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·17. Mai 2023
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·17. Mai 2023
Spät getroffen, einen Punkt gegen 1860 München geholt, den Klassenerhalt zu 98 Prozent eingetütet: Eigentlich hätte Rot-Weiss Essen angemessen positiv aus dem Sonntagnachmittag gehen können. Doch die Stimmung ist schwer gespalten, das Klima kein gutes. Und die Sorge, genau dieses in die lange Sommerpause sowie in die neue Saison zu nehmen, sie ist jetzt schon berechtigt.
Am 14. Mai 2022 feierte RWE die ganz große Party, mit einem 2:0-Erfolg über Rot Weiss Ahlen gelang es nach 14 verflixten Jahren, dem Amateurfußball und der Regionalliga West zu entfliehen. Schon am Tag dieses Erfolgs gab es diejenigen, die um Weitsicht bemüht waren. Die versuchten zu vermitteln, dass die Erwartungen nicht schneller wachsen sollten als die Strukturen. Am 14. Mai 2023 ließ sich (einmal mehr) feststellen: Zumindest in Teilen ist diese Mission gescheitert. Trotz des nun sehr wahrscheinlichen Klassenerhalts, trotz des sehr hart erkämpften Punktgewinns gegen eine Mannschaft namens 1860 München, die sich einst als Topfavorit verstanden hatte, war die Stimmung eine sehr gemischte. Gegen Trainer Christoph Dabrowski wird weiter heftig ausgeteilt, allerdings nicht von allen Fans – vor allem aber von der organisierten Szene, die Dutzende "Dabrowski raus"-Schals in die Luft hielten, selbst als sich die Mannschaft nach Abpfiff beim Publikum bedankte.
Skurrile Szenen waren das, auch schon beim Last-Minute-Ausgleich Simon Engelmanns wenige Momente zuvor. Ein Tor, das bei vielen der gut 17.000 RWE-Fans im ausverkauften Heimbereich befreiende Wirkung hatte, aber eben nicht bei allen. Mancher verschluckte sich an seinem Jubel, konnte sich nicht so recht freuen über einen Treffer, der aus Sicht der Kritiker nur verzögernde Wirkung haben würde. Weitere personelle Konsequenzen sollen her, nachdem Sportchef Jörn Nowak bereits freigestellt und durch Marcus Steegmann sowie Christian Flüthmann ersetzt worden ist. Im Stillen wird sich mancher Konkurrent darüber die Augen reiben, Essen ist ja immer noch zweitbester Aufsteiger und wird das Minimalziel Klassenerhalt trotz holpriger Rückrunde erreichen.
Dabrowski selbst kann mit dieser Negativität nichts anfangen. Bei seinem Amtsantritt hatte er den schillernden Klub genau studiert, die wiederkehrenden Verhaltensmuster von außen wie innen einkalkuliert. "Ich wusste doch, dass ich keine Vergnügungssteuer bei einem so wuchtigen und emotionalen Klub zahlen werde“, sagte er im "RevierSport“ vor dem vergangenen Spieltag. "Ich habe Bock, hier weiter etwas zu verbessern und zu entwickeln." Fraglos ist davon zu wenig zu sehen, im Vergleich zum Spätherbst des Vorjahres ist Essen kaum vom Fleck gekommen. Und die Frage, ob nun das Limit des Teams erreicht ist oder das des Coaches, kann nur mit einem Wechsel beantwortet werden. Dringend benötigte Kontinuität ginge dadurch einmal mehr auf unbestimmte Zeit verloren, dafür wäre das kritische Umfeld – für den Moment – besänftigt. Ein Abwägungsprozess.
Die schier endlose Trainerdebatte überlagert dabei viele andere Problemzonen und nimmt alle Parteien, die an der Stagnation im Saisonverlauf ihren Anteil haben, vorerst aus der Schusslinie. Dass RWE in gesamter vorderster Linie für größere Ziele qualitativ zu schwach besetzt war, wurde immer offensichtlicher – nicht nur weil ein Vollstrecker fehlte, sondern auch effiziente Außenbahnspieler. Im Mittelfeld zählte das Neuzugangstrio Rother/Götze/Fandrich nominell mit zum Besten der Liga, lieferte aber nur Durchschnitt ab. In der Abwehr geht Essen auf dem Zahnfleisch, weil einige Leute fehlen. Doch gerade auf den defensiven Außenbahnen überschätzte Essen das eigene Potenzial. Wie groß der Umbruch im Sommer wird, ist noch nicht absehbar, sechs Abgänge um Cheftorschütze Simon Engelmann stehen bereits fest. Das neue Leitungsduo wird aber bessere Arbeit leisten müssen als ihr Vorgänger. Denn in der Preis-Leistungs-Tabelle dürfte Essen einen Abstiegsrang belegen.
Dass der Umbruch erfolgen muss, ist aber klar. Und das ganz unabhängig von der Personalie, um die in diesen Wochen so oder so noch ausgiebig diskutiert wird: Christoph Dabrowski. Dabei gilt es noch letzte Ziele zu erreichen: Ein Punkt fehlt ja zum sicheren Klassenerhalt, und das kommende Wochenende führt RWE zum direkten Verfolger aus Halle. Eine weitere Belastungsprobleme für das Binnenklima ist je nach Spielausgang denkbar, bei einer Niederlage geht es runter auf Platz 16. Dass der einzig verbliebene Rivale Oldenburg, der die besagten sechs Zähler samt neun Toren Rückstand binnen zwei Spielen noch aufholen müsste, nach dem vermeintlichen Pflichtsieg gegen Absteiger Zwickau dann noch zu Dynamo Dresden fährt, macht den absoluten Worst Case aber unwahrscheinlich.
Essens wahres Saisonfinale ist nicht das Heimspiel gegen Verl am 38. Spieltag, sondern das Landespokalfinale gegen Viertligist Oberhausen am 3. Juni. Hier gibt es für Profis und Coach keine Ausreden mehr: Essen muss die Teilnahme am DFB-Pokal sichern, alles andere würde den Verein (mal wieder) in eine unruhige Sommerpause stürzen.