Serie-A-Vorschau Teil 2: Lazio, Cagliari, US Sassuolo, Hellas | OneFootball

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·17. August 2021

Serie-A-Vorschau Teil 2: Lazio, Cagliari, US Sassuolo, Hellas

Artikelbild:Serie-A-Vorschau Teil 2: Lazio, Cagliari, US Sassuolo, Hellas

Am Wochenende rund um den 21. August startet die neue Saison in der Serie A. Meister Inter will seinen Titel verteidigen, viele Klubs wollen das verhindern. Im zweiten Teil unserer großen Saisonvorschau beschäftigen wir uns mit Lazio, Cagliari, US Sassuolo und Hellas.

  • Lazio: Neuer Coach, gleiches Personal
  • Cagliari: Nicht noch so eine Saison…
  • Hellas Verona: Große Fußstapfen von Juric

Lazio (Letzte Saison: 6. Platz Serie A)

Die letzte Spielzeit war keine einfache für Lazio, das mit dem sechsten Platz in der Abschlusstabelle immerhin das Minimalziel Europa League erreichte. Nach einem verhältnismäßig schwachen Saisonstart, katapultierte sich die Mannschaft mit einem starken Lauf von sechs Siegen am Stück nach dem Jahreswechsel zwar bis auf Rang 4 hoch. Doch eine 1:3-Pleite gegen den späteren Meister Inter setzte dem ein Ende und formte den Übergang in eine insgesamt nicht mehr als soliden Rückrunde. Gute und schlechte Phasen wechselten sich anschließend ab, sodass die Champions-League-Plätze am Ende zehn Punkte entfernt blieben.


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Das Ende der „Ära Inzaghi“

Betrachtet man dazu auch noch die xP-Tabelle, so darf sich Lazio sogar glücklich schätzen, da sie 10,62 Punkte mehr erreichten, als sie eigentlich hätten erwarten dürfen. Und auch eine etwas „handfestere“ Statistik wie das Torverhältnis belegt, dass Lazio von der Champions League ein großes Stück entfernt war. Während man mit einem Torverhältnis von 61:55 nur eine Tordifferenz von +6 aufweisen konnte, hatten alle fünf Teams vor ihnen mindestens eine Tordifferenz von +33. Außerdem kassierte keines dieser fünf Teams mehr als 47 Tore und alle erzielten selbst mindestens 74 Treffer.

Und so musste sich auch Trainer Simone Inzaghi (45) letztlich eingestehen, dass die Biancocelesti mit den absoluten Top-Teams der Serie A einfach nicht mithalten können. Fast schon folgerichtig zog der ambitionierte 45-jährige seine Konsequenzen. Nach fünf sehr erfolgreichen Jahren als Cheftrainer ließ er seinen Vertrag auslaufen und schloss sich Meister Inter an. Lazio, das lange Zeit fest von einer Vertragsverlängerung überzeugt war, reagierte darauf aber schnell und ernannte Maurizio Sarri (62) zum neuen Cheftrainer.

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(Photo by IMAGO: Daniele Buffa)

Wie viel Pragmatismus verträgt „Sarri-Ball“?

Die Ernennung Sarris, der nach dem Titel mit Juventus 2019/20 und der anschließenden Entlassung ein Jahr Pause machte, wirkte auf den ersten Blick für viele überraschend. Und auch auf dem zweiten Blick dürfte sich das nicht geändert haben. Der als „Sarri-Ball“ bekannte Ansatz des 62-jährigen, steht für einen extrem Ballbesitz-orientierten, auf Kurzpässen ausgerichteten und fluiden Fußball aus einer 4-3-3-Grundordnung mit offensiven Außenverteidigern. Im Fokus steht dabei ein echter „Regista“ (Jorginho) im zentralen Mittelfeld und zwei inversen, torgefährlichen Flügelspielern. Dieser Blueprint war allem in Neapel, aber auch beim FC Chelsea gut zu erkennen.

