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·7. August 2023

Strittige Szenen am 1. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Artikelbild:Strittige Szenen am 1. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die nicht gegebenen Elfmeter für Saarbrücken, Essen und Duisburg, die Strafstöße für Ulm und Dresden, die Platzverweise gegen Saarbrückens Kerber uns Bielefeld Mizuta, der nicht gegebene Treffer für Lübeck, Foulspiele von Ulms Scienza, Dortmund Suver, Halles Landgraf, Mannheims Bartels, Hachings Weistermeier, Aues Vukancic und Ingolstadts Malone. Am 31. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 16 strittige Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 53-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.


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Szene 1: Im Strafraum bekommt Bastian Allgeier (Ulm) den Ball nach einem Schuss von Luca Kerber (Saarbrücken) an die Hand. Zunächst zeigt Schiedsrichter Nicolas auf den Punkt, nimmt den Elfmeter nach Rücksprache mit seinem Assistenten aber zurück. [TV-Bilder – ab Minute 0:50]

Babak Rafati: Kerber flankt den Ball im Strafraum in die Mitte. Allgeier will das Spielgerät klären, bekommt es an den Oberschenkel, und von da aus prallt der Ball gegen die Brust. Der Schiedsrichter, der von hinten auf die Szene schaut, entscheidet aber auf Handspiel und Elfmeter. Womöglich lässt er sich durch den ausgestreckten Arm von Allgeier beirren und glaubt, dass der Ball an seinem Arm abprallt. Als nach der Elfmeterentscheidung alle in Position sind und sogar der Ball auf dem Elfmeterpunkt liegt, der Elfmeterschütze auf den Pfiff des Schiedsrichters wartet und sogar der Assistent auf dem Strafraumeck steht und zudem mittlerweile über eine Minute vergangen ist, kommt der Sinneswandel. Der Schiedsrichter geht zum Assistenten, und die Elfmeter-Entscheidung wird revidiert. Auch wenn diese Entscheidung am Ende richtig ist, bleibt die Frage, weshalb das Schiedsrichtergespann so spät zu dieser Entscheidung kommt. Einen Videobeweis gibt es in der 3. Liga bekanntlich nicht, sodass der Fan sich vielleicht kurzzeitig gefragt haben wird, ob dieser doch neben dem 4. Offiziellen zur neuen Saison eingeführt wurde. Insgesamt glücklich für den Schiedsrichter, der erst sein zweites Spiel nach dem Bierwurf-Skandal in Zwickau pfeift, diesen Elfmeter zurückzunehmen und sich weiteren Ärger zu ersparen.

Szene 2: Nicolas Jann (Ulm) wird im Strafraum von Tim Civeja (Saarbrücken) am Fuß getroffen und geht zu Fall. Winter gibt Elfmeter für den SSV. [TV-Bilder – ab Minute 1:25]

Babak Rafati: Jann wird im Strafraum vom Gegenspieler Civeja klar am Fuß getroffen und zu Fall gebracht, sodass ein Foulspiel vorliegt. Somit eine richtige Entscheidung, den Elfmeter zu geben.

Szene 3: Nach einem Freistoß geht Kai Brünker (Saarbrücken) im Strafraum gegen Lucas Röser (Ulm) zu Boden, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 1:22:40]

Babak Rafati: Nach einer Freistoßhereingabe läuft Brünker in den Strafraum zum Ball, prallt unglücklich mit Röser zusammen und geht daraufhin zu Boden. In diesem Bewegungsablauf kommt es zum Kontakt, sodass der Angreifer gegen die Hüfte des am Boden liegenden Verteidigers prallt, dadurch erst ins Stolpern und anschließend zu Fall kommt. In dieser Szene liegt kein Foulspiel vor, vielmehr spricht man von einem "Unfall“. Somit eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 4: Für ein Einsteigen gegen Dennis Chessa (Ulm) sieht Luca Kerber (Saarbrücken) glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 2:05]

