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·26. Dezember 2019
U19-Trainer Stefan Ruthenbeck im Interview: „Die wollen einfach jedes Spiel gewinnen!“

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·26. Dezember 2019
Stefan Ruthenbeck arbeitet seit Sommer 2017 für den 1. FC Köln. Zuerst stieg er als Cheftrainer der U19 in der Bundesliga West ein, bevor er im Dezember 2017 bei den Profis Interimstrainer wurde. Zu diesem Zeitpunkt war der Abstieg des FC schon absehbar. Nach diesem Intermezzo rückte Ruthenbeck wieder in die U19, mit der er in der vergangenen Saison fast in die Endrunde der deutschen Meisterschaft eingezogen wäre. Wenig später gewann er mit seiner Mannschaft den FVM-Pokal. Aktuell führt der Cousin des ehemaligen FC-Trainers Markus Anfang mit seiner U19 die Bundesliga West an.
Wir trafen Ruthenbeck im Restaurant des Geißbockheims und sprachen mit ihm über den Stand der Jugendausbildung, die Infrastruktur im Grüngürtel und die Herausforderungen für junge Spieler.
effzeh.com: Zunächst ein Rückblick auf die letzte Saison: Ihre U19 verpasste die Teilnahme an der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft im letzten Spiel gegen Bayer Leverkusen. Wie schwer war es da für Sie, Ihre Spieler wiederaufzurichten?
Stefan Ruthenbeck: Es war gar nicht schwierig. Natürlich ist es für uns wichtig und auch elementar in der Ausbildung, dass man Erfolge feiert, dass man Deutscher Meister wird, ins Halbfinale kommt, aber nichtsdestotrotz sollte immer die Entwicklung der einzelnen Spieler Vorrang haben. Und die Entwicklung der letztjährigen U19 war enorm. Ob das Darko Churlinov war, oder Tomas Ostrak, Noah Katterbach, Dominik Becker, Vincent Müller, man könnte noch so viele Jungs nennen. Das Erreichen der Endrunde wäre das i-Tüpfelchen gewesen.
Aber diese eine Niederlage hat das, was wir in diesem Jahr erreicht haben, nicht geschmälert. Als Trainer im Jugendbereich müssen wir immer das große Ganze sehen, und da haben wir vieles richtig gemacht. Wenn man sich an den Spielverlauf erinnert, sollte es an diesem Tag einfach nicht sein. Wir haben auch die Endrunde nicht aufgrund dieses einen Spiels verpasst, sondern weil wir während der Saison unglückliche Phasen hatten, in denen wir viel liegengelassen haben. Wir hatten Verletzungen und Krankheitsfälle, die wir in diesen Phasen einfach nicht kompensieren konnten. Deshalb sollten wir es nicht an diesem einen Spiel festmachen.
Ihre Mannschaft hat ja immerhin auch den Pokal gewonnen…
Was die Woche drauf passiert ist, mit dem Endspielsieg im Pokal, das war einfach großartig, und das habe ich den Jungs dann auch gesagt. Wir haben das gleiche Spiel gegen den gleichen Gegner gespielt, hatten zudem noch einige Verletzte mit Luca Schlax und Oliver Schmitt zum Beispiel, haben dann aber mit einer tollen Mannschaftsleistung Leverkusen 1:0 geschlagen, das fand ich sensationell. Das zeigt mir dann, wieder bezogen auf die ganze Saison, dass wir vieles richtig gemacht haben. Wir haben über die gesamte Saison hinweg den Ausbildungscharakter in den Vordergrund gestellt, wir haben Spieler aus der U17 hochgezogen und ihnen Einsatzzeit gegeben. Wenn man sieht, was sich daraus entwickelt hat, auch wenn wir die Endrunde nicht erreicht haben, war das wirklich eine top Saison.
