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Paul Witte·25. März 2023

Tote Frösche im DFB-Trikot? Warum Deutschland jetzt zwei Mesut Özils hat

Artikelbild:Tote Frösche im DFB-Trikot? Warum Deutschland jetzt zwei Mesut Özils hat

Mesut Özil hat vergangenen Mittwoch seine Fußballschuhe endgültig an den Nagel gehängt, er wird uns als begnadeter Magier mit unvergleichlichem Talent im Gedächtnis bleiben.

Egal ob bei Werder Bremen, Real Madrid oder beim Arsenal FC, Özil wusste stets durch seine magischen Momente zu überzeugen und trotzdem denken viele, wenn sie seinen Namen hören, zunächst an etwas anderes: seine Einstellung. Oder die oft diskutierte Abwesenheit selbiger.


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„Körpersprache wie ein toter Frosch“

So schmähten allen voran Vorzeige-Exprofis immer wieder Özils Spiel: „Das ist jämmerlich! Seit Jahren spielt er nur Pässe auf fünf Meter. Als Mittelfeldspieler sollte er auch mal einen Zweikampf gewinnen!“, resümierte etwa Mario Basler nach der WM-Niederlage gegen Mexiko 2018 bei ‚Hart aber Fair‘. Riesenlacher, knackiger Headline. Aber eine, die an Spielern kleben bleiben kann. Das weiß auch Basler.

Im Fokus standen demnach Özils Körpersprache, Einsatz und Wille – erst Recht bei der Nationalmannschaft. Völlig außen vor ließen Kritiker wie Basler dabei stets den Zusammenhang zwischen Özils Haltung und seinem unglaublichem Talent, das schlicht alles einfach und mühelos aussehen ließ.

Von mancher Seite wurde der Deutsch-Türke dafür kritisiert, dass er die Nationalhymne nicht sänge, so als hätte das Singen etwas mit den folgenden sportlichen Leistungen auf dem Platz zu tun. Vor der WM 2018 machte ein gemeinsames Treffen – inklusive Foto – mit Teamkollege Ilkay Gündogan beim türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan Schlagzeilen. Nicht wenige forderten schon vor WM-Beginn einen Rausschmiss.

Nach dem Aus in Russland floh Özil, der sich vielfach rassistischen Anfeindungen ausgesetzt sah, dann regelrecht vor der deutschen Öffentlichkeit und legte schließlich ein Karriereende in der Türkei hin.

Zu viel verlangt?

Der Fall zeigt, was die deutsche Fußballöffentlichkeit von Spielern verlangt – und das ist bei manchen offenbar mehr als bei anderen. Und in dieser Hinsicht hat der DFB auch aktuell zwei „neue Özils“ in der Mannschaft.

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Denn was dem Weltmeister von 2014 vor Jahren widerfuhr, erleben gerade andere deutsche Nationalspieler – wenn auch noch in etwas anderem Ausmaß. Zu diesen zählt Leroy Sané, der für die kommenden Länderspiele außen vor gelassen wird und zuletzt auch aus dem eigenen Verein heraus kritisiert wurde.

So ging Bayern Sportdirektor Hasan Salihamidzic seinen Spieler öffentlich bei ‚Sky90‘ an: „Er ist ein unglaublich talentierter junger Mann, der alles hat. Leroy ist sau schnell, gut am Ball und hat diese mentale Stärke. Aber jetzt muss er kommen. Es macht Spaß, wenn er diese Körperspannung hat auf dem Feld. Wenn er sie allerdings nicht hat, dann gefällt mir das einfach nicht. Das möchte ich als Spieler oder Verantwortlicher nicht“.

Erste Parallelen zu Özil sind nicht zu übersehen. Salihamidzic stellt Sanés Leistung in Zusammenhang zu seiner Körpersprache: „Wir sprechen immer von Potenzial. Und das möchte ich sehen, dann muss es auf dem Platz knallen. Das erwarten wir alle von ihm. Nicht nur wir in der Führungsetage, sondern auch die Trainer und die Mannschaft. Die erwartet, dass er explodiert. Er kriegt die Wertschätzung von allen Seiten und das wollen wir jetzt zurück.“

100 Prozent Fußball?

Dass nicht allein die Leistung auf dem Platz bewertet wird, bekam auch Sanés Kollege Serge Gnabry ebenfalls zu spüren. Dieser wurde Anfang des Jahres für einen Besuch der Pariser Fashion Week in seiner Freizeit öffentlich kritisiert: „Das ist amateurhaft. Das ist genau das, was ich nicht mag. Das ist nicht Bayern München, irgendwo herumzuturnen, wenn man einen freien Tag hat (…) Ein freier Tag gehört dazu, sich auszuruhen, um dann beim nächsten Spiel Gas geben zu können (…) Darüber werden wir reden“, wütete abermals Sportdirektor Salihamidzic.

Klar, war es nicht klug sich bei der Fashion Week ablichten zu lassen, aber man darf nicht vergessen, dass Fußballer auch ein Recht auf Freizeit haben. Und eben auch an ihrer eigenen Marke bauen, weil das immer wichtiger wird als der schnöde Vereinsfußball-Alltag. So ist das heutzutage. Manche können sich daran aber nicht gewöhnen. Oder wollen es ganz einfach nicht.

Aber inwieweit bedingen sich Leistung, Talent und Körpersprache? Klar ist: Hast du viel Talent, dann ist es auch wahrscheinlich, dass du gute Leistungen erzielen kannst. Doch was haben hängende Schultern damit zutun? Jeder hat ja mal einen schlechten Tag. Eine schlechte Woche. Oder mehr.

Am Ende zählt der Mensch

Leroy Sanés schwankende Leistungen auf dem Fußballplatz sind ebenso wie sein Talent unverkennbar. Dass die Leistungen wegen der Körpersprache schwanken, muss aber nicht der Grund sein. Vielmehr lastet enormer Druck auf den Schultern von Spielern wie Sanè, Gnabry oder aber eben einst auf Özil, der sich jahrelang der „Frosch“-Diskussion stellen musste. Von ihnen wird immer das Besondere erwartet. Großes Talent weckt große Hoffnungen. Vielleicht manchmal zu große.

Würde man die Fußballer so akzeptieren, wie sie sind, und nicht auf ihre Körpersprache reduzieren, dann könnte das womöglich auch die Mentalität und die Leistungen der jeweiligen Spieler auf dem Platz begünstigen. Und braucht eine gute Mannschaft wirklich elf Anführer mit breiter Brust und Dreck am Schienbein? Sind es nicht die mysteriösen Magier, die das Spiel in großen Momenten so besonders machen? Sané und Gnabry sind eben zwei Spielertypen, die der deutsche Fußball derzeit dringender braucht, als man es sich eingestehen mag.

Und für alle, die unbedingt fantastische Spieler noch immer reduzieren wollen: Warum zur Abwechslung nicht mal einzig und allein auf den Fußball?