Bei Juventus gab sich Sarri unterdessen deutlich pragmatischer. Jedoch teilweise so pragmatisch, dass man mitunter kaum noch erkennen konnte, warum man ihn eigentlich geholt hatte. Der Titel gab ihm am Ende zwar recht, doch er hielt ihm nicht im Amt. Sein „Sabbatical“ in der letzten Spielzeit dürfte ihm aber die Möglichkeit gegeben haben, diese Phase nochmal für sich zu reflektieren. Eine möglich Lehre könnte auch direkt bei Lazio Anwendung finden: Pragmatismus ja, aber in Maßen.

In Rom findet Sarri nämlich einen Kader vor, der zwar einiges hergibt, der aber nicht wirklich zu seinem gewohnten 4-3-3-System passt. Lazio spielte in den vergangen Jahren stets aus einer 3-5-2-Grundordnung heraus und war vor allem im Umschaltspiel extrem gefährlich. Um daraus nun ein ballbesitz- und pressingorientiertes Team zu formen, braucht es sicherlich Geduld und eine Phase des Übergangs.

Trotz Umbruch – Das Grundgerüst bleibt bestehen

Das Grundgerüst um Abwehrchef Francesco Acerbi (33), „Sechser“ Lucas Leiva (34), Spielmacher Luis Alberto (28), Allrounder Sergej Milinkovic-Savic (26) und Torjäger Ciro Immobile (31) dürfte sich auch 2021/22 nicht verändern. Verstärkt wird das Team durch Felipe Anderson (28), der für drei Millionen Euro von West Ham United zurückgeholt wurde und perfekt in Profil des inversen Flügelspielers passt. Daneben kommt Außenverteidiger Elseid Hysaj (27) aus Napoli, der dort bereits erfolgreich mit Sarri zusammenarbeitete.

Senad Lulic (35) hat den Verein dagegen nach zehn Jahren verlassen hat, genauso wie die Routiniers Matteo Musacchio (30) und Marco Parolo (36). Auch die Abgänge zeigen, dass der große Umbruch im überalterten Kader der Laziali bereits begonnen hat. Es wird unterdessen vor allem interessant sein, wer das Tor hüten wird. In Betracht kommen der erfahrene Pepe Reina (38) sowie der hochveranlagte Thomas Strakosha (26), der sich zuletzt mit einem ersten Karriereknick konfrontiert sah. Auch die Entwicklung von Spielern wie Manuel Lazzari (27), Adam Marusic (28) und Mohamed Fares (25), die vor allem in einem System mit einer Dreierkette und echten „Schienenspielern“ funktionieren, dürfte spannend sein. Der Kurswechsel dürfte daher jedenfalls auch Verlierer mit sich bringen. Doch wo es Verlierer gibt, gibt es meistens auch Gewinner…

Player to watch: Raúl Moro

Der erst 18-jährige Spanier feierte zwar bereits in der Saison 2019/20 sein Debüt, doch der Durchbruch blieb ihm bisher noch verwehrt. Nun, eine Saison später und mit einem neuen Trainer, wurde er fest in die erste Mannschaft befördert und könnte zu einem echten Überraschung der Spielzeit werden. Der 1,69-kleine Linksaußen mit dem starken rechten Fuß passt genau ins Profil, das Trainer Maurizio Sarri für sein Spiel benötigt.

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(Domenico Cippitelli/imago)

Mit seiner Status, seinen schnellen Haken und der Tendenz von der linken Seite nach innen zu ziehen, weckt er beinahe zwangsläufig Erinnerungen an Napolis Lorenzo Insigne. Der Europameister hatte auch einst unter Sarri eine solche Entwicklung genommen hat. Im Schatten von Neuzugang Felipe Anderson könnte Moro, beim FC Barcelona ausgebildet, der große Profiteur vom Trainerwechsel werden, weil das System nun endlich auch seine Position beinhaltet.

Prognose Serie A

Lazio befindet sich nach der Ära Inzaghi im Umbruch. Der Trainerwechsel und dessen Implikationen werden den Spielern und der gesamten Institution einiges abverlangen. Doch ein personeller Wandel und eine spielerische Entwicklung waren angesichts des alternden Kaders und der Entwicklung der letzten Jahre unumgänglich. Die Qualifikation für die Champions League erscheint vor diesem Hintergrund unrealistisch zu sein. Doch ein Platz zwischen Rang 5 und 7 muss das Ziel sein. Wobei auch dieses Ziel vielmehr als ein Zwischenetappe auf einer längeren Reise zu verstehen ist.

