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·2. Juli 2025

U 21-Cheftrainer Di Salvo: "Bratislava löst einiges in mir aus"

Artikelbild: U 21-Cheftrainer Di Salvo: "Bratislava löst einiges in mir aus"

Die deutsche U 21-Nationalmannschaft ist als Vizeeuropameistermeister aus der Slowakei zurückgekehrt. Im DFB.de-Interview blickt Cheftrainer Antonio Di Salvo auf das Turnier zurück und gewährt auch einige persönliche Eindrücke.

DFB.de: Antonio Di Salvo, vier Tage ist das Finale der U 21-Europameisterschaft jetzt her, mit welchen Gedanken und Gefühlen blickst du auf das Turnier?


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Antonio Di Salvo: An dieser Stelle möchte ich zuerst England und Trainer Lee Carsley nochmals zum EM-Titel und einem sehr guten Turnier gratulieren. Meine Gefühlswelt ist zweigeteilt: Auf der einen Seite bekommen wir unheimlich viel Zuspruch. Die Menschen bedanken sich für ein tolles Turnier. Dass wir den Zuschauern und vor allem den kleinen Fans die Leidenschaft und die Werte dieser Mannschaft mitgeben konnten; dass man spüren konnte, was für ein Team da auf dem Platz ist, das alles für den Erfolg tut, den Zusammenhalt lebt und die Liebe zu unserem Sport transportieren konnte. Meine Frau hat mir erzählt, dass ganz viele Kinder mit Deutschland-Trikots in die Schule kamen, das macht uns natürlich stolz. Das andere ist die Verarbeitung: Ehrlicherweise steckt mir die Finalniederlage noch in den Socken. Ein Finale zu spielen und dann nichts Großes in den Händen zu halten, ist schon enttäuschend. Es fühlt sich unvollendet an.

DFB.de: Das Finale ist in seinem Ablauf also noch sehr präsent?

Di Salvo: Ja, vor allem wenn man sieht, dass wir nach schlechten ersten 30 Minuten, in denen England den Sack auch hätte zumachen können, zurück ins Spiel gefunden haben. Im weiteren Verlauf machen wir vor der Pause noch den Anschlusstreffer, haben die richtigen Worte und einen guten Ansatz für die zweite Halbzeit gefunden. Dann spielen wir eine gute 2. Hälfte, machen das 2:2 und haben Pech am Ende, als der Schuss von Paul (Nebel; Anm. d. Red.) an die Latte geht, der ohne Abfälschung wahrscheinlich drin gewesen wäre. Davon träume ich immer noch, das sind schon Gedanken, die einem noch durch den Kopf schwirren.

DFB.de: Welches Spiel, beginnend mit der Gruppenphase, bedeutete für dich die größte Herausforderung?

Di Salvo: Das erste. Weil es das wichtigste Spiel für den Turnierverlauf ist, da kann man schon vieles in die richtigen Bahnen lenken. Und bei nur drei Spielen in der Gruppenphase ist es schon wichtig, so ein Spiel zu gewinnen. Zumal wir mit Slowenien einen Gegner hatten, der von vielen unterschätzt wurde.

DFB.de: Gegen Slowenien gelang ein 3:0, auch die beiden anderen Gruppenspiele konnten gewonnen werden.

Di Salvo: Generell sind unsere Spiele in der Gruppenphase sehr gut gelaufen, man darf aber nicht vergessen, dass jedes einzelne Phasen hatte, in denen es hätte kippen können. Denken wir an die Rettungstat beim 1:1 von Noah (Atubolu; Anm. d. Red.) gegen Slowenien, die zum Ausgleich hätte führen können. Da stand das Spiel auf Messers Schneide, wir konnten es aufgrund unseres Teamspirits und unserer Qualität dann zu unseren Gunsten entscheiden.

DFB.de: Gab es grundlegende Unterschiede in der Herangehensweise zwischen Spielen in der Gruppenphase und den K.o.-Partien?

Di Salvo: Nein, eigentlich nicht, da alle Spiele vorher auch gefühlte K.o.-Spiele waren, mit Ausnahme des dritten Gruppenspiels gegen England. Klar, man man in der Gruppenphase noch etwas korrigieren, und die Anspannung ist anschließend noch mal höher, weil man sich noch weniger Fehler leisten kann. Aber die generelle Herangehensweise blieb gleich: Wir wollten unsere Stärken auf den Platz bringen, dominant sein im Ballbesitz, den Gegner unter Druck setzen und uns Torchancen erspielen. Und in der Defensive kompakt bleiben und dem Gegner möglichst wenige Gelegenheiten erlauben.

DFB.de: Gibt es eine Entscheidung, die du heute anders treffen würdest?

Di Salvo: Im Nachhinein ist das immer einfach zu sagen. Geht der Schuss von Paul Nebel im Finale rein und du gewinnst, wäre dann alles richtig gewesen? Klar ist, wir werden mit dem nötigen Abstand im Trainerteam alles analysieren und hinterfragen, um möglichst viele Erkenntnisse mitnehmen zu können. Und da werden sicherlich viele positive dabei sein.