Sie haben die Bedeutung des Ausbildungscharakters in der Arbeit mit der U19 angesprochen, sicherlich eines der wichtigsten Ziele in der Nachwuchsarbeit. Ein anderes wichtiges Ziel ist es, in Wettbewerben möglichst gute Ergebnisse zu erzielen und, wenn möglich, Titel zu gewinnen. Das sind zwei Ziele, die gleichzeitig verfolgt werden. Ist dies immer völlig konfliktfrei möglich? Nein. Um Spieler auf das vorzubereiten, was auf sie zukommt, muss man manchmal Dinge tun, die dem zu erzielenden Ergebnis in einem Spiel nicht immer zuträglich sind. Wir müssen in einem U19-Spiel Situationen schaffen, mit denen wir die Spieler darauf vorbereiten, was bei den Profis auf sie zukommt, Einwechslungen, Auswechslungen oder taktische Umstellungen. Wenn ich immer nur an das Ergebnis denken würde, müsste ich manche Entscheidungen im Spiel anders treffen. Es geht dabei auch um mein Coaching. Es gibt Spiele, in denen ich bewusst sehr viel coache, um mich dann im nächsten Spiel zurückzunehmen. Zum Beispiel arbeiten wir mit Leader-Workshops, in denen Kompetenzen vermittelt werden, die Spielern dabei helfen, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Indem ich mich zurücknehme, bedingt das viel Arbeit unter der Woche, weil ich die Mannschaft dann anders vorbereiten muss.
Sie erwähnten gerade die sogenannten „Leader-Workshops“. Was genau kann man sich darunter vorstellen?
Mehrmals im Jahr gibt es diese Weiterbildungsmaßnahmen für die Spieler, denen wir zutrauen, eine Mannschaft zu führen und Verantwortung zu übernehmen. Das ist aber etwas, was die Spieler im Alter von 17 oder 18 erst noch lernen müssen. Welche Strategien sind hilfreich, um eine Mannschaft zu führen? Welche Signale gebe ich den Mitspielern? Dies alles wird in den Seminaren erarbeitet, damit die Spieler, die Verantwortung übernehmen, wissen, wie sie in Stresssituationen mit den Jungs, die vielleicht nicht so stabil sind, umgehen können. Sie müssen Empathie entwickeln, lernen, sich in ihre Mitspieler hineinzuversetzen.
Was sind weitere Maßnahmen in diesem Zusammenhang?
Es geht dabei um Trainingsimpulse. Wir haben zum Beispiel mal eine Trainingswoche vor einem Spiel zur Englischen Woche gemacht, obwohl wir vom Spielplan her gar keine Englische Woche hatten und die in der U19-Bundesliga auch kaum vorkommen. Wir sind in der betreffenden Woche sehr hohe Belastungen gefahren in dem Bewusstsein, dass die Spieler gegen Ende der Woche auch mal schwere Beine haben würden. Damit wollten wir sie dafür sensibilisieren, was sie etwa in der Bundesliga in einer Englischen Woche erwartet. Sie sollten ein Bewusstsein dafür entwickeln, wie sie in einer derart hohen Belastungsphase mit ihrem Körper umgehen.
Worum geht es da genau?
Es geht darum, dass sie dabei lernen, sich dann entsprechend zu ernähren, für ausreichend Erholungsphasen, aber auch für genügend Schlaf zu sorgen. Dazu hatten wir in der letzten Saison Phasen, in denen wir auf die Jungs Rücksicht nehmen mussten, die im Abiturstress waren. Die haben dann auch mal weniger trainiert. Dabei haben wir nicht nur die Erfolge am Wochenende im Blick, sondern die ganzheitliche Entwicklung der Jungs. Es ist eben auch wichtig, dass sie eine gute Ausbildung haben. Wir sind hier als Pädagogen viel mehr gefragt als im Profibereich.
Welche Rolle spielt dabei der Wettbewerb?
Natürlich versuchen wir immer, den Ausbildungsaspekt und den Wettbewerbsaspekt zu verbinden. Denn letztendlich nutzt es dem FC nichts, wenn die U19 Deutscher Meister wird, aber keiner der Jungs den Sprung zu den Profis schafft. Sportlicher Erfolg ist natürlich wichtig, aber schlussendlich müssen sich unsere Entscheidungen daran messen lassen, welche Auswirkungen sie auf die Entwicklung der Spieler haben. Ein Beispiel: Wir hatten in der letzten Saison viele Optionen im Offensivbereich, so dass dann z.B. auch ein Tim Lemperle, Oliver Schmitt oder Sebastian Müller zunächst auf der Bank saßen. Das haben wir bewusst so gemacht und den betreffenden Spieler gefragt: „Was erwartet Dich, wenn Du oben ankommst beim 1.FC Köln? Wirst Du direkt unter den ersten elf Spielern sein oder musst Du Dich erst in die Mannschaft ‚reinarbeiten?“ Die Antwort war gewöhnlich: „Ich muss mich erst ‚reinarbeiten.“ Das war dann auch ihr Auftrag in der U19. Wichtig ist bei solchen Dingen, dass man die Jungs immer mitnimmt und ihnen erklärt, warum man etwas macht.