Cagliari Calcio (Letzte Saison: 16. Platz)

Die Rossoblù haben ein ganz schwere Saison hinter sich. An 14 von 38 Spieltagen standen die Sarden auf einem Abstiegsplatz und mussten bis zum vorletzten Spieltag um den Klassenerhalt bangen. Eine Serie von sieben ungeschlagenen Spielen zwischen dem 31. und dem 37. Spieltag war letztendlich entscheidend, um den absoluten GAU noch zu verhindern. Nur zur Einordnung: Noch am 30. Spieltag hatte Cagliari acht (!) Punkte Rückstand auf das rettende Ufer. Insofern darf der Klassenerhalt irgendwo sogar als Erfolg verbucht werden, obwohl man sich eigentlich so viel mehr von der Saison versprochen hatte.

Der Vier-Wochen-Irrtum

Die wohl absurdeste Geschichte der Saison ereignete sich unterdessen auf der Trainerposition Cagliaris. Direkt am Tag nach dem Hinrunden-Abschluss, entschied sich Cagliari – zu diesem Zeitpunkt auf Rang 18 stehend und seit 12 Spielen sieglos – dazu, den ohnehin noch bis Juni 2022 laufenden Vertrag mit Trainer Eusebio Di Francesco (51), der Cagliari erst vor der Saison übernommen hatte, vorzeitig bis 2023 zu verlängern. Die Verlängerung sei ein Zeichen der „Stärke und Solidarität“, ließ der Verein verlauten. Nur vier Wochen und vier sieglose Spiele später trennte man sich dann doch von Di Francesco. Leonardo Semplici (54), zuvor fünf Jahre sehr erfolgreich bei SPAL, übernahm und konnte seither eine positive Bilanz ausweisen. Seine Ausbeute von sechs Siegen, vier Remis und fünf Niederlagen in 15 Spielen sorgte für die Kehrtwende.

Folgerichtig geht Cagliari nun auch mit Semplici als Trainer in die neue Saison und hofft, dass man an die erfolgreiche Periode der abgelaufenen Saison anknüpfen kann. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass sich eine Mannschaft, die dem Abstieg knapp entkommen ist, in der darauffolgenden Spielzeit enorm steigert.

(Noch) wenig Veränderung – Fragezeichen hinter Nández

Personell hat Cagliari (bisher) allerdings nicht allzu viel unternommen. Der rumänische Spielmacher Razvan Marin (25) wurde gemäß einer verpflichtenden Kaufoption für zehn Millionen Euro fest verpflichtet, ebenso Rechtsverteidiger Gabriele Zappa (21). Darüber hinaus wurden mit Mittelfeldspieler Kevin Strootman (31/Marseille) und Linksverteidiger Dalbert (27/Inter) zwei Spieler ausgeliehen. Auf der anderen Seite kehrten mit Daniele Rugani (26), Radja Nainggolan (33), Alfred Duncan (28) und Ricardo Sottil (22) gleich vier prominente Leihspieler zu ihren Stammvereinen zurück. Daneben wurden mit Filip Bradaric (29) sowie Kiril Despodov (24) zwei Spieler für vergleichsweise kleine Ablösesummen abgegeben.

Größere Einnahmen könnte Cagliari nur dann noch erwarten, wenn Rekord-Einkauf Nahitan Nández (25, kam 2019 für 17 Millionen Euro von den Boca Juniors) noch abgegeben werden sollte. Um den Uruguayer ranken sich etlich Gerüchte, von Napoli, über Leeds bis hin zu Tottenham. Ein Transfer kam bisher jedoch noch nicht zustande. Ohne größere Einnahmen, ist aber auch auf der Zugangsseite nicht mehr mit größeren Investments zu rechnen, weshalb der Stamm mutmaßlich weitestgehend unverändert bleiben wird.

