Strittige Szenen am 22. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati | OneFootball

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liga3-online.de

·25. Januar 2024

Strittige Szenen am 22. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Artikelbild:Strittige Szenen am 22. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die Platzverweise gegen Bitter und Biada, ein Rückpass von Halle, das 3:2 für Halle, das Tor für 1860, die nicht gegebenen Elfmeter für Dresden und Münster, das 2:0 für Dresden, die Strafstöße für Sandhausen, Dortmund II und Essen, der verwehrte Treffer von Saarbrücken, die gelben Karten gegen Steinhart und Zimmerschied, sowie ein taktisches Foul von Strompf. Am 22. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 15 strittige Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 53-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.


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Szene 1: Für eine Grätsche gegen Tarsis Bonga (Halle) sieht Joshua Bitter (Duisburg) die rote Karte. [TV-Bilder – ab Minute 1:50]

Babak Rafati: Bitter verfolgt Gegenspieler Bonga, beide sind in vollem Lauf. Als der Ball nicht mehr erreichbar ist, grätscht Bitter von hinten in die Beine von Bonga und holt ihn mit voller Dynamik zu Fall. Auch wenn das Trefferbild des Tritts nicht heftig ausfällt und vielmehr ein Beinstellen daraus wird, liegt bei der hohen Intensität des Beinstellens eine Gesundheitsgefährdung vor, sodass diese rote Karte absolut richtig ist. Eine richtige Entscheidung, für dieses böse Foulspiel die rote Karte zu zeigen.

Szene 2: Bei einem Angriff des MSV grätscht Niklas Landgraf (Halle) zum Ball und spielt ihn zu Torhüter Philipp Schulze zurück, der diesen aufnimmt. [TV-Bilder – ab Minute 1:39:45]

Babak Rafati: Bei der Frage, ob es sich hierbei um einen Rückpass handelt oder nicht, ist eines wichtig: Landgraf zeigt seinem Torhüter Schulze deutlich erkennbar an, dass er in seinem Tor bleiben und nicht herauskommen soll. Dann grätscht er zum Ball und spielt diesen bewusst zum eigenen Torwart. Das ist zwar im Zweikampf, aber geschieht überlegt, bewusst und auch kontrolliert. In dieser Szene hätte der Schiedsrichter auf Rückpass und indirekten Freistoß dort, wo der Torhüter den Ball aufnimmt, entscheiden müssen. Die Mauer muss dann auf die Torlinie, da man die erforderlichen 9,15 Meter nicht einhalten kann. Eine Fehlentscheidung, nicht auf Rückpass zu entscheiden.

Szene 3: Bei einer Flanke geht Jonas Nietfeld (Halle) mit viel Körpereinsatz in einen Zweikampf mit Santiago Castaneda (Duisburg), der dadurch zu Fall kommt, liegenbleibt und anschließend das Abseits beim Treffer zum 2:3 aufhebt. Der Treffer zählt. [TV-Bilder – ab Minute 3:25]

Babak Rafati: Nach einer Flanke in den Strafraum klärt Castaneda den Ball. Nietfeld kommt etwas zu spät und erreicht das Spielgerät nicht mehr. Stattdessen springt er Castaneda in der Luft klar an und bringt ihn zu Fall. Das ist kein Körpereinsatz, den man laufen lassen kann, sondern ein Foulspiel. Somit hätte dieser Zweikampf unterbunden werden und der anschließende Treffer nicht anerkannt werden dürfen. Eine Fehlentscheidung, das Tor zu geben.

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Szene 4: Nach einem Foul an Marius Hauptmann (Lübeck) nimmt Philipp Steinhart (1860) den Ball mit und sieht dafür die gelbe Karte. [TV-Bilder – ab Minute 38:00]

Babak Rafati: Diese gelbe Karte zu zeigen, ist vollkommen überzogen und unangebracht. Der Ball wird nur kurz mitgenommen, es steht 0:0 und das Spiel ist in der 23. Minute, sodass kein Zeitspiel oder eine Unsportlichkeit im Sinne der Regel vorliegt. Wenn man solch eine Linie konsequent durchzieht, kommt man am Ende des Spiels auf eine zweistellige Anzahl von gelben Karten.

