Sadio Mané zum FC Bayern: Gute Seiten, schlechte Seiten | OneFootball

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Miasanrot

·24. Juni 2022

Sadio Mané zum FC Bayern: Gute Seiten, schlechte Seiten

Artikelbild:Sadio Mané zum FC Bayern: Gute Seiten, schlechte Seiten

Sadio Mané wechselt zum FC Bayern. Sportvorstand Hasan Salihamidžić begrüßte den Senegaler sichtlich stolz und stellte ihn als internationalen Topstar vor, der dem Weltfußball seinen Stempel aufgedrückt habe. Miasanrot sieht gute und schlechte Seiten an dem Transfer.

Manés fußballerische Klasse ist unstrittig. Bei Miasanrot gehen die Meinungen zum Transfer dennoch auseinander. Justin erklärt, warum der Transfer sinnvoll ist und wie Mané den FC Bayern weiterbringen wird. Georg äußert seine Bedenken.


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Sadio Mane: Gute Seiten, schlechte Seiten

Von Justin Kraft (gute Seiten) und Georg Haas (schlechte Seiten)

Sadio Mané – Gute Seite: FC Bayern holt “Weltstar”

Der FC Bayern München wurde auf seiner Pressekonferenz nicht müde, zu betonen, dass man einen “Weltstar” an die Säbener Straße geholt habe. Unabhängig davon, wie man einen solchen “Weltstar” nun definiert, ist es wohl unstrittig, dass sie sich zumindest mal einen der besten Fußballer des Planeten geangelt haben.

Champions-League-Sieger, englischer Meister, diverse Pokale – wann ist zuletzt ein Spieler, der derartige Erfolge als Schlüsselspieler eines Top-Klubs feierte, quasi auf seinem Höhepunkt in die Bundesliga gewechselt? Transfers wie jene von Xabi Alonso, Ruud van Nistelrooy oder Raúl erfolgten jeweils in Richtung Karriereende. Jene von Arjen Robben und Franck Ribéry wurden vor ihrem Peak abgewickelt.

Insofern ist der Transfer des 30-Jährigen ein echtes Statement. Bayern untermauert damit eindrucksvoll die eigens formulierten Ambitionen, den Kader weiterhin auf Top-Niveau und konkurrenzfähig für die Champions League zu halten. Angesichts der drohenden Abgänge von Robert Lewandowski und Serge Gnabry war es wichtig, einen Spieler mit der Erfahrung und Qualität eines Mané zu verpflichten.

Zwar gibt es im U-25-Bereich viele Spieler, denen zu Recht eine ähnliche Entwicklung nachgesagt wird, aber bei Mané wissen die Bayern, was sie bekommen – und es ist unwahrscheinlich, dass er das nicht noch mindestens bis Vertragsende unter Beweis stellen kann. Insofern sollte man nicht zu viel Wert auf das Alter legen.

Sadio Mané – Schlechte Seite: Auf der falschen Seite der 30

Es stimmt, dass das Alter nur ein Teilaspekt ist. Robert Lewandowski zeigt, wie gut Fußballer altern können. Der abwanderungswillige Superstar wurde über 30 noch besser als er vorher schon war. Verdientermaßen wurde er im Alter von 32 und 33 zweimal in Folge zum FIFA-Weltfußballer des Jahres gewählt. Trotzdem sollte nicht ignoriert werden, dass Lewandowski eher die Ausnahme als die Regel ist.

Bei den meisten Fußballern geht die Leistungskurve ab 30 nur in eine Richtung: nach unten. Bei einigen schneller, bei anderen langsamer. Selbst jene Spieler, die über 30 noch gute Leistungen zeigen, kommen in der Regel nicht mehr an die Leistungen ihrer besten Phasen heran. Hat Jérôme Boateng ab 2018 – in dem Jahr wurde er 30 – noch gute Leistungen gezeigt? Durchaus. Kam er an die Leistungen von “Peak-Boateng” aus den Jahren 2013-2016 heran? Nein.

Am Beispiel der beiden größten Stars der jüngeren Zeit Messi und Ronaldo soll das Phänomen verdeutlicht werden. Beide zeigen auch im hohen Fußballeralter noch Weltklasseleistungen.

Doch ihr Leistungsniveau täuscht darüber hinweg, dass auch bei ihnen ab 30 ein Leistungsabfall einsetzte. Sie waren in ihren Zwanzigern schlicht noch besser. Im Schnitt gelangen den beiden in ihren frühen Dreißigern, also den Jahren, die Mané in München spielen wird, pro Saison zwölf Scorerpunkte weniger als in den sechs Jahren davor.