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(Photo by IMAGO: xAlessandroxTocco LaPressex)

João Pedro aka „die Lebensversicherung“

Im Tor ist Keeper Alessio Cragno (27) unumstritten. Die Dreierkette wird von Routinier Diego Godín (36) angeführt, während Marin, zukünftig wohl von Strootman abgesichert, im Mittelfeld die Fäden zieht sowie Kapitän João Pedro (29), der vorne für die Tore sorgen soll. Der Brasilianer hat sich den letzten beiden Spielzeiten mit 18 respektive 16 Saisontoren zur absoluten Lebensversicherung Cagliaris entwickelt. Unterstützt werden soll er eigentlich von Giovanni Simeone (26), der in seiner ersten Saison mit zwölf Ligatreffern Hoffnungen weckte, die er in der vergangenen Spielzeit nicht bestätigen konnte. Der Argentinier muss sich gegen den erfahrenen und bulligen Leonardo Pavoletti (32) durchsetzen, um sich einen Platz in Semplicis 3-5-2-System zu verdienen.

Die wohl interessantesten Positionen im besagten 3-5-2-System, neben den beiden Flügelpositionen, sind aber definitiv die beiden äußeren Positionen in der Dreierkette. Mit Sebastian Walukiewicz (21) und Andrea Carboni (20) stehen dafür auch gleich zwei junge und hochinteressante Spieler parat. Um Letzteren soll es auch in der folgenden Sektion gehen…

Player to watch: Andrea Carboni

Wie kürzlich bei der Europameisterschaft gesehen, sind Innenverteidiger aus der Serie A immer noch der „Gold-Standard“ im europäischen Fußball. Dass Carboni diesem Standard bereits entspricht, wäre sicherlich zu hoch gegriffen. Doch der gebürtige Sarde bringt einiges mit, um sich diesem zumindest langsam aber sich anzunähern. Neben einer ordentlichen Größe von 1,87m, verfügt Carboni über ein anständiges Grundtempo und einen starken linken Fuß, was in Kombination schon ein sehr attraktives Profil ergibt. Darüber hinaus fühlt er sich auch in Ballbesitz wohl und scheut sich auch nicht davor bis ins letzte Drittel mit vorzudringen.

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(Luigi Canu/imago)

Ingesamt ist er ein sehr moderner Verteidiger, der sich im Ballvortrag rege beteiligt, ohne dabei die defensiven Komponenten zu vernachlässigen. Mit nur 22 Serie-A-Spielen auf der Habenseite fehlt es ihm zwar noch an der nötigen Erfahrung. Aber jene erlangt man bekanntlich nur durch Einsätze. Die dürfte er in der kommenden Saison aber sicherlich bekommen.

Prognose Serie A

Unter Trainer Semplici hat Cagliari in der abgelaufenen Saison eine sehr erfreuliche Entwicklung genommen. Daran will man auch in der kommenden Saison daran anknüpfen. Der Kader hat sich zwar (noch) nicht gravierend verändert, doch womöglich ist es vor allem die Kontinuität, die in den vergangenen Spielzeiten gefehlt hat. Insofern muss das kein schlechtes Omen sein. Dem Kader war an sich auch in der abgelaufenen Saison mehr zuzutrauen, weshalb auch in der Spielzeit 2021/22 das gesicherte Mittelfeld der Anspruch Cagliari sein sollte. Platz 11-15 erscheint realistisch zu sein.

US Sassuolo (Letzte Saison: 8. Platz Serie A)

Die Neroverdi gehen mittlerweile schon in ihre neunte Serie-A-Saison am Stück und haben sich in den vergangenen Jahren unter Trainer Roberto De Zerbi (42) im oberen Mittelfeld der Liga etabliert. Die abgelaufene Spielzeit beendete Sassuolo auf einem ordentlichen achten Rang, wobei die Verantwortlichen rückblickend sicherlich das Gefühl gehaben, dass mehr drin gewesen wäre. Doch es sollte nicht sein. Und wenn man ganz ehrlich mit sich ist, wird man auch in Sassuolo erkennen, dass vor allem die Defensivleistung nicht ausreichend war, um mehr beanspruchen zu können. 64 selbst erzielten Toren standen nämlich 56 Gegentore entgegen. Diese Ausbeute war letztlich einfach zu viel, um im Konzert der ganz Großen mitspielen zu können.