Szene 5: Im eigenen Strafraum kommt Sören Reddemann (Lübeck) bei einem Duell mit Mansour Ouro-Tagba (1860) zu Fall, der Schiedsrichter pfeift nicht. Direkt danach fällt das 1:0 für 1860. [TV-Bilder – ab Minute 2:30]

Babak Rafati: Bei einem Laufduell kreuzen sich die Wege von Reddemann und Ouro-Tagba an der Strafraumgrenze. Dabei trifft der Angreifer in die Füße des Verteidigers, sodass ein Foulspiel vorliegt, wenn auch unbeabsichtigt. Dass daraus ein Vorteil entsteht, weil der Verteidiger aus dem Spiel genommen wird, ist auch nicht zu verachten. Somit hätte der anschließende Treffer nicht zählen dürfen. Eine Fehlentscheidung, den Zweikampf nicht abzupfeifen. Dadurch, dass der Schiedsrichter nur auf den ballführenden Spieler auf der linken Seite schaut und nicht immer wieder auch den Blick auf die Spieler in der Mitte richtet, entgeht ihm diese Szene. Wäre bei einem ähnlichen Zweikampf, der nicht unmittelbar mit der Torerzielung zu tun hat, so etwas passiert, wäre es möglich, weiterspielen zu lassen, weil keine Folgen daraus entstehen würden, die das Spiel beeinflussen könnten. Auch wenn diese Differenzierung nicht regeltechnisch erläutert wird, ist das gängige Praxis, was auch Sinn ergibt.

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Szene 6: Tom Zimmerschied (Dresden) kreuzt den Laufweg von Laurent Jans (Mannheim), trifft ihn dabei unglücklich am Fuß und sieht Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 43:00]

Babak Rafati: Beim Versuch von Zimmerschied, Gegenspieler Jans auszuspielen, prallen sie aus dem Spiel heraus in einem natürlichen Bewegungsablauf unglücklich mit den Füßen aneinander, und dabei verletzt sich der Verteidiger. Einen Freistoß zu pfeifen, kann man noch vertreten, aber eine gelbe Karte zu zeigen, ist eine Fehlentscheidung, weil kein rücksichtsloser Einsatz von Zimmerschied vorliegt.

Szene 7: Im eigenen Strafraum will Marcel Seegert (Mannheim) den Ball klären, bekommt ihn dabei aber am Boden liegend an den Arm. Kein Elfmeter, entscheidet der Schiedsrichter. [TV-Bilder – ab Minute 1:55]

Babak Rafati: Nach einer Hereingabe in den Strafraum grätscht Seegert in den Zweikampf, hat den Arm in natürlicher Haltung und stützt sich am Boden ab. Dass der Ball dann an den Arm gelangt, ist keine Absicht, zudem war durch die natürliche Haltung zuvor keine Vergrößerung der Körperfläche im Spiel, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen.

Szene 8: Bei einem Schuss von Lucas Cueto (Dresden) geht Fridolin Wagner (Mannheim) im Duell mit Stefan Kutschke (Dresden) zu Fall und moniert Foulspiel. Der Schiedsrichter gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 2:15]

Babak Rafati: Nach dem Schuss von Cueto sind Wagner und Kutschke beide am Halten und Rangeln, wie man es im Fußballsport kennt und zulässt, nicht nur weil beide beteiligt sind. Auch liegt kein klares Vergehen vor. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen und den anschließenden Treffer anzuerkennen.

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Szene 9: Im Strafraum kommt Markus Pink (Sandhausen) nach einem Zweikampf mit Mirnes Pepic (Aue) zu Fall, der Schiedsrichter zeigt auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 0:30]

Babak Rafati: Pink legt sich den Ball an Pepic vorbei. Pepic wiederum nimmt das Bein bewusst mit einer unnatürlichen Bewegung heraus, und hierbei kommt es womöglich zum Kontakt, sodass Pink dadurch zu Fall kommt. Zu 100 Prozent kann die Szene nicht aufgelöst werden, aber tendenziell liegt eine richtige Entscheidung vor.

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Szene 10: Im Fallen wirft sich Louis Breunig (Regensburg) in einen Schuss von Rodney Elongo-Yombo (Dortmund II) und bekommt das Spielgerät dabei an den Arm. Es gibt Elfmeter für Dortmund II. [TV-Bilder – ab Minute 1:37:20]

Babak Rafati: Beim Schuss von Elongo-Yombo schmeißt sich Breunig in den Weg und will den Ball blocken. Dabei stützt er sich mit beiden Armen auf dem Boden ab. Dieses Abstützen ist kein Vergehen, wenn die Arme nicht unnatürlich die Körperfläche vergrößern sollen. Das tun sie in diesem Fall nicht. Somit liegt eine korrekte Haltung vor, und das Handspiel ist unabsichtlich. Eine Fehlentscheidung, auf Elfmeter zu entscheiden.