Babak Rafati: Chessa führt den Ball im Mittelfeld am Fuß. Dabei kommt Kerber von hinten angelaufen, grätscht und will den Ball spielen, trifft allerdings Chessa am Fuß. Der Treffer geschieht aber nicht im hinteren Bereich, wo ein Spieler verletzungsanfälliger ist und die Strafe durch die Schiedsrichter im Regelfall härter ausfällt, vielmehr ist der Treffer am Vorderfuß, sodass ein rücksichtsloser Einsatz vorliegt. Für dieses Foulspiel hätte die gelbe Karte ausgereicht. Eine rote Karte ist einfach zu hart und für mich eine Fehlentscheidung.

Szene 5: Leonardo Scienza (Ulm) hakt gegen Bone Uaferro (Saarbrücken) nach, kommt aber mit Gelb davon. [TV-Bilder – ab Minute 2:09:55]

Babak Rafati: Die Aktion von Scienza gegen Uaferro ist kein Nachtreten, vielmehr ein kurzes Nachhaken, wie man es oft sieht. Der Treffer verursacht keine Schmerzen bei Uaferro, sondern ist eher als ein "beleidigt-sein" einzuordnen, da Uaferro ihn kurz zuvor anschreit, warum er sich derartig fallen lässt. Eine richtige Entscheidung, dieses Verhalten/Vergehen mit der gelben Karte zu sanktionieren.

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Szene 6: Im Strafraum geht Moussa Doumbouya (Essen) nach einem Duell mit Niklas Kreuzer (Halle) zu Fall, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Patrick Kessel nicht. [TV-Bilder – ab Minute 3:20]

Babak Rafati: Doumbouya wird im Strafraum angespielt und will den Ball am Fuß mitnehmen. Dabei kommt Kreuzer angelaufen und rempelt ihn von hinten in den Rücken. Der Angreifer kann den Ball zunächst im Lauf mitnehmen, wird aber durch das Rempeln gestört. Auch wenn die Aktion des Verteidigers nur dem Gegenspieler gilt, kann keine Rede von einem Foulspiel sein. Diese Art und Weise des Störens und Attackierens ist handelsüblich und somit im erlaubten Bereich. Der Angreifer hilft anschließend beim Zufallkommen selbst ein bisschen nach. Erwähnenswert ist natürlich, dass die Aktion von Kreuzer nur gegnerorientiert und nicht ballorientiert ist. Dadurch, dass aber kein Foulspiel vorliegt, kann das vernachlässigt werden. Die Aktion von Kreuzer reicht für einen Elfmeter einfach nicht aus, so dass eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen.

Szene 7: Vinko Sapina (Essen) wird kurz vor dem Strafraum von Niklas Landgraf (Halle) gestoppt, bekommt aber keinen Freistoß. [TV-Bilder – ab Minute 2:23:05]

Babak Rafati: Bei einem Zweikampf vor dem Strafraum will Sapina mit dem Ball am Fuß an Landgraf vorbei. Dieser macht ein langes Bein, trifft den Angreifer klar am Fuß und bringt ihn dadurch zu Fall. Das ist ein klares Foulspiel, sodass es in dieser Szene einen Freistoß für Essen hätte geben müssen, zumal der Schiedsrichter eigentlich sehr gut zum Geschehen postiert ist und dieses Foulspiel hätte erkennen müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und den fälligen Freistoß und eine gelbe Karte gegen Landgraf nicht zu geben.

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Szene 8: Im Strafraum geht Tom Zimmerschied (Dresden) im Duell mit Semi Belkahia (Bielefeld) zu Fall, Schiedsrichter Wolfgang Haslberger zeigt auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 1:20]

Babak Rafati: Zimmerschied führt den Ball im Strafraum am Fuß, dabei kommt Belkahia im Laufduell in den Zweikampf und will zwar den Ball wegspitzeln, dieser wird aber vom Stürmer kurz zuvor vorgelegt, sodass der Verteidiger etwas zu spät kommt und nur noch den Fuß des Angreifers trifft und ihn dadurch entscheidend zu Fall bringt. Das ist ein Foulspiel, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, auf Elfmeter zu entscheiden.

