MillernTon
·26. Juni 2025
Saad, but true

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·26. Juni 2025
Elias Saad wechselt zum FC Augsburg. Dem FC St. Pauli bleibt eine ordentliche Ablösesumme, dringender Bedarf in der Offensive und eine bittere Erkenntnis.(Titelfoto: Stefan Groenveld)
Etwas plötzlich, aber nicht völlig überraschend platzte am Donnerstagnachmittag die Nachricht herein: Elias Saad wird den FC St. Pauli verlassen und zum FC Augsburg wechseln. Damit verliert der FCSP einen Spieler, der in der Vorsaison aufblitzen ließ, was für einen großen Impact er in der Bundesliga haben kann, der aber auch von Verletzungen gebeutelt wurde und noch nicht endgültig in der Liga angekommen ist.
Durch diesen Abgang ist beim FC St. Pauli nun völlig klar, dass die eigene Offensive keinen kleinen und auch keinen großen, sondern einen nahezu kompletten Umbruch durchläuft. Aktuell befinden sich mit Danel Sinani und Dapo Afolayan nur noch zwei Offensivspieler im Kader, die in der Vorsaison auf viel Spielzeit kamen (und ja, ich weiß, Dapo… da ist auch nicht sicher, ob er bleibt). Es wird also zum Saisonstart, vielleicht sogar schon zum Vorbereitungsstart noch ein oder mehrere neue Gesichter beim FC St. Pauli geben. Aber zurück zu Saad:
Dass Elias Saad mal in der Bundesliga landet, davon waren viele, die den gehobenen Hamburger Amateurfußball verfolgen, bereits länger überzeugt. Zu gut waren die Leistungen, die Saad im Trikot von Eintracht Norderstedt in der Regionalliga Nord zeigte. Als er dann Ende 2022 zum FC St. Pauli wechselte, prasselten von vielen Seiten Glückwünsche auf den FCSP ein. Und es dauerte nur wenige Monate, bis auch allen in der 2. Bundesliga klar wurde: Elias Saad, der in seiner Jugend nie ein NLZ besuchte, ist ein außergewöhnlicher Fußballer. Und gerade weil er bis dahin nie richtig professionell trainiert wurde, lag (und liegt auch weiterhin) die Vermutung nahe, dass sein Potenzial ziemlich hoch ist.
Elias Saad hat nicht nur Fußball gespielt, sondern war auch ein sehr erfolgreicher Futsalspieler. Das ist heute ein großer Vorteil für ihn, genauso wie das Nicht-Besuchen eines NLZ. Denn Saad macht auf dem Platz Dinge, die viele Gegenspieler nicht kennen. Sein Körperschwerpunkt ist anders, man kann anhand der Bewegung seines Oberkörpers nicht erkennen, in welche Richtung er den Ball als nächstes bewegen wird. Sein Antritt auf den ersten Metern ist explosiv. Das sind Dinge, die man nicht in der Ausbildung im NLZ lernt, sondern die man eher beim Futsal oder, etwas platt ausgedrückt, auf der Straße lernt. Genau das macht Saad so wertvoll als Offensivspieler.
Entsprechend hatte Elias Saad auch nur kurz Anlaufschwierigkeiten, fasste beim FC St. Pauli relativ schnell Fuß. Obwohl er in Sachen Athletik noch weit weg war von Mit- und Gegenspielern, konnte er bereits im Frühjahr 2023 offensiv Akzente setzen. Seinen ersten Treffer wird er als geborener Hamburger wohl nicht vergessen: Er traf direkt bei der Hamburger Stadtmeisterschaft. Und die darauf folgenden letzten fünf Spiele der Saison 22/23 war er plötzlich Stammspieler beim FC St. Pauli, ließ in Darmstadt noch einen weiteren Treffer folgen.
Der Sommer 2023 half Elias Saad dann dabei, im athletischen Bereich massiv aufzuholen. Saad startete auch in die Saison 23/24 als Stammspieler, hatte Dapo Afolayan auf die rechte Offensivseite verdrängt und war besonders in der ersten Saisonhälfte ein extrem wichtiger Faktor in der FCSP-Offensive. Sieben Treffer erzielte er in der Spielzeit, stieg mit St. Pauli in die Bundesliga auf und alles schien für ihn bereitet, um auch in der höchsten Spielklasse des Landes mächtig Eindruck zu erzeugen.