Noch einmal zum Ausbildungscharakter Ihrer Arbeit in der U19: Frank Ploeger, Mitglied der 1990er B-Jugendmeistermannschaft, sagte in einem Interview, dass Frank Schaefer, sein damaliger Trainer, sich sehr für die Schulleistungen seiner Spieler interessierte. So habe es bei schlechten Noten Trainingsverbote gegeben. Ist dies heute auch noch so? Auch da spielt der Aspekt einer ganzheitlichen Ausbildung eine wichtige Rolle. Ich kann sicherlich nicht erwarten, dass jeder Spieler einen Einser-Schnitt auf dem Zeugnis hat, aber ich kann erwarten, dass sie zum Unterricht gehen, ihre Hausaufgaben machen und den Nachhilfeunterricht wahrnehmen. Wenn dies nicht der Fall ist, trainieren sie nicht.
Vor der jetzigen Saison hat es einen riesigen Umbruch bei der U19 gegeben. So haben 19 Spieler das Team verlassen, 17 neue Spieler sind dazugekommen. Unter den Abgängen war mit Can Bozdogan ein Spieler, der zur U19 von Schalke 04 gegangen ist. Bedauern Sie seinen Wechsel? Wir werden es nicht schaffen, alle Spieler hier unterzukriegen. Wir nehmen für uns in Anspruch, dem ein oder anderen zu sagen, dass es nicht reicht. Und genauso kann dies auch ein Spieler machen. Can hat sich für einen anderen Verein entschieden, und das ist auch völlig in Ordnung so. Wir haben uns im Guten getrennt, er ist jetzt Stammspieler der U19 von Schalke 04 und wird seinen Weg machen.
Mit Noah Katterbach, Darko Churlinov, Luca Schlax und Oliver Schmitt haben vier Spieler der letztjährigen U19 problemlos den Sprung in den Seniorenbereich geschafft, Katterbach sogar bei den Profis. Hatten Sie damit gerechnet? Das hat uns nicht überrascht, denn die letztjährige U19 war ein toller Jahrgang. Dazu Vincent Müller, der Stammtorwart in Würzburg ist, Dominik Becker als Stammspieler bei Werder Bremen II, und auch Tomas Ostrak hat seine Einsätze in der österreichischen Bundesliga. Manchmal ist der Schritt zu einem anderen Verein sinnvoll, denken Sie an Sven Sonnenberg, der mittlerweile Stammspieler bei Hansa Rostock ist. Trotzdem sind das alles Jungs, die beim FC ausgebildet wurden. Das macht uns stolz.
Zwei externe Neuzugänge zur U19 waren zur neuen Saison zu verzeichnen, Mathias Olesen, luxemburgischer U-Nationalspieler, und Sava Cestic von Schalke 04. Wie sind Sie mit ihren Leistungen zufrieden? Mathias Olesen kam von Eintracht Trier zu uns, hat in der luxemburgischen U21-Nationalelf gespielt, besaß allerdings noch keine NLZ-Erfahrung. Deshalb hat er in dem halben Jahr sehr viel für sich aufgenommen. Er hat einen Riesenschritt gemacht und eine wirklich gute Entwicklung genommen. Sava Cestic ist ebenfalls eine wesentliche Verstärkung. Wir haben mit Oubella, Voloder und Cestic drei richtig gute Innenverteidiger. Im Sinne der Ausbildungsidee macht jedoch eine Dreierkette nicht viel Sinn, deshalb müssen wir versuchen, dass diese drei als Innenverteidiger ausreichend Minuten bekommen. Jeder der drei war deshalb auch schon bei der U21 dabei, um mit der entsprechenden Rotation Einsatzzeiten in beiden Mannschaften zu erhalten. Sava ist ein prima Junge, der schon sehr reif für sein Alter ist.
