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·29. Januar 2022

Reisende soll man nicht aufhalten…

Artikelbild:Reisende soll man nicht aufhalten…

Finn Ole Becker verlässt den FC St. Pauli nach Saisonende. Er wird zur neuen Saison für die TSG Hoffenheim spielen. Damit verlässt nicht nur eines der größten Talente den FCSP, es endet auch eine auf vielen Ebenen zuletzt nicht mehr so runde Beziehung.(Titelbild: Peter Böhmer)

Das Finn Ole Becker den FC St. Pauli verlassen würde, wurde im Laufe des Jahres 2021 immer klarer. Im April liefen laut Andreas Bornemann noch Gespräche über eine Verlängerung. Allerdings wurde auch bereits über ein Szenario nachgedacht, in dem Becker nicht verlängert und das es in diesem Fall auch gemeinsam ins letzte Vertragsjahr gehen würde.So kam es dann auch. Zwar soll es im Sommer ein Angebot von Eintracht Frankfurt gegeben haben, aber das schien nicht im Sinne von Finn Ole Becker zu sein. Das Transferfenster schloss und Becker blieb beim FC St. Pauli. Eine Verlängerung des Vertrages gelang laut Bornemann auch deshalb nicht, da Becker die Beratungs-Agentur wechselte und das vorherige Angebot nun als „nicht gut genug erschien„, wie Bornemann Ende des Jahres berichtete. Eine Verlängerung rückte damit in weite Ferne.


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Ein Idealfall für ein NLZ

In ein NLZ stecken Profifußballklubs sehr viel Geld. Das muss sein, weil es Auflage der Lizenzierungsbestimmungen ist, ein hochwertiges NLZ zu betreiben. Aber es lohnt sich auch aus dem Grund, dass Spieler selbstständig entwickelt werden können und nicht (teuer) eingekauft werden müssen.Finn Ole Becker, geboren in Elmshorn, erlernte das Fußballspielen beim TSV Sparrieshoop und Holsatia Elmshorn. Im zarten Alter von elf Jahren wechselte er 2011 in die Jugend des FC St. Pauli. Dort durchlief er sämtliche Jugendteams. sodass er 2015, im Alter von 16 Jahren, in der U17-Bundesliga für den FC St. Pauli debütierte. Sein Trainer damals: Timo Schultz.

Zwei Jahre später folgte der Wechsel in die U19. Im gleichen Jahr debütierte er in der U18-Nationalmannschaft. Becker durchlief fortan die weiteren U-Teams des DFB (U19, U20 und zuletzt im Herbst 2021 die U21). In der Saison 18/19 fanden Schultz und Becker in der U19 wieder zusammen. Die U19 spielte eine sehr erfolgreiche Saison und Becker war einer der Leistungsträger. Folgerichtig kam es dann im April 2019, unter Jos Luhukay, zu seinem ersten Kurzeinsatz in der 2. Liga beim Unentschieden gegen Bielefeld. Becker zeigte sofort, dass er ein riesengroßes Talent ist. Das war natürlich auch nicht den Verantwortlichen entgangen. Im Herbst 2018, also noch vor seinem Debüt in der 2. Liga, unterschrieb Finn Ole Becker seinen ersten Profivertrag, der gleich relativ langfristig gewählt wurde (es ist jener, der bis heute Gültigkeit hat und nun im Sommer ausläuft). In der Folgesaison war Becker fester Bestandteil des Profikaders und kam auf 28 Einsätze in der Liga. Ein Jahr später, in der Saison 20/21, waren dann auch wieder Timo Schultz und Finn Ole Becker vereint.

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Finn Ole Becker, hier im Einsatz für die U19 des FC St. Pauli, durchlief die gesamte Jugendabteilung des FCSP.

Keine Frage, Finn Ole Becker ist ein ganz fantastischer Spieler und ein sehr großes Talent. Seine Fähigkeiten im Passspiel unter Druck sind enorm und dürften auch der Hauptgrund sein, warum Hoffenheim ihn verpflichtet hat (Analysen seiner Spielweise gibt es hier und hier). Trotzdem muss man auch feststellen, dass er zuletzt kein Stammspieler beim FC St. Pauli mehr war. Im Rautensystem haben Marcel Hartel und Jackson Irvine die Nase vorn gehabt. Das liegt daran, dass Irvine defensiv einfach klar besser ist und mehr Zug zum Tor besitzt als Becker und dieser seinerseits in seiner Entwicklung etwas zu stagnieren schien. Man darf gespannt sein, wie er sich in der 1. Liga macht. Der Fußball dort könnte ihm und seinen Stärken entgegenkommen. Aber er muss sicher an der ein oder anderen Stelle noch zulegen, um auf ein Level mit der Liga zu kommen.

Verlängern oder verkaufen? Nein, verlängern UND verkaufen!

