Rund um das Spiel in Mönchengladbach | OneFootball

Icon: Rund um den Brustring

Rund um den Brustring

·13. Mai 2021

Rund um das Spiel in Mönchengladbach

Artikelbild:Rund um das Spiel in Mönchengladbach

Am vorletzten Spieltag trifft der VfB zu dritten Mal in dieser Saison auf Borussia Mönchengladbach. Vor dem Spiel am Niederrhein haben wir uns mit VfL-Fan Christoph vom Blog MitGedacht. unterhalten.

Rund um den Brustring: Hallo Christoph und vielen Dank, dass Du Dir Zeit für unsere Fragen nimmst..


OneFootball Videos


Christoph: Sehr gerne. Tach an alle Leserinnen und Leser!

Zunächst zu Dir: Wie bist Du Borussia-Fan geworden?

Da wurde mir ehrlich gesagt keine andere Wahl gelassen. Seit jeher fahren fast alle fußballinteressierten Mitglieder meiner Familie zur Borussia. Mein Vater erzählte früher immer wieder von den glorreichen 70ern und vom legendären 12:0 gegen Borussia Dortmund. Das hat natürlich eine extreme Faszination und Neugier geschürt. Mit dieser goldenen Vergangenheit hatten meine ersten Stadion-Zeiten Mitte/Ende der 90er dann allerdings herzlich wenig zu tun. Und doch habe ich diese ersten Stadionerlebnisse am Bökelberg mit meinem Vater, meinem Bruder und unserem besten Jugendfreund total genossen: Der Weg zum Stadion, das erste Erblicken der Flutlichtmasten, die steilen Ränge, der Rasen weit unten, der Bratwurstgeruch (Bier war damals im U10-Alter ja noch kein Thema), das Vorspiel der Jugendmannschaften, die kultigen Werbesprüche, die für mich als Kind brachial laute Nordkurve. Das war schon alles super aufregend. Für mich gab es wegen solcher Erlebnisse nur Borussia als Verein!

Wie ist denn dann später Euer Blog “MitGedacht.” entstanden?

Über die Jahre sind wir mit einem engen Freundeskreis immer intensiver zu Borussia gefahren. Egal ob Heim- oder Auswärtsspiel – wir waren eigentlich immer dabei und haben auch in der aktiven Fanszene unseren Platz neben Ultras und Kutten gefunden – sagen wir mal als „Normalos“. Mein Bruder, zwei weitere sehr gute Freunde und ich hatten dann das Bedürfnis, uns noch ein bisschen intensiver mit Borussia und den Geschehnissen in der Fanszene auseinanderzusetzen. So entstand 2013 unser Blog MitGedacht. Seit 8 Jahren berichten wir mittlerweile fanjournalistisch mitten aus der Fanszene heraus über unseren Verein und haben uns glaube ich ein ganz gutes Standing erarbeitet. Alle wichtigen Player der Fanszene sprechen mit uns, auch der Verein ermöglicht uns Interviews mit Spielern, Verantwortlichen oder Mitarbeitern. Seit einigen Wochen sind wir darüber hinaus auch mit unserem eigenen Podcast „MitGeredet.“ am Start.

Kommen wir zum sportlichen Teil: Zwei Spieltage vor Saisonende liegt der VfL auf Platz 7 und könnte damit immerhin noch über die neu geschaffene Conference League im dritten Jahr in Folge international spielen. Nur ein Trostpflaster nach einer Saison in der Champions League?

Ich glaube, man muss das aus zwei Perspektiven betrachten. Auf der einen Seite steht da sicher eine nicht zu verhehlende sportliche Unattraktivität der Conference League gegenüber der Königsklasse des Fußballs. Natürlich hat dieser Wettbewerb bei weitem nicht die Strahlkraft, weshalb viele Fans nicht genau wissen, ob sie die Conference League gut finden sollen oder nicht. Ich habe da aber eine relativ klare Meinung zu…

Und zwar?