Zu den beiden externen Neuen haben Sie 15 Spieler aus der U17 dazubekommen. Damit sind deutlich mehr Spieler aus dem jüngeren Jahrgang im Kader. Ist das nicht ungewöhnlich?
Das stimmt, in den U19-Bundesligen stellen wir mit Bayern München zusammen die jüngste Mannschaft. Wir haben an jedem Spieltag zwischen acht und zehn Spielern, die noch jüngerer Jahrgang sind, von den vierzehn, die einzusetzen sind, und das ist schon enorm. Wir spielen gut, sind aber wie auch die Mannschaft der Meinung, dass es noch besser geht, und dafür haben wir mit diesen Jungs jetzt auch die Zeit.
Sehen wir uns den Kader genauer an: Sie haben auf der Torhüterposition mit Daniel Adamczyk und Vincent Friedsam zwei U-Nationalspieler, von denen aber nur einer spielen kann. Wie gehen Sie mit dieser Problematik um? Vincent Friedsam hat in dieser Saison bisher nur ein Spiel bestritten, das DFB-Pokalspiel gegen Mainz, fiel dann aber zunächst mit einer Schambeinentzündung und später mit einem Handbruch aus. Daniel Adamczyk hat alle Spiele in der Junioren-Bundesliga bestritten, er ist Jungjahrgang, wie Friedsam auch, hat aber seine Sache sehr, sehr gut gemacht. Zur Vorbereitung nach der Winterpause wird Friedsam aber wieder fit sein, und wir freuen uns über diesen Konkurrenzkampf.
In der nächsten Saison wird es ebenfalls ein Überangebot an Torhütern geben, dann bekommen Sie mit Jonas Urbig einen weiteren U-Nationalspieler dazu … … und Max Hagemoser nicht zu vergessen, der lange verletzt war, aber auch ein großes Torwarttalent ist. Wir haben viele gute Torhüter und werden mit jedem gemeinsam überlegen, welcher Weg am meisten Sinn macht. In der U21 können diese Jungs ja theoretisch auch zum Einsatz kommen. Das werden wir mit Andreas Menger besprechen und gute Lösungen für unsere Nachwuchskeeper finden.
Im Kader haben Sie mit Sebastian Müller, Tim Lemperle, Jan Thielmann und Marvin Obuz vier offensive Spieler, die eigentlich, wenn keine Verletzung oder Sperre vorlag, immer gespielt haben. Bedeutet das, dass Sie ein 4-2-4- System spielen? Es ist sogar eher ein 4-1-5. Wir spielen mit fünf defensiven und fünf offensiven Spielern. Wir spielen Viererkette plus Mathias Olesen auf der 6. Dazu kommen die fünf Offensivspieler Marvin Obuz, Tim Lemperle, Joshua Schwirten, Sebastian Müller und Jan Thielmann. Wir sind da sehr flexibel, zum Beispiel auf der linken Seite mit Erkan Akalp und Marvin Obuz, die beide sehr viel unterwegs sind und deren Positionen schon fließend sind. Ich hatte mich mit Arne Barez, dem Trainer von Preußen Münster und Chefredakteur der Trainerzeitung „Fußballtraining“, unterhalten, der mir sagte, dass er kaum ein U19-Team kenne, dass so viele offensive Optionen gegen tiefstehende Mannschaften hat wie der FC.
„Wir haben eine Palette von Ideen und kreieren sehr viele Torchancen.“
Trotzdem kann ein Spiel so laufen wie zuletzt in Münster, wo wir 0:0 gespielt haben, ein Chancenverhältnis von 12:2 hatten, aber kein Tor erzielen konnten. Wir fokussieren uns dann auf andere positive Aspekte, so haben wir es aufgrund unserer Spielkontrolle geschafft, nicht zu verlieren. Das sind Entwicklungen, die enorm wichtig sind. Darüber hinaus ist es unser Ziel, Spieler wie zum Beispiel Jakob Jansen auf ein anderes Niveau zu hieven, so dass die Konkurrenzsituation im Verhältnis zu den Spielern steigt, die bisher viel gespielt haben.
