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·21. Januar 2021

Quo vadis, Chelsea FC? Ist Frank Lampard noch tragbar?

Artikelbild:Quo vadis, Chelsea FC? Ist Frank Lampard noch tragbar?

Spotlight | Der Chelsea FC wähnte sich auf einem guten Weg. In der ersten Saison von Vereinslegende Frank Lampard auf dem Trainerstuhl übertraf man die Erwartungen. Wie konnte es also passieren, dass im Moment das gesamte Projekt Lampard in Frage gestellt wird?

Lampard übertrifft bei Chelsea alle Erwartungen in seiner ersten Saison

Transfersperre, der Abgang von Superstar Eden Hazard (30) und ein Trainernovize auf der Bank. Die Verantwortlichen und Fans der Blues stellten sich vor der Saison 2019/20 auf ein Übergangsjahr ein. Neu-Trainer Frank Lampard (42) sollte sich in Ruhe an seine neue Position als Verantwortlicher des Klubs gewöhnen, für den er 13 Jahre so erfolgreich spielte. Doch die Saison verlief wesentlich besser als erwartet, die Blues qualifizierten sich für die Champions League und zogen in das Finale des FA-Cups ein.


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Einen wesentlichen Anteil daran hatte Lampard. Er setzte konsequent auf junge Spieler aus dem eigenen Nachwuchs. Mason Mount (22) sah die zweitmeisten Spielminuten aller Spieler im Kader, Tammy Abraham (23) und Reece James (21) entwickelten sich ebenfalls zu Stammspielern. Dazu bekamen Fikayo Tomori (23), Callum Hudson-Odoi (20) und Billy Gilmour (19) regelmäßig Einsätze. Die Mannschaft spielte einen erfrischenden Offensivfußball. Alles sah nach einer glorreichen Zukunft für den CFC aus.

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Teurer Transfersommer und starker Saisonstart für Chelsea

Im Sommer 2020 hatte Chelsea eine einmalige Chance. Aufgrund der Corona-Pandemie saß bei den meisten anderen Vereinen das Geld nicht mehr so locker wie in früheren Jahren. Die Blues hingegen hatten dank der Transfersperre im Vorjahr und einem damit einhergehenden Transferplus von über 110 Millionen Euro einen vollen Geldspeicher. Und diesen nutzte man dann auch, um Spieler zu verpflichten, die mit finanziell potenteren Konkurrenten womöglich nicht zu bekommen gewesen wären. Da die Verantwortlichen glaubten, unter diesen Bedingungen einen großen Schritt nach vorne machen zu können, gaben die Blues fast 250 Millionen Euro aus. Dafür wurden sechs Spieler geholt, die nach Möglichkeit alle in die Startelf integriert werden sollten.

Thiago Silva (36) kam ablösefrei aus Paris und sollte der neue Abwehrchef sein. Edouard Mendy (28) sollte den Schwachpunkt im Tor beheben, der Senegalese kam auf dringende Empfehlung von Petr Cech (38) aus Frankreich. Die Verpflichtung von Hakim Ziyech (27) wurde bereits lange vor Ende der Saison spruchreif gemacht. Der Marokkaner wollte unbedingt zu den Blues, anders ist es kaum zu erklären, dass er nach der überragenden Champions-League-Saison 2018/19 noch ein weiteres Jahr bei Ajax Amsterdam blieb. Mit Ben Chilwell (23) kam ein neuer Linksverteidiger aus Leicester, eine Position, auf der es eindeutig Handlungsbedarf gab. Und dann kamen natürlich noch Timo Werner (24) und Kai Havertz (21) aus Leipzig respektive Leverkusen an die Stamford Bridge.

Zu Beginn der Saison spielten die Blues den selben attraktiven Fußball wie in der letzten Saison. Als Mendy und Silva nach vier Spieltagen in die Mannschaft kamen, wurde es auch defensiv deutlich besser. Mendy kassierte wettbewerbsübergreifend in seinen ersten zwölf Einsätzen lediglich drei Gegentreffer und blieb neunmal ohne Gegentor. Und so stand Chelsea nach elf Spieltagen mit 22 Punkten und erst einer Niederlage (0:2 gegen Liverpool FC) auf Platz drei.