Szene 9: Für ein Foulspiel gegen Stefan Kutschke (Dresden) sieht Kaito Mizuta (Bielefeld) glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 3:25]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf im Mittelfeld sieht man sehr gut, dass Mizuta selbst etwas ins Straucheln kommt und dadurch seine Aktion erst unkontrolliert und somit unbeabsichtigt wird. Dennoch lässt die Regel bei solch einem Trefferbild (offene Sohle gegen die Achillessehne des Gegenspielers) keine andere Entscheidung zu, als auf Rot entscheiden – zumal beim Foulspiel die Absicht oder Nicht-Absicht keine Relevanz hat. Obwohl der Schiedsrichter zu nah am Geschehen und somit nicht optimal steht, erkennt er hervorragend das Vergehen an Kutschke und zeigt Mizuta vollkommen berechtigt die rote Karte.

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Szene 10: Auf dem Weg in Richtung Tor wird Joel Grodowski (Münster) von Mario Suver (Dortmund II) kurz vor dem Strafraum zu Fall gebracht. Schiedsrichter Konrad Oldhafer pfeift nicht. [TV-Bilder – ab Minute 0:20]

Babak Rafati: Bei einem Zweikampf gewinnt Grodowski das Laufduell gegen Suver und will in sehr aussichtsreicher Position mit einer großen Torchance allein auf das Tor laufen. Dabei kann sich Suver nur noch durch ein Foulspiel durch einen Fußtreffer gegen den Angreifer helfen, bei dem er den Angreifer kurz vor dem Strafraum klar zu Fall bringt. In dieser Szene hätte es einen Freistoß geben müssen. Zudem hätte es, weil kein Dortmunder mehr hätte eingreifen können, die rote Karte gegen Suver geben müssen, da eine klare Torchance vereitelt wird (Notbremse). Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und die erforderlichen Maßnahmen nicht zu treffen.

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Szene 11: Auf dem Weg zum Tor wird Julian Guttau (1860) von Mannheim-Keeper Bartels getroffen und gefoult. Schiedsrichter Tom Bauer pfeift nicht, direkt danach fällt das 2:0. [TV-Bilder – ab Minute 2:30]

Babak Rafati: Guttau läuft auf das gegnerische Tor zu, dabei kommt Keeper Bartels aus seinem Tor herausgelaufen und foult Guttau klar und deutlich. Allerdings lässt der Schiedsrichter weiterlaufen, da er sieht, dass Guttau den Ball bereits in die Mitte zum Mitspieler gepasst hat und dieser eine sehr gute Torchance hat. Somit gewährt er einen Vorteil, aus dem schließlich ein Tor fällt. Eine richtige Entscheidung mit guter Übersicht des Schiedsrichters, weiterspielen zu lassen und das anschließende Tor anzuerkennen, anstatt frühzeitig abzupfeifen und einen Elfmeter zu geben. Bei der Frage, ob der Torwart nachträglich für das Vergehen eine gelbe Karte hätte sehen müssen, ist folgendes zu beachten. Wenn der Schiedsrichter bei einem verwarnungs-(gelb)/feldverweiswürdigen (rot) Vergehen auf Vorteil entscheidet, muss die fällige Verwarnung (gelbe Karte)/der fällige Feldverweis (rote Karte) bei der nächsten Spielunterbrechung ausgesprochen werden. Handelte es sich beim Vergehen jedoch um das Vereiteln einer offensichtlichen Torchance, so wird der Spieler wegen unsportlichen Verhaltens verwarnt (gelbe Karte). Verhinderte oder unterband er einen aussichtsreichen Angriff, wird er nicht verwarnt. Somit erfolgt eine sogenannte "Rabattierung" der Kartenfarbe nur (!) im Zusammenhang mit der Vereitelung einer Torchance oder Unterbindung eines aussichtsreichen Angriffs. In diesem konkreten Fall war das Foulspiel nicht gelbwürdig, sodass es richtig war, keine gelbe Karte zu zeigen. Selbst wenn man von einer Vereitelung eines aussichtsreichen Angriffs durch den Torhüter sprechen würde, würde die Rabattierung in Kraft treten und auch dann wäre es richtig, keine gelbe Karte zu zeigen.