Obwohl Sie mit fünf offensiven Spielern antreten, hat Ihre U19 in 14 Bundesligaspielen nur sieben Gegentore hinnehmen müssen. Kann man daraus schließen, dass die gesamte Mannschaft sehr gut mit nach hinten arbeitet? Wir spielen ein extremes Gegenpressing. Wir haben nach Ballverlust Strategien entwickelt, wie wir den Ball möglichst schnell zurückerobern, und das machen die vorderen Spieler richtig gut. So war es spannend zu sehen, wie oft wir gegen eine gute Mannschaft wie Borussia Mönchengladbach nach Ballverlusten den Ball wieder zurückerobert haben. Wir sind zwar nicht immer durchgekommen, aber hatten so eigentlich stets die Spielkontrolle. Das zeigt dann einfach, dass die Mannschaft die Konterverteidigung wirklich gut beherrscht. Und nur sieben Gegentore zu bekommen, ist schon sehr, sehr ordentlich.
Wenn man Spiele Ihrer U19 sieht, bekommt man von außen den Eindruck, dass das ein ausgesprochen williges Team ist. Bestätigt das Ihre Innensicht? Absolut, die Spieler haben einfach eine sehr gute Mentalität. Das war neben der hervorragenden spielerischen Qualität auch ausschlaggebend für die Erfolge der U17 in der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft. Spieler wie Marvin Obuz, Jan Thielmann oder Sebastian Papalia, der momentan noch nicht so viel spielt, haben eine Top-Mentalität. Die wollen einfach jedes Spiel gewinnen.
Haben Sie in der Saisonvorbereitung zur aktuellen Saison geglaubt, dass die Mannschaft nach 14 Spielen mit 33 Punkten auf dem ersten Tabellenplatz steht, drei Punkte Vorsprung auf den Tabellenzweiten hat und erneut gut im Rennen um die Teilnahme an der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft liegt? Zu diesem Zeitpunkt konnten wir das noch nicht sagen, denn zum einen wussten wir noch nicht, wie sich die Neuzugänge integrieren, zum anderen war uns bewusst, dass es für die zur U19 aufgerückten Spieler der U17-Meistermannschaft schwieriger werden würde, wieder richtig gierig zu sein. Dazu müssen einige damit umgehen, dass sie in der letzten Saison teilweise Stamm gespielt haben, in diesem Jahr aber noch nicht auf viele Einsatzminuten gekommen sind. Ein absolutes Positivbeispiel ist Jan Thielmann, der trotz der kurzen Pause von nur 10 Tagen vom ersten Training an funktioniert hat. Und nochmal: Die Mannschaft hat neben ihrer hohen fußballerischen Qualität eine fantastische Mentalität, und nur so können solche Ergebnisse zustande kommen.
Nach der Winterpause stößt ein weiterer Neuzugang zu ihrer U19, der südkoreanische U18-Nationalspieler Jae-Hwan Hwang. Wie kam dieser Transfer zustande? Die südkoreanischen U-Nationalmannschaften bereiten sich auf große Turniere manchmal in Hennef vor und tragen dann auch Freundschaftsspiele in der Region aus. Hwang ist 2017 zum ersten Mal in unser Blickfeld geraten, als die Südkoreaner gegen unsere U17 7:0 gewonnen haben. Im Jahr darauf habe ich dann mit der U19 gegen die U18 Südkoreas 2:2 gespielt, und da ist uns wieder einer der Spieler aufgefallen. Wir haben uns dann schlau gemacht, und es stellte sich heraus, dass es der gleiche Spieler war wie im Jahr davor. Wir haben ihn dann für eine Woche eingeladen und mittrainieren lassen, und da hat er uns absolut überzeugt.
Welche Position spielt er genau? Er kann ganz vorne spielen, aber auch auf der 10 oder auf beiden Außenbahnen. Diese Mentalität bringen Spieler aus Südkorea oder Japan immer mit, sie sind sehr flexibel und einfach stets bereit, auf welcher Position auch immer das Beste herauszuholen.