Die Ballbesitz-Könige

Nichtsdestotrotz zeigt schon das Torverhältnis wofür Sassuolo steht: Attraktiven Offensivfußball. Kein Team hatte mehr Ballbesitz (60,8%), kein Team spielte mehr Pässe, nur zwei Teams spielten mehr Pässe ins letzte Drittel und nur drei Teams spielten mehr erfolgreiche Pässe in den Strafraum. Doch das alles ist nicht nur Statistik. Es ist auch tief eingebettet in einen gefestigten Spielstil. De Zerbi ließ zumeist aus einer 4-2-3-1-Grundordnung spielen, wobei die Außenverteidiger im Aufbau oft relativ tief standen, um am Ballvortrag teilzunehmen. Zudem blieb auch ein „Sechser“, zumeist Manuel Locatelli (23), im Spielaufbau sehr tief, um im Zentrum eine Überzahlsituation zu schaffen. Diese Überzahl sollte, sobald eine Linie überwunden werden konnte, mittels Nachrücken in die nächste übertragen werden.

Während Sassuolo im Aufbau zumeist relativ eng stand, versuchten sie im letzten Drittel Breite zu erzeugen. Dies geschah vor allem durch ihre beiden Flügelspieler. Domenico Berardi (27) zog dabei gerne vom rechten Flügel ins Zentrum, um mit seinem starken linken Fuß abzuschließen. Jérémie Boga (24) war der auf der linken Gegenseite mit seiner Physis schwer zu stoppen war und suchte stets das Dribbling (dritthöchster Wert ligaweit). Im letzten Drittel selbst profitierten sie dann oftmals von der individuellen Qualität Berardis (17 Tore und acht Assists) und eines Francesco Caputo (32, elf Tore, acht Assists).

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(Photo by IMAGO: Copyright: MatteoxNardone)

De Zerbi ist weg, Locatelli wohl auch

So viel zum Stil Sassuolos unter De Zerbi, doch nun gibt es ein Problem – die Sommerpause. In dieser hat der Trainer den Klub nämlich Richtung Shakhtar Donzek verlassen. Auch Schlüsselspieler Locatelli steht nach einer starken Europameisterschaft vor dem Abgang (mutmaßlich zu Juventus). Locatelli war DIE Verkörperung von De Zerbis Philosophie. Ein eleganter Spielmacher, mit einer großartigen Technik, einer unfassbaren Ruhe am Ball, aber auch einer guten Aggressivität gegen den Ball und einer ansprechenden Dynamik. Auch ein Blick in die Statistiken untermalt die These. Kein Spieler hatte in der abgelaufenen Saison mehr Ballberührungen (3167), niemand spielte mehr Bälle ins letzte Drittel (289) und niemand wurde häufiger angespielt (2589).

Doch weil Abgänge (insbesondere für einen Verein wie Sassuolo) nun mal Teil des Geschäfts sind, haben sich die Neroverdi gut darauf vorbereitet. Mit Alessio Dionisi (41) verpflichtet man einen Trainer, der in der letzten Saison mit Empoli den Aufstieg schafft, dabei nur 35 Gegentore in 38 Spielen kassierte. Daneben wurde mit Matheus Henrique (23) ein hochveranlagter brasilianischer Nationalspieler als mutmaßlichen Nachfolger für Locatelli geholt. Der Olympia-Sieger kommt auf Leihbasis mit Kaufpflicht von Gremio.

Wenig Veränderung im Kader

Darüber hinaus präsentierte sich Sassuolo auf dem Transfermarkt bisher eher zurückhaltend. Hamed Junior Traoré (21), Jeremy Toljan (26) und Maxime Lopez (23) wurden nach Leihgeschäften nun fest verpflichtet. Dazu kommt, neben Matheus Henrique, auch noch Innenverteidiger Ruan (22). Der Abwehrspieler wurde ebenfalls von Gremio geholt, aber direkt wieder an seinen Ex-Klub verliehen. Auf der anderen Seite folgte Innenverteidiger Marlon (26) De Zerbi in Richtung Donzek, wofür Sassuolo immerhin 12 Millionen Euro bekam. Federico Francesco (27) und Giangiacomo Magnani (25) wurden an ihre vorherigen Leihklubs verkauft.