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Chelsea: Der Bruch seit dem Everton-Spiel

Doch seit dem 12.12.2020 ist alles anders. An diesem Tag ging es für Chelsea erneut gegen ein Team aus Liverpool, diesmal gegen den Everton FC. Trotz 72% Ballbesitz verlor man absolut verdient mit 0:1. Das Gegentor resultierte dabei aus einem Fehler des bis dato so starken Mendy. Der Keeper kam übermotiviert aus seinem Tor, foulte Dominic Calvert-Lewin (23) und verursachte so den entscheidenden Elfmeter. Anschließend war die Mannschaft nicht mehr die selbe. Man sah den Spielern förmlich an, wie das Selbstvertrauen verpuffte. Und so konnten die Blues aus den acht Spielen seither nur noch zwei gewinnen. In der Formtabelle steht Chelsea in diesem Zeitraum auf Platz zwölf. In der tatsächlichen Tabelle ist Rang acht die Realität.

Spielerisch hat man sich extrem zurückentwickelt, es ist keinerlei Pressing mehr zu sehen, jeder spielt nur noch Alibi-Pässe. Dazu ist die Defensive lange nicht mehr so stabil wie zu Saisonbeginn. Das führte zuletzt auch dazu, dass Lampard immer öfter experimentierte. So stand in drei der letzten vier Spiele der deutsche Nationalspieler Antonio Rüdiger (27) in der Startelf, nachdem der Innenverteidiger zuvor lediglich einmal zum Einsatz kam. Der Trainer scheint im Moment verzweifelt zu sein, doch keine seiner Maßnahmen fruchten: Frank Lampards Trainerstuhl wackelt.

Wer ist Schuld? Lampard oder der Kader?

Die Frage ist nun, wer Schuld an der Misere ist, Lampard oder die Mannschaft. Und die Antwort ist: Beide. Lampard scheint sich so sehr durch schlechte Ergebnisse verunsichern zu lassen, dass er innerhalb kürzester Zeit seine komplette Spielidee des hohen Pressings über Bord geworfen hat. Dazu wirkt es so, als habe er den guten Draht zur Mannschaft, der letzte Saison ohne Frage vorhanden war, verloren zu haben. Immer wieder bemängelt er nach den Spielen die Umsetzung oder das Engagement seiner Spieler – nur selten fällt ein Wort zur Spielphilosophie oder der Taktik. Darüber hinaus sind einige Entscheidungen von Lampard mehr als fragwürdig. Beispielsweise, warum er einen offensichtlich nicht fitten Ziyech so oft spielen lässt. Auch der Umgang mit Tomori und Hudson-Odoi sorgt für Unmut bei den Fans. Doch Lampard ist natürlich nicht alleine das Problem.

Ein mindestens eben so großes ist die Kaderzusammenstellung. Vor allem die Transfers von Werner und Havertz muten seltsam an wenn man bedenkt, in welchem System Lampard spielen möchte. In einem 4-3-3 ist nämlich keiner der beiden deutschen Nationalspieler wirklich zu Hause. Werner ist am besten, wenn er als zweiter Stürmer neben einem großen, kräftigen Stürmer spielen kann, Havertz gehört auf die 10. Beide Positionen gibt es in Lampards System nicht. Und so werden die beiden immer wieder in Rollen gedrängt, die ihnen nicht liegen. Von Schuld freisprechen kann man Lampard hier jedoch auch nicht. Schließlich hat er die Transfers der beiden abgesegnet, irgendetwas muss er sich ja dabei gedacht haben. Sollte zudem an dem Gerücht, dass Lampard sich für den Transfer von Havertz und gegen einen Transfer von Jadon Sancho (20) stark gemacht haben und hierbei sogar die rechte Hand von Besitzer Roman Abramowitsch (54), Marina Granovskaia (46) überstimmt haben soll, stimmen, wirft das nochmal ein schlechteres Licht auf die Kaderplanung Lampards. Sancho wäre genau der Spieler, der den Blues im Moment fehlt.

Chelsea: Zwei Deutsche als Alternative?

Natürlich gibt es allerlei Namen, die in den letzten Wochen durch die Presse gewandert sind. Fünf Trainer klingen auf die ein oder andere Weise interessant genug, um sich mit ihnen etwas zu beschäftigen. Zwei davon sind aus Deutschland: Thomas Tuchel (47) wurde Ende Dezember bei Paris St. Germain entlassen. Er gilt als fachlich hervorragend, charakterlich allerdings nicht ganz einfach. Die Kombination Tuchel – Chelsea könnte perfekt passen, wäre da nicht die Tatsache, dass Tuchel wohl eine Arbeitspause bis zum Sommer präferiert.