Jae-Hwan Hwang kommt als 18-Jähriger aus Südkorea in eine ihm weitgehend unbekannte Umgebung und Kultur. Welche Maßnahmen wird der Verein ergreifen, um ihm bei der Integration behilflich zu sein? Jae-Hwan hat im Oktober in Südkorea einen sehr guten Schulabschluss gemacht, und ist dann in unser Internat gezogen. Er hätte auch sofort zur U21 stoßen können, aber wir haben die U21-Spieler nicht mehr im Internat. Deshalb haben wir auch im Sinne der Integration beschlossen, ihm dieses halbe Jahr im Internat mit seinen Mannschaftskameraden aus der U19 zu geben, damit er sich optimal eingewöhnen kann. Er hat auch regelmäßig Deutschunterricht, außerdem wird er von unseren Pädagogen begleitet, so dass er auch neben dem Fußballplatz genug zu tun hat. Wir können uns mit ihm auf einen spannenden Spieler freuen.
Wie ist die Situation der beiden Langzeitverletzten Meiko Sponsel und Georg Strauch? Meiko Sponsel hat sich zu Beginn der Saison eine schwere Schulterverletzung zugezogen. Er war ein aussichtsreicher Kandidat für die rechte defensive Außenposition. Georg Strauch hat zu Beginn der Saison starke Leistungen gezeigt, fiel dann aber leider ebenfalls langfristig aus. Beide haben vor der Winterpause wieder das Training aufgenommen, so dass sie mit Beginn der Wintervorbereitung wieder voll dabei sind, was auch wichtig ist.
Alle Welt spricht über die unzureichenden Trainingsbedingungen für den Nachwuchs am Geißbockheim. Wie sehen Sie dieses Thema? Wir widerlegen das ja gerade ein bisschen mit den Ergebnissen in der Jugend, aber ich glaube, dass wir aufpassen müssen, dass wir nicht überholt werden. Es gibt Monate, in denen wir auf dem großen Kunstrasenplatz mit drei Mannschaften trainiert haben. Wenn ich dann einen Kader von 20 Spielern habe und mir steht nur ein Drittel des Platzes zur Verfügung, ist es naturgemäß sehr schwierig, Spieler zu entwickeln. Für eine isolierte Einheit geht das mal, aber schlussendlich darf das nicht zur Dauerlösung werden. Auch der Rasenplatz, auf dem wir trainieren, ist oftmals nicht in einem optimalen Zustand, weil kurz vorher die U21 dort trainiert hat.
„Deshalb müssen wir unsere Infrastruktur unbedingt verbessern.“
Wir werden nicht immer das Glück haben, solche Jahrgänge mit einer derart hohen Qualität zu haben. Unabhängig davon sind gute Bedingungen die Basis dafür, Spieler zu entwickeln. Und das ist hier aktuell nur bedingt möglich. Alle lechzen danach, Spieler im Stadion zu sehen mit Stallgeruch, mit einer großen Identifikation. Dann müssen auch die entsprechenden Bedingungen dafür vorhanden sein.
Damit sprechen sie das Thema „Durchlässigkeit“ an, den Einbau eigener Nachwuchstalente in das Profiteam. Haben Sie Ideen, wie man diese Durchlässigkeit verbessern könnte?
Alles steht und fällt in diesem Bereich mit der Qualität unserer Nachwuchsspieler. Wenn ein Trainer erkennt, dass da ein Spieler mit außergewöhnlicher Qualität ist, wird er ihn auch spielen lassen. Es reicht aber nicht, nach dem Einbau von Nachwuchsspielern zu rufen, wenn sie nicht in der entsprechenden Qualität vorhanden sind. Wir arbeiten kontinuierlich daran, die Ausbildung der Spieler zu verbessern. Dabei müssen wir uns noch mehr mit den Jungs beschäftigen, die spannend sind, vor allem auch dann, wenn sie aus der Jugend rauskommen. Dann erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie den Sprung schaffen. Mit André Pawlak im Trainerteam wurde eine sehr gute Schnittstelle geschaffen, der die Jungs mit Perspektive sehr gut bei den Profis betreut. Ein Spieler wie Noah Katterbach ist so klar im Kopf, dass er weniger Hilfe braucht, dafür benötigen andere umso mehr. Aber eins muss auch klar sein: Du kannst nicht in einer Saison fünf Jugendspieler einbauen, das funktioniert nicht.