Weitere Dynamiken dürften sich wohl nur ergeben, wenn Locatellis Verkauf perfekt gemacht und vielleicht auch noch Boga abgegeben wird. Der Klub wollte eigentlich eine strikte Haltung bezüglich Abgängen einnehmen. Alles in allem bleibt aber auch Sassuolos Gerüst beisammen. Andrea Consigli (34) im Tor, Gian Marco Ferrari (29) als Abwehrchef, Berardi als Kapitän und Caputo als Fixpunkt im Angriff. Auf Matheus Henrique darf man unterdessen gespannt sein, ebenso wie auf die vielen interessanten Youngster: Davide Frattesi (21), der letzte Saison auf Leihbasis in Monza spielte und vollauf überzeugte. Gleiches gilt für Traorè, dessen feste Verpflichtung sich Sassuolo 16 Millionen Euro kosten ließ. Daneben glänzte Giacomo Raspadori (21) in der abgelaufenen Saison mit sechs Treffern und drei Assists in gerade mal 1222 Erstliga-Minuten. Auch Gianluca Scamacca (21) ist hier zu nennen. Der Stürmer erzielte in der abgelaufenen Saison für Genoa acht Serie-A-Tore. Daneben ist er mit seiner Größe von 1,95m eine Alternative zu den ansonsten kleinen Stürmern.

Player to watch: Matheus Henrique

Matheus Henrique ist zwar etwas älter als sein Vorgänger Locatelli, doch er ist noch nicht ganz so weit. Henrique verfügt technisch und körperlich über alle nötigen Anlagen. Doch weil er bisher nur in seiner Heimat Brasilien spielte, ist zu bezweifeln, dass er auf Anhieb das Niveau Locatellis erreicht. Nichtsdestotrotz ist er ein extrem spannender Spieler. Er verfügt über ein großartiges Passspiel und versucht immer wieder schnell ins letzte Drittel zu stoßen.

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(Matheus Pe/imago)

Darüber hinaus trägt er den Ball auch gerne durchs Mittelfeld, wobei er vor allem immer dann gut ist, wenn er sich durch intelligente Bewegungen aus engen Situationen befreien kann. Ähnlich wie Locatelli, nimmt er sich auch gerne Schüsse aus der Distanz, was seiner Torgefährlichkeit durchaus zuträglich ist. Insgesamt ist er noch ein wenig roh und nimmt vor allem viele Risiken in Kauf. Doch auch das trägt dazu bei, dass man ihm gerne beim Fußball spielen zusieht.

Prognose Serie A

Nach drei sehr guten Jahren unter De Zerbi, wird sich Sassuolo wieder verändern (müssen). Ein neuer Impuls könnte der Mannschaft zwar durchaus gut tun, um nicht zu berechenbar zu werden. Dennoch ist davon auszugehen, dass die Transformation ein wenig Zeit benötigen wird. Das Fundament ist zwar sehr gut und es steckt auch noch extrem viel Potenzial im Kader. Doch ein neuer Trainer ist auch immer ein Risiko, insbesondere wenn noch ein so wichtiger Spieler wie Locatelli gehen sollte. Den Neroverdi ist eine gute Saison zuzutrauen, die ihnen einen Platz im Mittelfeld garantiert. Doch für den Angriff auf die europäischen Plätze wird es wohl nicht reichen. Platz 8-11.

Hellas Verona (Letzte Saison: 10. Platz Serie A)

Nach dem direkten Wiederaufstieg in der Saison 2018/19, hat Hellas Verona mit einem je neunten Platz und einem zehnten Platz für Aufsehen. Überraschend war dabei vor allem, wie stabil sich die Gialloblu dabei präsentierten. Vor allem in der letzten Saison standen sie niemals schlechter als auf Platz 10, der späteren Endplatzierung. Letztlich musste man sogar etwas enttäuscht sein, dass der neunten Platz aus dem Vorjahr nicht bestätigt konnten. Das wiederum lässt sich vor allem darauf zurückführen, dass Hellas keines der letzten neun Ligaspiele gewinnen konnte. Zudem störten interne Streitigkeiten die Arbeitsatmosphäre.

Kommt das „kleine Atalanta“ vom Weg ab?