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Ganz ähnlich sieht der Alterungsprozess bei den beiden legendären Flügelstürmern des FC Bayern Arjen Robben und Franck Ribéry aus. Die beiden sammelten von 30-32 im Durchschnitt zehn Scorerpunkte weniger als in den Jahren davor.

Die Frage ist nicht, ob Mané jenseits der 30 abbaut. Die Frage ist, wann und wie stark er abbauen wird.

Sadio Mané – Gute Seite: Potenzial zur Ausnahme

Georg arbeitet zu Recht heraus, dass es in den meisten Fällen ab 30 mindestens leicht bergab geht. Ich möchte hier noch zwei Aspekte ergänzen: Erstens wird Mané immer wieder für seine Professionalität gelobt. Er sei ein Vorzeigeprofi, der viel Wert auf Ernährung und Fitness lege.

Dass er in den letzten Jahren so gut wie nie verletzt war und selten in Formlöcher fiel, obwohl er in der Spielplan-Hölle in England tätig war, spricht für ihn. Letztendlich ist ein Spieler so gut, wie sein letzter Eindruck war – und der ist nun über lange Zeit beständig.

Jürgen Klopp attestierte ihm in diesem Jahr sogar nochmal eine Leistungssteigerung. Selbst wenn Mané jetzt abbauen sollte, sehe ich ihn immer noch auf Spitzenniveau und das wird er, wenn alles passt, noch zwei, drei Jahre halten können.

Zweitens spielt der Preis natürlich eine Rolle. Letztendlich sprechen wir verschiedenen Medienberichten nach über einen 32-Millionen-Euro-Transfer, der durch erfolgsabhängige Boni auf 41 Millionen Euro ansteigen kann. Gehaltsmäßig soll er sich mit 15 Millionen Euro Bruttogehalt sogar hinter Leroy Sané und Kingsley Coman einordnen. Aus meiner Sicht ist das ein Top-Deal.

Natürlich hat er keinen Wiederverkaufswert, aber rein sportlich betrachtet kann er ein wichtiger Eckpfeiler in einer Offensive sein, der die Top-Spieler auszugehen drohen. Wäre ich Hasan Salihamidzic, hätte ich zu diesen Konditionen ebenfalls nicht gezögert.

Sadio Mané – Schlechte Seite: Nur ein Zufalls- und Prestigetransfer?

In seinem Artikel bei Spox bezeichnete Justin die Verpflichtung Manés als Prestigetransfer. Eine angemessene Einschätzung. Denn in sportlicher Hinsicht stellt der Mané-Transfer mehr Fragen als er beantwortet.

Stand jetzt ist völlig offen, welches System der FC Bayern mit ihm spielen wird und auf welcher Position der Neuzugang eingesetzt werden soll.

Das Vorgehen erinnert an jene 2010 von Philipp Lahm in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung angeprangerte Transferstrategie. “Man darf Spieler nicht einfach kaufen, weil sie gut sind”, so der spätere Kapitän damals.

“Wir haben zum Beispiel Arjen Robben geholt, weil er ein sehr guter, internationaler Spieler ist. Aber wir haben ihn nicht geholt, weil wir gesagt haben: Okay, wir spielen jetzt künftig im 4-3-3-System. So etwas gibt es bei uns nicht: Dass der Verein etwas vorgibt und alles darauf aufgebaut wird”, präzisierte Lahm und forderte ein planvolleres Vorgehen bei Transfers: “Denn genau so muss es doch gehen: Man sagt, okay, wir spielen jetzt 4-3-3 in den nächsten Jahren, und dann überlege ich: Welche drei Spieler hole ich dafür im zentralen Mittelfeld?”

Die gleichen Fragen stellen sich jetzt wieder: Wurde Mané einfach gekauft, weil er gut ist? Oder welches Suchprofil füllt er aus? Welches fehlende Puzzleteil ist Mané?

Anders als etwa bei Noussair Mazraoui, der für die klar definierte vakante Planstelle eines offensivstarken Rechtsverteidigers verpflichtet wurde, fehlt diese Klarheit beim Transfer Manés.

Sadio Mané bringt Erfahrung und Torgefahr mit und kann offensiv fast alle Positionen bekleiden. An Erfahrung mangelt es dem Kader jedoch nicht. Im Gegenteil, insbesondere die Offensive mit Lewandowski (33), Müller (32), Choupo-Moting (33), Coman, Gnabry, Sané (alle 26) verfügt über umfangreiche internationale Erfahrung.