Augenblicklich haben wir mit Noah Katterbach, Iso Jakobs und Jan Thielmann drei Nachwuchsspieler, die ihre Einsätze oben bekommen, auch Darko Churlinov war schon dabei. Dahinter haben wir wieder einige Spieler im U19- und U17-Bereich, die unheimlich spannend werden. Aber nochmal: Es gehören viele Dinge dazu, dass jemand oben wirklich nachhaltig ankommt, man muss ihn lange begleiten, muss ihm Werte wie Demut, Fleiß und Beharrlichkeit vermitteln, das Thema Selbstreflexion ist wichtig, der junge Spieler muss einschätzen können, was er kann und was nicht, und er muss begierig sein zu lernen und die Bereitschaft haben, beständig an sich zu arbeiten.
Welche Rolle kommt den Beratern in diesem Zusammenhang zu? Für einen jungen Spieler ist es natürlich nicht leicht, einschätzen zu können, ob er einen guten Berater hat, denn dazu bräuchte er eigentlich eine gute Portion Lebenserfahrung, die er als 18- oder 19-Jähriger noch nicht haben kann. Aber ich habe in der letzten Zeit die Erfahrung gemacht, dass es viele Berater gibt, die in erster Linie die Entwicklung und das Wohl ihrer Spieler im Blick haben.
Wenn man einmal den Blick vom FC zur Situation des deutschen Nachwuchsfußball an sich lenkt, so liest man häufig, dass die Talentförderung in England, Frankreich oder Spanien uns voraus ist. Was fehlt dem Nachwuchsbereich in Deutschland, um wirklich wieder zur europäischen Spitze zu gehören? Ich glaube, dass es da Aufs und Abs gibt. Vor drei, vier Jahren war der deutsche Fußball das Maß aller Dinge, und jetzt ist es der englische, französische oder holländische Fußball, und auch das wird sich irgendwann wieder drehen. Wir müssen uns einfach ein Stückweit neu orientieren und sollten darauf achten, welche Trends es im Fußball gibt und welche Impulse notwendig sind. Worauf genau muss ich die Spieler vorbereiten? Und da gibt mir das DFB-Lehrbuch von 1978 oder 1984 keine ausreichenden Antworten, denn der Fußball entwickelt sich immer weiter und wird von Jahr zu Jahr schneller, athletischer und komplexer. Die Trainer sind taktisch immer besser geschult, machen sich viel mehr Gedanken über die Positionierung auf dem Spielfeld, und da müssen auch wir Jugendtrainer drauf reagieren. Es kann ja nicht sein, dass wir eine ganze Saison lang ein System spielen und dann, wenn wir den Spieler nach oben abgeben, denken, dass er bei den Profis fünf Systeme spielen kann.
Dazu eine eigene Erfahrung: Das erste Spiel, das ich damals als Cheftrainer beim FC wirklich bewusst erlebt habe, war das Derby gegen Gladbach mit dem Siegtreffer von Terodde ganz kurz vor Schluss. Bei den Spielen davor, in der Europa League gegen Belgrad, bei den Bayern oder auch zu Hause gegen Wolfsburg, wo wir die ersten drei Punkte geholt haben, war das gesamte Trainerteam und auch ich gefühlt im Tunnel, wir haben dreieinhalb Wochen durchgearbeitet und funktioniert, aber nicht wirklich wahrgenommen, was um uns herum so passiert. Als dann klar war, dass wir weitermachen auch mit dem Trainerteam, hatten wir eine zweiwöchige Vorbereitung, und dann kam das erste Spiel gegen Gladbach. Da war es, das Derby zwischen dem 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach in meinem Stadion, und da hatte ich mir vorgenommen, das Spiel auch ein bisschen zu genießen.
Wie sah das dann genau aus?
Ich habe mich da vorne hingestellt, und nach zehn Minuten habe ich gedacht, was ist das denn für eine Sportart? Was ich da sah, hatte nichts damit zu tun, was ich in der 2. Liga erlebt hatte oder auch als Trainer der U19. Die Spieler der ersten Liga, das sind Hochleistungsmaschinen auf ganz hohem Niveau, wie die mit dem Ball zurechtkommen, wie die in Zweikämpfe gehen, wie die ein 1 gegen 1 auflösen, das war wirklich unglaublich. Und das hat mich dazu gebracht, mir zu meiner Idee des Fußballs in der U19 noch einmal einige Gedanken zu machen. Ich habe gemerkt, dass ich einige Dinge anders machen muss, wenn ich Spieler für die erste Liga ausbilden will.