Natürlich ist der Wettbewerb eine weitere Gelddruckmaschine im modernen Fußball-Konstrukt der UEFA. Aus der Fan-Perspektive finde ich ihn aber eigentlich ganz geil. Wir haben vor einigen Wochen in unserem Podcast noch einmal Erinnerungen an die besten Auswärtstouren aufleben lassen. Dabei waren viele Trips in eher unscheinbarere Städte: Sarajevo, Kiew, Florenz, Nikosia, Sevilla. Da waren schon einige legendäre Trips dabei. Vorausgesetzt wir dürfen pandemiebedingt wieder mitreisen, verspreche ich mir von der Conference League mehr solcher Erlebnisse. Und natürlich kann der Verein auch hier einige Millionen verdienen, die es ohne internationalen Wettbewerb nicht geben würde. Ich schreie also nicht „Hurra“, finde die Conference League aber auch nicht so unnötig wie einige andere Fans. Das passt schon!

Mit dem angekündigten Wechsel Eures Trainers Marco Rose zu Borussia Dortmund nahm das Wechselkarussel so richtig Fahrt auf. In Frankfurt wiederum läuft es, seit der Wechsel von Adi Hütter nach Mönchengladbach feststeht, sportlich gar nicht mehr. Hast Du bei der Borussia einen ähnlichen Effekt bemerkt oder hatte die deftige 0:6-Niederlage in München vergangenes Wochenende andere Gründe?

Marco Rose hat ja schon Mitte Februar seinen Abschied aus Gladbach angekündigt. Danach lief es bei uns lange nicht mehr so rosig (Wortspiel olé) wie zuvor. Daher gab es auch bei uns einen ähnlichen Effekt wie aktuell vermutlich bei Frankfurt und Adi Hütter. Allerdings dachten wir Gladbacher vor unserer 0:6-Blamage jetzt in München, diese Phase sei überwunden. Team, Trainerstab und Management hatten öffentlich noch einmal das klare Ziel Europa ausgegeben und schienen wieder in die Spur zurückzukehren (mit vier zwar glanzlosen, aber effektiven Siegen aus 6 Spielen). Gerade vor diesem Hintergrund finde ich es absolut unverständlich wie man so lust-, plan- und hilflos bei den Bayern antreten kann. Ein echtes Trauerspiel!

Bleiben wir kurz beim Trainer: Welches Fazit ziehst Du kurz vor dem Ende von Roses zweijähriger Amtszeit?

Sagen wir es mal so: Marco Rose hat sich in Mönchengladbach sicher keine Freunde gemacht! Von mir aus kann er seine Ausstiegsklausel ziehen – die ist ihm ja auch vertraglich zugesichert worden von Max Eberl. Die Art und Weise war aber letztlich alles andere als harmoniefördernd. Noch Anfang 2020 hat Rose beispielsweise im Interview mit unserem Blog erklärt, welch große Zukunft er bei der Borussia sehe und was er mit dem Verein aufbauen wolle. Kein Jahr später entscheidet er sich dann für den Wechsel zu Borussia Dortmund. Wie sagt Ihr so schön da unten im Schwabenland: Das hat schon ein „Geschmäckle“ und riecht eher nach schneller Karriere als ehrlicher und authentischer Identifikation. Ich fürchte allerdings, dass das leider das zukünftige Profi-Geschäft ist, mit dem wir Fans uns arrangieren müssen.

Ähnliche Vorwürfe machen aktuell die Frankfurter Fans Adi Hütter. Wie siehst Du die Situation Eures neuen Trainers und erwartest Du von ihm bei Borussia Mönchengladbach?

Also erst einmal finde ich, dass die Situationen von Marco Rose und Adi Hütter nur bedingt miteinander zu vergleichen sind.

Warum das?

Natürlich hat Adi Hütter damals diesen ominösen „Ich bleibe“-Satz bei Sky gesagt – allerdings im Unwissen der personellen zukünftigen Situation bei Eintracht Frankfurt. Darüber hinaus hat er sich aber nach drei überaus erfolgreichen Jahren bei einem Verein entschieden, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Er hat die SGE in diesen Jahren auf ein neues Niveau gehievt, sie zweimal ins internationale Geschäft geführt und für unvergessliche Fußballabende gesorgt – etwa mit dieser legendären Europa-League-Saison damals. Das alles sehe ich bei Marco Rose nicht. Er hat nach eineinhalb Jahren entschieden weiterzuziehen, weil er ein anderes Projekt spannender findet. Letztlich wird er Borussia einmal in die Champions League geführt haben. Das ist gut! In dieser Saison werden wir aber schlechter abschneiden als unter Dieter Hecking vor zwei Jahren. Deshalb erwarte ich mir von Adi Hütter das, was Marco Rose letztlich nicht hinbekommen hat: ein konstant höheres Niveau über mehr als eine Saison. Ich bin zuversichtlich, dass Hütter das schaffen kann!