An Torgefahr mangelt es einer der besten Offensiven Europas, die in der abgelaufenen Saison auf 97 Ligatore kam, bisher ebenfalls nicht. Mit Serge Gnabry steht sogar bereits ein Spieler mit einem sehr ähnlichen Profil im Kader. Auch der deutsche Nationalspieler ist als Flügelstürmer mehr Vollstrecker als Vorbereiter. Und das sogar effizienter als der Senegaler. So erzielte Serge Gnabry für den FC Bayern alle 172 Minuten ein Tor, während Mané beim FC Liverpool 180 Minuten pro Tor brauchte.

Als Lewandowski-Nachfolger kommt er letztendlich ebenfalls nicht in Frage. Auch wenn der Mané im Zentrum spielen kann, entspricht er kaum dem Profil, das man für einen Nachfolger definiert hätte.

Sadio Mané scheint tatsächlich genauso zufällig während eines Gesprächs im Garten auf der Wunschliste des FC Bayern gelandet zu sein, wie Sportvorstand Salihamidžić es in der Sport Bild andeutete.

Nun kann aus dem in den Schoß gefallenen Transfer dennoch ein sportlicher Volltreffer werden. Vielleicht führt Manés Verpflichtung dazu, dass der FC Bayern sein System auf eine flexible Dreiersturmreihe umstellt, die dem FC Bayern mittelfristig mehr Stabilität verleihen könnte. Dann allerdings warten noch einige Hausaufgaben auf den Sportvorstand, denn der aktuelle Kader ist nicht für ein 4-3-3 oder 3-4-3 zusammengestellt.

Für einen stringenten Prozess in der Kaderplanung, den Lahm einst einforderte und den der FC Bayern in den 2010ern überwiegend umsetze, spricht die Verpflichtung jedoch auch dann nicht.

Sadio Mané – Gute Seite: Fußball ist oft zufällig

Grundsätzlich stimme ich all den hervorgebrachten Argumenten zu, die unterstreichen, dass dieser Transfer nicht von langer Hand geplant war – obwohl Bouna Sarr ja mit Mané gesprochen haben soll. Längst vorbereitete Masterclass von Hasan Salihamidzic?

Aber Spaß beiseite: Es ist eine ordentliche Portion Zufall dabei. Hätte man Mané geholt, wenn mindestens einer der Flügelspieler eine herausragende Saison gespielt hätte? Oder wenn das Lewandowski-Drama nicht wäre? Oder Serge Gnabry längst verlängert hätte? Die Tendenz ist eher, dass es nicht dazu gekommen wäre.

Gleichzeitig muss Zufall nichts Schlechtes sein. Oft genug führte er in der Vergangenheit dazu, dass beim FC Bayern notwendiger Wandel angestoßen wurde. Jürgen Klinsmanns Scheitern und die Verpflichtung von Louis van Gaal waren auch nicht frei von Zufällen. Die Verpflichtung von Arjen Robben war sogar eine Verkettung mehrerer zufälliger Ereignisse.

Bayern wird sich heute wohl kaum darüber beschweren. Es gab sie in der Vergangenheit, es wird sie in der Zukunft geben: Zufallstransfers sind auch bei den größten Klubs ein wesentlicher Bestandteil. Mal funktionieren sie, mal nicht.

Real Madrid gewann die Champions League in den vergangenen neun Jahren fünfmal. Einen strategisch bis ins Detail ausgeklügelten Plan konnte ich nicht erkennen. Vieles davon beruhte auf vielen Ebenen auf Zufällen. Nun kann sich Real das eher erlauben als der FC Bayern, weil sie eine besondere Stellung in Europa haben.

Allerdings ist der Punkt, dass man auch Zufälle manchmal einfach mitnehmen muss. Sadio Mané ist ein Top-Fußballer. Er bringt Qualitäten mit, die die Offensive auch unabhängig von irgendwelchen Rollen und Planstellen verbessern werden. Und er ist ganz nebenbei gemerkt ein Typ, der sehr umgänglich zu sein scheint. Keine Allüren, keine Skandale, keine besonders auffälligen Sonderansprüche in den vergangenen Jahren – einfach einer der besten Fußballer der Welt, der nicht im Mittelpunkt stehen möchte.