Doch zu Beginn der Saison 24/25 fand sich Elias Saad auf der Bank wieder. Mit guten Leistungen kämpfte er sich zurück in die Startelf und beim 3:0-Auswärtssieg des FC St. Pauli in Freiburg setzte Elias Saad (zwei Treffer, eine Vorlage) ein ganz, ganz fettes Ausrufezeichen. Ein wohl zu fettes, zumindest hatte es der Mainzer Dominik Kohr kurz danach auf Saad abgesehen und sorgte unter gütiger Mithilfe des Schiedsrichters dafür, dass Elias Saad mehrere Monate mit einer Verletzung ausfiel. Nach seiner Rückkehr im Frühjahr 2025 hatte sich die Situation beim FCSP geändert: Mit Noah Weißhaupt gab es nun einen direkten Konkurrenten auf seiner Position, der seine Sache gut machte. Saad, der auch lange nach seiner Rückkehr immer wieder mit Schmerzen im lädierten Fuß zu kämpfen hatte, konnte in der Rückrunde nicht mehr so richtig durchstarten. Kurz vor Saisonende erlitt er eine Muskelverletzung. So war das Spiel in Bremen die letzte Partie von Elias Saad im Trikot des FC St. Pauli.
Nun geht es für ihn beim FC Augsburg weiter. Zugegeben, auf der Torte aller Bundesligaclubs ganz sicher nicht die schönste Kerze. Daher ist die erste Reaktion vieler FCSP-Fans auch „Warum gerade Augsburg?“ Die Gründe dafür sind sicher nicht so romantisch, aber eben auch in gewisser Weise verständlich. Elias Saad unterschrieb dort einen Vertrag bis 2029 und wird natürlich dafür mit mehr als einer warmen Mahlzeit am Tag entlohnt. Da sollten wir alle keine Augenwischerei betreiben: Der FCA ist ein gestandener Bundesligist, der Gehaltssprung von Elias Saad dürfte daher gewaltig sein und er wird dort Geld in einer Dimension erhalten, die für den FCSP einfach nicht machbar ist. Das ist schon eine eher bittere Erkenntnis, dass der (finanzielle) Abstand zur, nennen wir es mal „unteren Mittelklasse“ der Bundesliga so groß ist. Saad, but true…Aber Geld ist natürlich nicht alles (hoffentlich): Der FC Augsburg befindet sich in einer Art Aufbruchsstimmung, hat mit Sandro Wagner einen interessanten neuen Cheftrainer, der dort einen offensiveren Spielstil entwickeln möchte. Das dürfte Elias Saad gefallen.
Der letzte Auftritt von Elias Saad im Trikot des FC St. Pauli: Im April gegen Werder Bremen.
(c) Stefan Groenveld
Der FC St. Pauli erhält im Gegenzug eine Ablösesumme, die dem Vernehmen nach bei etwas mehr als zwei Millionen Euro liegt, durch Bonus-Zahlungen sogar noch weiter anwachsen kann. Ich muss zugeben, dass ich so eine Zahl letzten Sommer als viel zu gering eingestuft hätte. Saad verkörperte einen Rohdiamanten, war jemand, dessen Potenzial noch nicht ausgeschöpft schien. Doch wir müssen auch berücksichtigen, wie Elias Saad in der Bundesliga angekommen ist. Ja, er hat vereinzelt aufblitzen lassen, dass er einen richtig fetten Impact haben kann. Aber er war eben auch lange verletzt und hat im Anschluss nicht mehr so richtig in die Spur finden können, war gegen Saisonende kein Stammspieler mehr beim FC St. Pauli. Schaut man ganz nüchtern auf die Zahlen, so ist eine solche Ablösesumme schon realistisch und alles andere als viel zu gering.
Entsprechend ist dieser Wechsel für alle Seiten verständlich: Der FC St. Pauli erhält eine gute Ablösesumme für einen Spieler, bei dem man sich nicht ganz sicher sein kann, ob er in der Bundesliga wirklich Fuß fassen wird (und der nach der kommenden Spielzeit ablösefrei gewesen wäre). Der FC Augsburg investiert eine für den Club überschaubare Summe in das Potenzial von Saad. Das wird er nun vielleicht beim FCA abrufen können, vielleicht aber auch nicht.
Ja, ich schreibe mir das hier ein bisschen schön. Denn auch wenn Elias Saad in der letzten Spielzeit nur vereinzelt zeigen konnte, wie gut er sein kann, so ist da immer noch das Gefühl, dass dieser ehemalige Futsalspieler, der nie in einem NLZ gewesen ist, sein Spiel nochmal auf ein ganz anderes Level heben kann. Ich bin jedenfalls geneigt, dem FC Augsburg zu diesem Transfer zu gratulieren, würde aber eben auch behaupten, dass der FC St. Pauli hier nicht als Verlierer dasteht, obwohl er einen Spieler verloren hat. Sowieso ist völlig klar:Lieber Elias, alles Gute und viel Erfolg in Augsburg! Mögest Du den FC St. Pauli immer in bester Erinnerung behalten. You’ll never walk alone!// Tim
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