalten.

Und unser Präsident sollte überlegen, ob die “Twitterblase” unter den Unionern nicht vielleicht auch ganz hilfreich sein könnte, diesen Wandel zu gestalten. Denn der eine oder die andere da müssen sich vielleicht nicht mehr so viel “belesen”, wenn es um digitale Fragen geht. Nachdem hier zuletzt viel Porzellan zerschlagen wurde, könnte man ja vielleicht in Zukunft Schulter an Schulter gemeinsam den Herausforderungen des digitalen Zeitalters entgegen gehen.

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