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Szene 12: Ulrich Taffertshofer trifft zum 1:0 für Lübeck, allerdings verwehrt der Schiedsrichter dem Treffer aufgrund eines leichten Schubsers von Tommy Gruppe (Lübeck) gegen Nicolai Rehnen (Sandhausen) die Anerkennung. [TV-Bilder – ab Minute 1:20]

Babak Rafati: Ein Torhüter ist, wenn er den Ball nicht in den Händen hält, wie ein Feldspieler zu behandeln. Die Regelung, wie es sie noch vor vielen Jahren gab, dass ein Torhüter im Torraum (Fünfer) absolute Hoheit hat und nicht berührt werden darf, gibt es nicht mehr. Man muss in dieser Szene daher hinterfragen, ob es bei einem ähnlichen Vergehen unter Feldspielern einen Elfmeter oder Stürmerfoul gegeben hätte. Dieser leichte Schubser von Grupe gegen Keeper Rehnen stellt kein Foulspiel dar, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt, diesen Treffer von Taffertshofer abzuerkennen.

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Szene 13: Der bereits gelb-verwarnte Ben Weistermeier (Haching) geht rüde in einen Zweikampf mit Andreas Geipl (Regensburg), kommt bei Schiedsrichter Florian Exner mit einer Ermahnung davon. [TV-Bilder – ab Minute 55:55]

Babak Rafati: Weistermeier will sicherlich den Ball spielen, trifft aber mit einer nicht unerheblichen Dynamik nur den Gegenspieler Geipl hinten in die Beine. Das ist eine rücksichtslose Spielweise und zieht zwingend eine gelbe Karte nach sich. Eine Fehlentscheidung, den bereits gelb-verwarnten Weistermeier nicht mit der gelb-roten Karte vom Platz zu stellen.

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Szene 14: Völlig frei auf dem Weg zum Tor wird Jannik Mause (Ingolstadt) auf Höhe der Mittellinie von Niko Vukancic (Aue) gehalten. Schiedsrichter Lukas Benen belässt es bei Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 2:10]

Babak Rafati: Bei diesem Foulspiel von Vukancic an Mause liegen die Kriterien für eine rote Karte wegen einer Vereitelung einer klaren Torchance nicht vor, sodass die gelbe Karte absolut richtig ist. Mause ist weit vom Tor weg, er hat keine Ballkontrolle und ein weiterer Verteidiger ist noch in Spielnähe, der somit noch circa 35-40 Meter hat, um den Angreifer einzuholen, sodass er noch eingreifen kann.

Szene 15: In einem Zweikampf mit Mirnes Pepic (Aue) spielt Ryan Malone (Ingolstadt) erst den Ball, sieht aber dennoch Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 31:20]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf grätscht Malone zum Ball und spielt diesen sauber sowie bilderbuchmäßig ins Seitenaus. Diese ballorientierte Aktion ist somit kein Foulspiel an Pepic, sodass die Entscheidung auf Foulspiel mit der gelben Karte gegen Malone eine Fehlentscheidung ist.

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Szene 16: Alaar Bakir (Duisburg) kommt im Strafraum gegen Alexander Lungwitz (Freiburg II) zu Fall, kein Elfmeter, sagt Schiedsrichter Christian Ballweg. [TV-Bilder – ab Minute 1:47:15]

Babak Rafati: Der Zweikampf von Lungwitz gegen Bakir ist absolut fair und im Rahmen, da er nur leicht den Arm in den Rücken stößt und solch ein Vergehen im Fußballsport kein Foulspiel darstellt. Somit liegt eine richtige Entscheidung vor, weiterspielen zu lassen.

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