Da es zu keiner Einigung über eine Vertragsverlängerung kam, wechselt Finn Ole Becker nun also ablösefrei nach Hoffenheim. So ideal, wie die Karriere von Becker beim FCSP bis dahin lief, das Ende ist so etwas wie das Worst-Case-Szenario für den Verein. Denn dieser hat viel investiert (wenn ihr mehr über die Logistik und auch Finanzen von NLZ’s wissen wollt, dann schaut mal bei diesem Artikel rein) und bekommt nun am Ende nichts. Klar, es gibt eine Ausbildungsentschädigung, aber das ist im Vergleich zu einer für Becker angemessenen Ablösesumme halt kein nennenswerter Betrag. Das ist schon richtig bitter und Andreas Bornemann machte da im Interview auch keinen Hehl draus, dass diese Situation für den Verein frustrierend ist:

„Grundsätzlich sollten Spieler, die bei St. Pauli ausgebildet und entwickelt wurden und ihre Wertigkeit erreicht haben, nach Möglichkeit etwas zurückgeben, wenn sie den Verein verlassen. Sonst können wir in diesem Stil kein Nachwuchsleistungszentrum betreiben.“Andreas Bornemann (Abendblatt, 20.12.2021)

Ich bin da vermutlich viel zu naiv, aber irgendwie wäre es schön gewesen, wenn sich da auch Dankbarkeit zeigen würde von Spielerseite. Im Idealfall hätte man beides haben können: Becker wechselt und der Verein bekommt trotzdem was dafür. Dazu hätte man den Vertrag verlängern und darin eine Ausstiegsklausel verankern können. Eine, die in der Höhe den Klubs aus der ersten Liga, wo Becker hinmöchte, nicht wirklich wehtut und trotzdem dem FCSP eine gute Summe auf das Konto spült (was weiß ich, 3-4Mio, oder so). Da kann ich mir nicht vorstellen, dass interessierte Klubs aufgrund so einer fixen, eher niedrigen Klausel abgesprungen wären.Aber da bin ich sicher viel zu naiv und es ist viel zu romantisch gedacht, dass ein Spieler bzw. die Berater-Agentur solche Deals mitmacht – denn natürlich geht es bei derlei Transfers auch um viel Geld und das fällt bei Ablösesummen dann natürlich kleiner aus (Stichwort: Vertragsabschlussprämie). Zudem weiß ich auch gar nicht, wie die Gespräche verlaufen sind und ob es vielleicht auch Enttäuschungen auf Seiten von Becker in den Verhandlungen gab, also wie das laut Bornemann „sehr gute“ Angebot in den Augen der Becker-Seite aussah.

Artikelbild:Reisende soll man nicht aufhalten…

Vielleicht wäre es auch im Fall von Finn Ole Becker möglich gewesen den nächsten Karriereschritt zu gehen und zeitgleich dem eigenen Klub etwas zurückzugeben.

Sicher ist aber, dass der FC St. Pauli nun seine beiden größten Talente der letzten Jahre verloren hat und in beiden Fällen eher wenig dafür bekommt. Igor Matanović unterschrieb zu Saisonbeginn einen Vertrag in Frankfurt und ließ sich direkt wieder an den FCSP verleihen (da sind wir uns nicht sicher, ob das so ein guter Deal war). Dem FC St. Pauli wurden dafür kolpotierte 500.000,- € gezahlt. Bei Finn Ole Becker fließt nun gar keine Ablöse und er bleibt dem Klub auch nicht noch länger erhalten (da er ein ähnliches Angebot aus Frankfurt dem Vernehmen nach ablehnte).Das ist dann doch schon ziemlich wenig, was da für den FCSP rausspringt beim Weggang von zwei großen Talenten. Ja, Reisende soll man nicht aufhalten. Aber aus Sicht der Klubs, die die Spieler zu Profis machen, wäre es gut, wenn sie für etwas mehr als Kost und Logis aufkommen würden.

Es ist bereits jetzt klar, dass die Achterposition beim FC St. Pauli, ob mit oder ohne Raute gespielt, ab Sommer wieder eine Baustelle ist. Das war auch bereits letztes Jahr so, als Rodrigo Zalazar den Verein verließ. Mit Hartel und Irvine kamen starke Neuzugänge und es bleibt zu hoffen, dass auch dieses Mal die richtigen Entscheidungen getroffen werden.

Trotz allem ist das für Finn Ole Becker natürlich eine riesengroße Chance und ein wichtiger Schritt auf der Karriereleiter, den er sich ganz bestimmt wohl überlegt hat. Man muss ja auch klar sagen, dass Eigengewächse es in ihren Klubs ab einem gewissen Punkt nicht immer nur leicht haben und ein Wechsel dadurch quasi vorprogrammiert ist.Wir wünschen dir, Finn Ole, alles Gute für die Zukunft!

//Tim

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