DFB.de: Ab dem 1. Juli rückt bereits die Qualifikation für die EM 2027 in Albanien und Serbien - und damit auch der nächste U 21-Jahrgang - in den Blickpunkt. Gibt es Erkenntnisse, die du übertragen kannst?

Di Salvo: Das fällt natürlich gerade noch schwer. Generell ist eine Erkenntnis, dass die Spielpraxis auf dem Niveau Bundesliga und 2. Bundesliga schon ein wichtiges Kriterium ist und einer Mannschaft sehr guttut - gerade wenn man wie bei einer EM im Dreitagesrhythmus spielt. Ich hoffe, dass dies auch beim Jahrgang 2004/2005 so weitergeht. Darüber hinaus gilt es, die besondere Atmosphäre Nationalmannschaft, den Teamgeist zu schaffen, der für den Erfolg einer Mannschaft wichtig ist - und dass die Spieler sich wohlfühlen und entfalten können. Von dieser EM bekommen wir es gespiegelt, dass eine Mannschaft auf dem Platz stand, die krass zusammengehalten und die Liebe zum Spiel verkörpert hat.

DFB.de: Gibt es grundlegende Erkenntnisse, die du aus dem Turnier mitnimmst?

Di Salvo: Ja, bei der vorangegangenen EM wurde England ohne Gegentor Europameister. Jetzt standen zwei Mannschaften im Finale, die in zuvor fünf Spielen jeweils fünf Gegentore bekommen haben, zählt man das Finale mit, sogar mehr als ein Gegentor pro Spiel. Allerdings wurden auch sehr viele Tore geschossen, schon mit der Überzeugung, mit einer starken Offensive auch wieder ins Spiel finden zu können. Frankreich beispielsweise oder auch die Tschechen, die gegen uns selbst nach einem 0:4-Rückstand noch zwei Treffer erzielt haben. Dieser Offensivdrang und der Glaube, Tore erzielen zu können, ist schon ein Merkmal dieser Europameisterschaft.

DFB.de: Du hast oft davon gesprochen, dass sowohl die Mannschaft als auch der Staff die EM genießen sollen. Welchen Moment hast du genießen können?

Di Salvo: Ich habe mich sehr über die Unterstützung der Familien, Eltern und Freunde gefreut, ganz persönlich natürlich über meine Familie, die häufig dabei war. Die Unterstützung aus diesem inneren Kreis hat uns richtigen Rückhalt gegeben, das waren besondere Momente.

DFB.de: Welche Szenen werden dir im Kopf bleiben: sportlich?

Di Salvo: Sportlich war das Italien-Spiel aufgrund des Spielverlaufs unglaublich emotional. Ich brauchte nach dem Schlusspfiff erst mal einen Moment. Da war zuerst mehr Erlösung als Freude. Alles lief für uns mit der Führung und der doppelten Überzahl, und plötzlich musst du doch in die Verlängerung, auf einmal hatten wir etwas zu verlieren. Und mit diesem Gefühl ins Elfmeterschießen zu gehen, wäre schwierig gewesen.Aber solche Momente musst du überstehen, und das hat die Mannschaft gegen eine wirklich sehr gute Mannschaft geschafft.

DFB.de: Und menschlich?

Di Salvo: Bei aller Enttäuschung war unsere Mannschaft ein fairer Verlierer, auch das gehört zum Fußball. Traurig, aber respektvoll gegenüber dem Gegner und dem Erreichten. Und auch gegenüber dem Stadion, den Zuschauern. Als wir die Abschlussrunde gedreht haben, gab es auch Applaus von den englischen Fans. Das ist nicht selbstverständlich. Besonders für mich war auch, dass sehr viele Spieler zu mir gekommen sind und sich für diese Zeit bedankt haben. Als Beispiel möchte ich gerne Jan Thielmann nennen, der in der Kabine zu mir kam, mir sein Trikot in die Hand gedrückt und gesagt hat: “Hey Trainer, danke für die letzten vier Jahre!“ Und gerade, weil er es nicht leicht hatte während des Turniers, sind das Momente, die mir immer positiv in Erinnerung bleiben werden.

DFB.de: Zuletzt: in Bezug auf die Mannschaft?

Di Salvo: Die Mannschaft hatte vor dem Finale schon das Bewusstsein: Das ist ein EM-Finale, ein großes Spiel, aber auch das letzte Spiel: "Wir alle zusammen!" Teilweise kennen sie sich seit der U 15, und jetzt werden sich die Wege trennen. Man hat der Mannschaft angemerkt, dass diese Reise, dieser Zusammenhalt in dieser Form jetzt endet. Das hätten die Jungs schon sehr gerne mit einem Erfolg abgeschlossen. Deshalb habe ich der Mannschaft auch vor dem Finale gesagt, dass uns dieser Moment für immer verbinden wird. Und es wird noch ein bisschen dauern, aber dann werden wir auch mit einem Lächeln an dieses Turnier denken. Und wenn ich jetzt an die Slowakei und an Bratislava denke, löst das schon einiges in mir aus. Das wünsche ich auch jedem einzelnen Spieler.

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