Rap-Gott und Trainerliebling: Das ist Ukraines Allzweckwaffe | OneFootball

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Jan Schultz·13. Juni 2021

Rap-Gott und Trainerliebling: Das ist Ukraines Allzweckwaffe

Artikelbild:Rap-Gott und Trainerliebling: Das ist Ukraines Allzweckwaffe

Betongrauer Himmel, aschgrauer Boden, silbergrauer Drahtzaun. Was nach der Einleitung von Fifty Shades of Grey klingt, ist tatsächlich das exakte Gegenteil von leidenschaftlicher Lust und einem anregendem Ambiente. Dabei gab sich ein 17-jähriger Blondschopf doch die größte Mühe, einen Hauch von fußballerischer Sinnlichkeit auf die ebenso rauen wie tristen Asphaltplätze in Moskau zu zaubern. Die Rede ist von Oleksandr Zinchenko.

Lange, mittlerweile sieben Jahre, ist es her, dass der gebürtige Ukrainer sich als Flüchtling auf den vor Aussichtslosigkeit triefenden Bolzplätzen der russischen Metropole fit gehalten hat. Als er versuchte, sich in Duellen mit Amateurteams für Größeres zu empfehlen. Für den Profibereich, dem er vor seiner Flucht aus der Heimat ob des Donbass-Konflikts als Ausnahmetalent im U19-Team von Shakhtar Donezk schon so nahe war.


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„Er war 17, ich war 30, ein paar Typen waren noch viel älter. Es lag auf der Hand, dass er ein bisschen besser als andere Spieler war, aber ich hätte mir niemals vorstellen können, dass er ein Topstar wird“, erinnert sich mit Sergey Telkov einer seiner damaligen Mitspieler gegenüber ‚BBC‘. Und doch ist Zinchenko heute genau das.

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Aus der ukrainischen Nationalmannschaft ist er schon lange nicht mehr wegzudenken. Mit 19 Jahren löste der Linksfuß Nationalheld Andriy Shevchenko als jüngsten Torschützen ab, mittlerweile ist er auch der jüngste Kapitän der osteuropäischen Nation. Auf Klubebene ist der Mann, der in der Jugend einst als zu schmächtig galt, nicht minder gefragt. Bei den Titelhamstern von Manchester City setzte er sich gegen viele Widerstände durch und ist mittlerweile als Linksverteidiger gesetzt.

„Alex hat viel gekämpft, um heute hier zu sein“, erkannte Pep Guardiola zuletzt stolz auf einer Pressekonferenz an. Der Katalane gilt in seinen Lobeshymnen oftmals als überschwänglich. Wenn er über Zinchenko spricht, klingt es aber anders. Es klingt nicht nach der endlosen Aneinanderreihung von „super“, sondern vielmehr so, als spräche er über seinen Lieblingsschüler.

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So hat der Übungsleiter gleich eine ganze Liste an Dingen parat, die er an seinem Schützling schätzt. Ihm imponiert, dass sich der Ukrainer nicht hat ausleihen lassen, weil er sich durchbeißen wollte. „Das bedeutet viel. Zweitens: Er ist jemand, der auf einer fremden Position spielt, sich aber nie beschwert. Drittens: Er macht keine Fehler.“

Was Taktikfanatiker Guardiola nicht ansprach, ihm aber mindestens genauso gefallen dürfte, ist Zinchenkos Akribie. So berichtete seine Frau kürzlich, dass sich ihr Gatte alles Mögliche aufschreibt, was ihm in seinen täglichen Begegnungen mit Guardiola auffällt. „Er notiert sich Taktikänderungen, Momente während des Trainings, Innovationen. Er schreibt alles in ein großes Notizbuch und erklärt mir Dinge manchmal.“

Ein weiteres, besonderes Talent

Zinchenko saugt Informationen auf wie ein Schwamm und setzt die Vorgaben in der Folge diszipliniert um. Ob er nun im zentralen Mittelfeld, auf der offensiven Außenbahn oder hinten links spielt. Nimmt man seine enorme Ruhe am Ball, seine Qualität im Passspiel, seine Variabilität und die Finesse seines linken Fußes dazu, wird klar, wieso er ein echter Trainerliebling ist. Und infolgedessen eben auch als der verlängerte Arm auf dem Platz fungiert. Jene Eigenschaften zeigte der Linksfuß bereits früh, führte er Donezks U19-Team doch schon als 16-Jähriger als Kapitän aufs Feld.

Früh zeigte der Ukrainer auch noch ganz andere, abseits des Platzes gefragte Fähigkeiten. So soll Zinchenko in der Kabine gerne mal singen, viel lieber aber noch rappen. Während seiner Zeit beim russischen Erstligisten FK Ufa wurde der TV-Sender ‚Match TV‘ darauf aufmerksam und produzierte in der Folge ein Musikvideo mit dem Fußballer.

Dass er noch wenige Monate zuvor auf den fahlen Betonplätzen Moskaus einen schüchternen Eindruck bei seinen Mitspieler hinterlassen hat, ist in dem Video plötzlich nicht mehr zu erkennen.

Dass Zinchenko die mausgrauen Fußballfelder binnen kürzester Zeit gegen gleichermaßen bunte wie große Arenen eintauschen würde, schien damals aber auch unvorstellbar. Und doch ist es mittlerweile genau so. Silber glänzen heute indes nur noch die zahlreichen Titel, denen der Blondschopf in seinem Trophäenschrank entgegenblickt.