Ein zweiter Name, der zuletzt kursierte, war der von Ralf Rangnick (62). Der in der Vergangenheit unter anderm für Stuttgart, Schalke und Leipzig tätige Rangnick ist seit Sommer ohne Anstellung. Zuletzt war er Head of International Relations and Scouting für das Red-Bull-Konstrukt. Rangnick hat Erfahrung darin, Vereine an die Spitze zu führen. Was gegen ihn spricht ist die Tatsache, dass der Deutsche zuletzt sehr viel Einfluss innerhalb der Vereine genommen hat, für die er tätig war. Das könnte zu Konflikten mit Granovskaia führen.

Weitere Kandidaten

Ebenfalls immer genannt wird Massimiliano Allegri (53), wenn es um Trainer für größere Vereine geht. Der Italiener ist seit 18 Monaten ohne Anstellung, zuletzt war er fünf Jahre für Juventus Turin tätig, holte fünfmal die Meisterschaft und erreichte zweimal das Champions-League-Finale. Zudem scheint sein Traum zu sein, einmal in der Premier League trainieren zu können. Hierfür lernt er seit seiner Entlassung fleißig englisch. Ob sein Werdegang und die Art Fußball, für die Allegri steht, den Verantwortlichen bei Chelsea gefallen, darf jedoch bezweifelt werden. Die Tatsache, dass Allegri noch nie außerhalb Italiens auf einem Trainerstuhl saß, dürfte angesichts der Erfahrungen mit Maurizio Sarri (62) zuletzt auch nicht förderlich für seine Chancen sein. Dazu wird der Italiener aktuell sehr stark mit AS Rom in Verbindung gebracht.

Der vierte Kandidat ist Andriy Shevchenko (44). Der ehemalige Weltklassestürmer ist seit über vier Jahren Nationaltrainer der Ukraine. Dort leistet der ehemalige Chelseaspieler sehr gute Arbeit, die Ukraine hat sich unter ihm für die Europameisterschaft qualifiziert, indem man Gruppensieger vor unter anderem Portugal und Serbien wurde. Es dürfte dennoch äußerst unwahrscheinlich sein, dass die Verantwortlichen bei Chelsea nach Lampard direkt das nächste Experiment eingehen, nur weil die betreffende Person ein ehemaliger Spieler ist.

Der letzte Name, der häufiger genannt wird, ist der von Avram Grant (65). Der Israeli saß bereits auf der Trainerbank der Blues, in der Saison 2007/08 wurde er Vizemeister und kam ins Champions-League-Finale. Dieses verlor man im Elfmeterschießen gegen Manchester United (5:6). Seine Leistungen bei Chelsea waren also stark, dennoch ist eine Anstellung äußerst unwahrscheinlich. Zu unspektakulär waren seine letzten Beschäftigungen. In den letzten Jahren war er als Trainer in Thailand, Ghana und Indien unterwegs, seit 2018 ist er ohne Anstellung.

Wie geht es weiter?

Auch wenn Chelsea einen insgesamt recht hohen Trainerverschleiß hat, entließ man zuletzt kaum einen Trainer während der Saison. In den letzten acht Jahren war Jose Mourinho (57) der einzige, der eine Saison nicht zu Ende bringen durfte. Dennoch häufen sich seit gestern Berichte, dass Lampard kurz vor dem Aus stehe und man bereits mit Nachfolgern verhandle. Sowohl The Athletic als auch der Telegraph berichten davon. Trotz aller Fragen zum Machtgefüge innerhalb des Vereins scheint Ralf Rangnick Kandidat Nummer Eins zu sein. Was Rangnick an einer Anstellung bei Chelsea besonders reizen dürfte wäre eine Zusammenarbeit mit Jody Morris (42). Mit dem Co-Trainer von Lampard wollte Rangnick bereits bei RB gerne zusammenarbeiten, eine solche Zusammenarbeit konnte jedoch nie realisiert werden. Klar ist: Die nächten Spiele werden für Lampard entscheidend sein.

Photo: Imago

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