An welchen Stellschrauben, abgesehen vom Trainer, muss denn Max Eberl Deiner Meinung nach im Sommer drehen, um in der kommenden Saison wieder unter die Top 6 zu kommen?

Im vergangenen Sommer konnte Eberl ja entgegen den Gesetzen des Marktes alle Leistungsträger halten. Das ist für einen Verein wie Borussia Mönchengladbach alles andere als selbstverständlich und wird in diesem Sommer mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr der Fall sein. Es geht also darum eine neue schlagfertige Truppe auf die Beine zu stellen, die dann hoffentlich genau das von Dir angesprochene Ziel erreichen kann: Einen Platz unter den erste 6. Dabei wünsche ich mit ganz persönlich, dass wir wieder ein paar Typen in die Mannschaft bekommen. Irgendwie fehlt mir bei Borussia aktuell ein bisschen das Salz in der Suppe. Es wäre cool und identifikationsstiftend, wenn Eberl da nochmal ein paar coole Typen draufpackt – auch wenn ich mir bewusst bin, dass das eben nicht mehr so wie früher möglich ist.

Kommen wir zu einem speziellen Typen: Der Vertrag von Ibrahima Traoré läuft im Sommer aus, sieben Jahre nachdem er aus Stuttgart an den Niederrhein wechselte. Wie blickst Du auf seine Zeit im Borussia-Trikot zurück?

Noch ist ja nicht gänzlich entschieden, ob er geht oder doch noch ein Jahr bleiben darf. Ich glaube aber „Licht und Schatten“ trifft es ganz gut. Ein illustrer Auswärtsfahrerkreis hat vor einigen Jahren in Turin (wohlmöglich ziemlich alkoholgeschwängert) einen eigenen Song für Traoré getextet. Der Text ging los mit „Er ist schneller als Usain Bolt, hat Messi überholt. Geht er rechts vorbei, zieht nach innen rein, macht das Ding hinein!“ Da steckt ne Menge Wahrheit drin: Traoré hat immer ein unfassbares Tempo ins Spiel gebracht und bei uns sogar gegen Messi und Barcelona gespielt. Wenn er wollte (und konnte), hat er einige sehenswerte Tore geschossen. Irgendwie standen ihm aber immer viele Verletzungen, eine Prise zu viel Eigensinn und letztlich wohl auch das Alter im Weg. Dennoch ein lustiger Typ, der nach allem was man hört auch eine Menge für die Integration der vielen französischsprachigen Spieler bei Borussia getan hat. Sein wohl größtes Vermächtnis ist aber die „IT16“-Loge im Borussia-Park. Ich bin gespannt, ob sie nach dem Sommer bestehen bleibt, sollte er den Verein verlassen.

Es ist nach dem Hinspiel und der Begegnung im Pokal das dritte Aufeinandertreffen zwischen VfL und VfB in dieser Saison. Glaubst Du, die Mannschaft wird am Samstag anders auftreten als in diesen beiden Partien? Wo siehst Du aktuell Stärken und Schwächen?

Unsere aktuelle Schwäche ist der Trend. So eine Sechs-Tore-Klatsche musst Du erst einmal aus den Beinen schütteln. Dazu haben wir glaube ich seit drei Bundesliga-Auswärtsspielen (den Pokal mal ausgenommen) bei Euch nicht mehr gewinnen können. Auch das macht wenig Mut. Eine Stärke unserer Mannschaft ist aber sicher die individuelle Klasse. Wenn die Jungs Bock haben, sind sie zu Vielem in der Lage. Aus meiner Sicht muss die Mannschaft in Stuttgart noch einmal alles reinwerfen, wenn sie die Saison doch noch halbwegs erträglich auf Platz 7 beenden wollen. Deshalb habe ich zumindest die leise Hoffnung, dass es ein erfolgreiches Wochenende wird. Allerdings bin ich da häufig eher als Berufsoptimist unterwegs…

Zum Abschluss: Dein Tipp fürs Spiel?

Bleiben wir optimistisch: 2:1-Heimsieg. Alles andere wäre zu deprimierend nach der vergangenen Woche…

Titelbild: © imago/Ferdi Hartung

Impressum des Publishers ansehen