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Szene 11: Nach einem Freistoß trifft Luca Kerber zum 1:0 für den FCS, soll dabei aber im Abseits gestanden haben, sodass der Treffer nicht zählt. [TV-Bilder – ab Minute 1:52:10]

Babak Rafati: Zum Zeitpunkt der Freistoßausführung steht Kerber knapp in der Abseitsposition, was man sehr gut von der Hintertorkamera erkennen kann und den Assistenten bestätigt. Die Füße sind näher zur gegnerischen Torlinie als zwei verteidigende Spieler. Somit liegt eine richtige Entscheidung vor, den anschließenden Treffer abzuerkennen.

Szene 12: Julius Biada (Saarbrücken) räumt Nicolas Sessa (Verl) von hinten ab und sieht Rot. [TV-Bilder – ab Minute 3:05]

Babak Rafati: Biada verfolgt Gegenspieler Sessa und grätscht mit offener Sohle und langem Bein aus vollem Lauf in die Beine des Verlers und bringt ihn rüde zu Fall. Auch wenn Biada seinen Gegenspieler nicht mit dem ausgestreckten Fuß trifft, so trifft er ihn aber dennoch mit seinem Nachziehbein hinten in die Füße und spitzelt vielleicht auch ein wenig den Ball. Das tut nicht nur weh. Damit gefährdet er auch die Gesundheit des Gegenspielers, sodass die rote Karte die einzig richtige Entscheidung ist.

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Szene 13: Im Strafraum will Simon Handle (Köln) den Ball klären, trifft aber Torben Müsel (Essen) und bringt ihn zu Fall. Der Schiedsrichter entscheidet auf Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 2:05]

Babak Rafati: Der Ball kommt halbhoch in den Strafraum. Handle stoppt ihn kurz in der Luft und will dann anschließend den Ball durch Wegschießen klären. Allerdings spritzt Müsel dazwischen und kann den angenommenen Ball früher als der Verteidiger spielen, sodass Handle zu spät ist, nur noch Müsel in die Füße trifft und ihn von den Beinen holt. Das ist ein Foulspiel, und somit liegt eine richtige Entscheidung vor, einen Elfmeter zu pfeifen.

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Szene 14: Der bereits verwarnte Philipp Strompf (Ulm) hält Thaddäus Momuluh (Bielefeld) bei einem Angriff fest und begeht damit ein taktisches Foul. Gelb-Rot sieht er nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:31:10]

Babak Rafati: Im Laufduell hält Strompf kurz und ansatzlos am Trikot von Momuluh fest und bringt ihn dadurch aus dem Tritt, sodass dieser nicht mehr mit der vorgesehenen Dynamik eine gute Angriffschance einleiten kann. Zunächst weiterspielen zu lassen, um einen möglichen Vorteil abzuwarten ist okay, aber anschließend nicht zurückzupfeifen, da das Festhalten entscheidend ist, ist eine Fehlentscheidung. Hier hätte es die Ampelkarte gegen den bereits gelb-verwarnten Strompf sowie einen Freistoß für Bielefeld geben müssen. Die anschließende gelbe Karte gegen Momuluh, der gefoult wurde und reklamiert, ist nur noch nach der Devise "Mit dem Kopf durch die Wand" und sollte vom Schiedsrichter besser gelöst werden. Wenn er schon nicht pfeift, dann sollte er "wegmoderieren" und nicht noch mehr Hektik ins Spiel bringen.

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Szene 15: Joel Grodowski (Münster) dringt im Duell mit Ryan Malone (Ingolstadt) in den Strafraum ein, kommt dabei aber zu Fall. Kein Elfmeter, sagt der Schiedsrichter. [TV-Bilder – ab Minute 1:57:50]

Babak Rafati: Bei diesem Laufduell im Strafraum führt Grodowski den Ball am Fuß, wird von Malone verfolgt und kommt plötzlich zu Fall. Dabei legt Malone den Arm auf die Schulter von Grodowski, was absolut regelgerecht ist und kein Vergehen darstellt. Auch im Fußbereich ist alles korrekt, sodass kein Foulspiel vorliegt. Allein das Fallmuster des Angreifers ist klassisch für ein unnatürliches Zufallkommen und ein Indiz dafür, dass ein Elfmeter geschindet werden soll. Eine absolut richtige Entscheidung, die sich der Schiedsrichter durch sein glänzendes Positionsspiel und Nähe zum Geschehen erarbeitet.

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