Bedeutet das, dass Sie aus dem halben Jahr als Cheftrainer bei den Profis Schlussfolgerungen gezogen haben für Ihre Arbeit bei der U19? Definitiv. Vor allem hinsichtlich Tempo, Athletik, Technik, in Bezug auf all die Anforderungen, die auf diesem Niveau an die Spieler gestellt werden. Bevor ich die U19 wieder übernommen habe im Sommer, habe ich mir viele Spiele nochmal angeschaut, mit einem besonderen Blick auf die Spitzenfußballer. Wie spielt ein Zakaria auf der 6, was macht einen Lewandowski so aus? Ich habe mir Gedanken dazu gemacht, wie z.B. eine Spielform im Training aussehen muss, um dorthin zu kommen. Dabei ist mir aufgefallen, dass wir im Training der U19 bis dato vieles gemacht haben, was man gar nicht unbedingt braucht, dafür aber eine ganze Anzahl von neuen Elementen dazukommen müssen, mit denen ich mich vorher gar nicht beschäftigt habe.
Können Sie ein Beispiel dazu geben? Die Box-Verteidigung zum Beispiel. Wir haben eine Analyse vom DFB bekommen, aus der hervorging, dass zwischen 70 und 80% aller Tore im Strafraum erzielt werden. Daraus folgte für uns der Ansatz, wie man den Gegner aus dem Sechzehner heraushält, und wenn er sich dort schon befindet, wie man ihn dort verteidigt. Wir haben uns dann die Tore angeschaut, die der FC in meiner Zeit als Cheftrainer hinnehmen musste, und daraus haben wir Ideen entwickelt, wie wir uns zu verhalten haben, wenn der Gegner im Strafraum ist. Das haben wir Box-Verteidigung genannt. Mein Co-Trainer und ich haben einen Artikel dazu für das DFB-Magazin „Fußballtraining“ verfasst.
Die Spiele auf höchster Ebene werden häufig durch einen Zweikampf im Sechzehner entschieden, durch ein gutes Dribbling, durch die Verwertung einer Flanke oder durch einen Standard. Wir trainieren mit der U19 Situationen, in denen der Gegner beispielsweise über außen in den Strafraum eindringt. Welche Winkel gebe ich dann frei und welche nicht, bei welchen Winkeln ist die Wahrscheinlichkeit eines Torerfolgs hoch, und bei welchen ist das nicht der Fall? Uns ist zum Beispiel auch aufgefallen, dass ganz viele Tore dadurch erzielt werden, dass der Ball durch die Beine eines Abwehrspielers geht, unter den Füßen hindurch oder noch einmal abgefälscht wird. Im Grunde genommen sollten die Abwehrspieler die Beine nicht mehr öffnen. Zu diesen Abwehrstrategien gehört aber auch, wie ich eine Flanke von außen gegnerorientiert verteidige zum Beispiel durch Körperkontakt. Das sind einige der Verhaltensmuster, die wir mit den Spielern bei der Box-Verteidigung trainieren. Sieben Gegentore in 14 Spielen sind das Ergebnis.
Ihr erstes Vorbereitungsspiel nach der Winterpause wird gegen die U19 des VfR Aalen sein. Dort haben Sie als Cheftrainer die ersten Schritte im Profifußball gemacht. Mit welchen Gedanken geht man in ein solches Spiel gegen seinen alten Verein? Der VfR Aalen wird für mich immer ein besonderer Verein bleiben, weil mir dort die Chance gegeben wurde, im Profifußball zu arbeiten. Leider sind nicht mehr viele Leute dort, die ich kenne. Ich schaue mir aber am Wochenende immer die Tabelle der Regionalliga Südwest an, um zu sehen, wie der VfR gespielt hat. Die U19 der Aalener bereitet sich im Januar ganz in der Nähe auf die Rückrunde vor, und als die Anfrage kam, ob wir ein Vorbereitungsspiel gegeneinander austragen könnten, habe ich sehr gerne zugesagt.