Am Ende war es keine Überraschung mehr, dass der Vertrag mit Trainer Ivan Juric (45) aufgelöst wurde. Der Trainer zog zu Torino weiter. Leider wird dieses Ende einer extrem erfolgreichen Periode nicht gerecht, in der sich Hellas einen Ruf als einen der unangenehmsten Gegner der Liga erarbeitet hat. Dieser Ruf kommt auch nicht von ungefähr, denn Juric ist ein begeisterte Schüler von Atalanta-Coach Gian Piero Gasperini (63). Ähnlich wie Atalanta, spielte auch Hellas unter Juric einen extrem intensives Pressing aus einer 3-4-2-1-Grundformation. Diese Vorzüge nutzt man im Ballbesitz wiederum dazu, die Flügel zu überlagern und mittels dieser Überzahl-Situationen durchzubrechen.

Wie viel von diesem Ansatz noch überbleibt, nachdem Juric den Club verlassen hat und durch Eusebio Di Francesco (51) ersetzt wurde, bleibt fraglich. Zu seiner Zeit bei Sassuolo und der Roma stand Di Francesco für einen offensiven, aggressiv und ballbesitzorientierten Ansatz. Doch davon war bei seinen letzten Stationen, Sampdoria (8 Spiele) und Cagliari (26 Spiele), nicht mehr viel zu sehen. Hellas ist auch für ihn eine große Chance, den eigenen Ruf wiederherzustellen. Ein Ziel, das der Verein in den letzten beiden Spielzeiten durchaus schon erreicht hat.

Di Francesco muss liefern

Doch bei Hellas wartet zunächst einmal viel Arbeit auf den 51-jährigen. Denn neben Trainer Juric, haben auch Stammtorwart Marco Silvester (30/Udinese) und Abwehr-Juwel Matteo Lovato (21/Atalanta) den Verein verlassen. Auf der anderen Seite konnte man die bisher nur ausgeliehenen Antonin Barak (26), Giangiacomo Magnani (25) und Federico Ceccherini (29) fest verpflichten. Dazu kommen drei neue Leih-Verpflichtungen: Torwart Lorenzo Montipo (25/Benevento), Linksverteidiger Gianluca Frabotta (21/Juventus) und Martin Hongla (23/Antwerpen). Mit Kapitän Miguel Veloso (35), Spielmacher Mattia Zacagni (26) sowie den Stürmern Kevin Lasagna (29) und Nikola Kalinic (33) stehen zudem einige erfahrene Leistungsträger parat.

Di Francescos muss aus dem großen Kader und vieler Bewegungen innerhalb dessen eine funktionierende Mannschaft formen. Darüber hinaus wird er sich vor allem seine eigene Philosophie zu implementieren, ohne dabei die vorhandenen Stärken aus den Augen zu verlieren. Eine keineswegs einfache Aufgabe.

Player to watch: Antonin Barak

Anders als die anderen drei bisher Genannten, ist Barak mit seinen 26 Jahren nicht mehr als Talent zu bezeichnen. Dennoch ist der tschechische Spieler jemand, der richtig Spaß machen kann, dem man gerne zu sieht. Mit seinen runtergeschobenen Stutzen und seinen stets weißen Schuhen sticht er schon optisch ins Auge. Doch ebenso mit seiner Spielweise fällt er sofort auf. Er ist überall auf dem Platz zu finden, macht viele Meter und taucht auch immer wieder in gefährlichen Räumen auf. Wie in der letzten Saison, in der ihm sieben Tore und drei Assists gelangen. Auch bei der EM, bei der er im Achtel- und im Viertelfinale zum Einsatz kam, fiel er positiv auf. Hoffentlich nimmt er den Schwung mit nach Verona.

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(Davide Casentini/imago)

Prognose Serie A

Hellas ist nach dem Trainerwechsel schwerer einzuschätzen denn je. Trainer Di Francesco kann funktionieren. Doch auch das Gegenteil ist mindestens genauso wahrscheinlich. Von Abstiegskampf bis Tabellenmittelfeld scheint alles möglich zu sein. Mehr jedoch auf keinen Fall. Die Mannschaft hat durchaus Qualität, aber die Qualität ist nicht allein ausreichend, um eine sorgenfreie Saison zu garantieren. Die Grundzüge, die Juric dieser Mannschaft mitgegeben hat, sollten dennoch ausreichen, um den Klassenerhalt zu sichern. Platz 12-16.

(Vincent Janine/imago)

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