Was mich am Spieler Sadio Mané aber am meisten fasziniert, ist seine Persönlichkeit neben dem Platz. Er spielt einerseits, wie jeder andere, um Geld zu verdienen und Spaß auf dem Platz zu haben, aber eben auch für seine Heimat. Er hat dort ein Krankenhaus und eine Schule erbauen lassen, unterstützt jede Familie dort mit umgerechnet 70 € im Monat – es gibt viele sozial engagierte Profis, aber als Typ sticht er in der Weltspitze heraus.

Für den FC Bayern ist das deshalb nicht nur sportlich ein Glücksfall, den er – Zufall hin oder her – unbedingt nutzen musste. Die Marketingabteilung wird sich in jedem Fall freuen – und den Klub insgesamt sowieso. Allein die Tage nach der Verkündung sind doch das beste Beispiel: Aktuell wird über das Lewandowski-Thema mit einer ganz anderen Brisanz berichtet. Und dennoch will ich Georgs Punkt nicht wegdiskutieren: Letztendlich wird es darauf ankommen, den Zufall möglichst gut einzubinden, sodass in zwei Jahren keiner zurückblickt und genau das kritisieren kann, was Lahm einst kritisierte.

Sadio Mané – Schlechte Seite: Teurer Transfer mit hohen Opportunitätskosten

Mané wechselt Medienberichten zufolge für 32 Millionen Euro plus Bonuszahlungen von bis zu 9 Millionen Euro zu den Bayern. Zu seinem Gehalt gibt es verschiedenen Spekulationen, es dürfte nördlich von 15 Millionen pro Saison liegen.

Was die Gesamtkosten angeht, liegt Mané damit gemeinsam mit oder knapp hinter Lucas Hernández und Leroy Sané an der Spitze des Kaders. Anders als Mané sind beide erst 26 Jahre alt, sodass die Wahrscheinlichkeit einer Vertragsverlängerung oder eines angemessenen Weiterverkaufs deutlich höher ist als bei Mané.

Genau wird man es erst nach Ablauf ihrer Zeit beim FCB bewerten könnte, aber Stand jetzt ist die Chance groß, dass Mané der pro Saison gerechnet teuerste Spieler des Kaders wird.

Nun ist der FC Bayern ein reicher Verein. Er kann sich einen teuren Mané leisten. Aber auch für den reichen FC Bayern gilt, dass er auf seine Finanzen achtet. Oliver Kahn und Herbert Hainer werden nicht müde, die Belastungen der Corona-Pandemie und Umsatzausfälle zu betonen.

Laut Transfermarkt.de liegt der FC Bayern im Ranking der Transferausgaben der letzten zehn Jahre auf Platz 19 und investiert im Saldo durchschnittlich 38 Millionen Euro pro Saison. Der FC Bayern wirtschaftet umsichtig.

Stand jetzt ist davon auszugehen, dass Mané der teuerste Einkauf des Sommers bleibt.

Der Transfer bedeutet deshalb aller Voraussicht nach, diese Saison Christopher Nkunku nicht zu kaufen. Moussa Diaby nicht zu kaufen. Florian Wirtz nicht zu kaufen.

Mané zu kaufen bedeutet, auf die Chance auf einen kommenden Superstar zu verzichten.

Ribéry kam im Alter von 24 zum FC Bayern. Robben, Lewandowski und Neuer waren 25, als sie an die Isar wechselten. Das waren die wichtigsten Transfers der letzten 15 Jahre, das waren Transfers, die den Unterschied machten, die Bayern zu dem Superclub machten, der er heute ist.

Dieses Erfolgsrezept gilt nicht exklusiv für den FC Bayern, sondern auch für die anderen Clubs, die im vergangenen Jahrzehnt ohne Scheich- oder Oligarchenmillionen in der Champions League für Furore sorgten. Cristiano Ronaldo schloss sich mit 24 Real Madrid an. Sergio Ramos war 19, Modric 26 und Kroos 24, als sie zu den Königlichen wechselten.

Liverpools legendärer Dreiersturm? Salah kam mit 25 zu den Reds, Mané mit 24, Firmino mit 23. Van Dijk mit 27, Alisson mit 25.

Man findet nur wenige große Ü-25-Transfers, die einem dieser Vereine entscheidend(!) halfen.

Um die höchsten Ziele zu erreichen, muss der FC Bayern investieren. Das steht außer Frage. Aber die jüngere Fußballgeschichte zeigt, dass es die Investitionen in junge, aufstrebende Stars sind, die den größten Ausschlag geben. Mit der Verpflichtung von Mané verzichten die Bayern auf die Chance, einen solchen langfristigen Unterschiedspieler zu finden.

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