MillernTon
·6. Dezember 2023
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Schwarz sah einen Platzverweis, Hürzeler wenig Dynamik und Hartel lauschte einer wichtigen Halbzeitansprache – die Stimmen zu Homburg vs. FC St. Pauli.(Titelbild: Peter Boehmer)
Es war alles andere als eine leichte Aufgabe für den FC St. Pauli im Achtelfinale des DFB-Pokals. Rund 45 Minuten lang tat sich der FCSP schwer gegen den tief stehenden FC Homburg. Doch am Ende zahlte sich die geduldige Spielweise des Teams aus, welches zudem defensiv nur ganz wenig zugelassen hatte. Der Spielbericht: Königsdisziplin? Im zweiten Anlauf gemeistert!
Homburgs Trainer Danny Schwarz stellte auf der Pressekonfernz nach der Partie zu Beginn seines Eingangsstatements klar: „Es ist natürlich ein hochverdienter Sieg für St. Pauli.“ Allerdings zeigte er sich auch zufrieden mit der Leistung seines Teams, welches es „bis zur 60. Minute hervorragend gemacht“ habe. Damit meinte Schwarz vor allem die Leistung gegen den Ball, denn: „Nach vorne hätte ich mir die ein oder andere Möglichkeit gewünscht, aber der Gegner hat es hervorragend gemacht.“
In den ersten 45 Minuten hatte der FC Homburg besonders wenig gegen den FCSP zugelassen. „Umso bitterer ist es, dass Du nach einem Standard das 0:1 kassierst,“ ärgerte sich Schwarz. Im zweiten Abschnitt spielte dann auch der Körper einiger Spieler eine immer wichtiger werdende Rolle: „Es war klar, dass es eine Sache der Kondition und der Kraft werden wird. Einige Spieler haben bereits in der Pause muskuläre Probleme gehabt. Da hofft man dann als Trainer, dass die Jungs durchhalten, dem Druck widerstehen und den Lucky Punch fahren. Das war uns leider nicht vergönnt.“So sei beim FC Homburg nach Einschätzung von Danny Schwarz bereits nach dem erneuten Führungstreffer des FC St. Pauli „der Stecker gezogen worden.“ Spätestens dann wurde deutlich, „dass zwischen St. Pauli und uns ein paar Ebenen sind.“
Fabian Hürzeler lobte den FC Homburg: „Sie haben, speziell in der ersten Halbzeit, sehr gut verteidigt“ und erklärte im weiteren Verlauf der Pressekonferenz, dass man erkennen konnte, warum das Team nicht unverdient ins Pokal-Achtelfinale gekommen sei. So war es „das erwartet schwere Pokalspiel“ für den FCSP geworden. Mit der eigenen Defensivleistung war Hürzeler zufrieden („Wir haben so gut wie keine Torchance zugelassen.“), doch dem FCSP gelang es gegen einen tiefstehenden Gegner nicht vorne „Dynamik zu erzeugen,“ was Hürzeler vor dem Spiel als einen der wichtigsten Punkte gegen kompakte Gegner nannte. Zudem sei man „zu ungenau im Passspiel“ und habe „zu wenige Verlagerungen gespielt.“
Trotz dieser Probleme im Offensivspiel ist der FC St. Pauli in Führung gegangen. Hürzeler: „Wir dachten, dass uns das in die Karten spielt, weil es eventuell Räume gibt, die wir nutzen können. So war es leider nicht, weil wir unglücklich das 1:1 kriegen.“ In der Pause habe man das Team daher auf ein „Geduldsspiel“ eingeschworen, doch wie auch Kollege Schwarz auf der Gegenseite, sah Hürzeler einen klaren Knackpunkt in der Partie: „Mit dem 2:1 ist dann der Knoten geplatzt.“
Danny Schwarz erklärte nach Abpfiff, dass er sich den Zweikampf aus der 42. Minute zwischen Lars Ritzka und Markus Mendler noch einmal im Video angeschaut habe und wollte Fabian Hürzeler auf der PK davon überzeugen, dass da eine Rote Karte angebracht gewesen wäre („Fabi, das ist Rot, oder?“). Schwarz: „Da frage ich mich: ‚Wo ist der Video-Schiedsrichter‘?“
Ich kann genau sagen, wo der Video-Schiedsrichter war: Er saß in einem Container am Stadion und heißt Christian Dingert. Und Dingert äußerte sich nach Abpfiff bei „Sky“ zu der Szene. Er erklärte, dass man in der Szene Gelb oder Rot geben könne. Ritzka habe Mendler am Spann getroffen, was unterhalb der „roten Linie“ ist. Ab einem Treffer oberhalb des Knöchels wird oft die Rote Karte gezogen. Dingert unterstützte die Entscheidung des Feld-Schiedsrichters Martin Petersen, sagte aber auch: „Wenn er Rot gegeben hätte, hätte es von unserer Seite auch keinen Einwand gegeben.“ Etwas Glück für den FCSP also in dieser Szene.
Sehr viel eindeutiger wäre eine andere Situation gewesen. Wenn Sascha Burchert bei seiner Rettungsaktion vor dem 1:1 tatsächlich die Hände vor Mendler an den Ball bekommen und ihn so am Torschuss gehindert hätte, dann hätte der FC St. Pauli in Unterzahl weiterspielen müssen. Denn der Ball kam von Karol Mets, Burchert durfte ihn nicht mit der Hand aufnehmen. Hätte er ihn also vor Mendler mit der Hand berührt in dieser Situation, so wäre dies die Vereitelung einer klaren Torchance gewesen. Das wäre mit einer Roten Karte und einem indirektem Freistoß geahndet worden.(Klar auch: Hätte er ihn nach einer Ballberührung von Mendler mit den Händen gehalten, dann wäre es einfach eine normale Parade gewesen.)
Klar, ein Pokalspiel gegen einen Regionalligisten ist kein Zweitligaspiel. Den Klassenunterschied und auch die unterschiedlichen Herangehensweisen an die Partie kann man ziemlich deutlich in den Statistiken wiederfinden. Nie in dieser Saison hatte der FC St. Pauli einen höheren Ballbesitzanteil. Nie spielte er mehr Pässe. Nie fuhr er mehr Positionsangriffe (einen mehr als gegen Delmenhorst). Nie ließ er weniger zu. Nie spielte er mehr erfolgreiche Pässe ins letzte Drittel. Nie war die Quote bei diesen Pässen höher.
Der FCSP ist seiner Favoritenrolle also gerecht geworden, übernahm die Spielkontrolle auf ganzer Ebene. Diese wurde aber auch ganz bewusst überlassen und vor allem in der ersten Halbzeit waren viele der erfolgreichen Aktionen des FCSP eher brotlose Kunst. Selbst die Pässe ins letzte Drittel, eigentlich ein recht zuverlässiger Indikator für ernsthaften Druck auf das gegnerische Tor, verloren in diesem Fall, aufgrund des sehr tief stehenden FC Homburg, an Aussagekraft.
*FotMob
Auffällig ist der unfassbar hohe PPDA-Wert des FC Homburg mit einem Durchschnittswert von über 50. Der PPDA bemisst, wie viele Defensivaktionen (Fouls, abgefangene Pässe, Grätschen, gewonnene Zweikämpfe) ein Team im eigenen und mittleren Drittel hat im Vergleich zu den gespielten Pässen des Gegners in dieser Zone. Die hohe Anzahl an Pässen des FCSP, zusammen mit dem tiefen Agieren der Homburger, wodurch der FCSP im mittleren Drittel oft komplett ungestört hin- und herpassen konnte, hat diesen Wert enorm in die Höhe getrieben.
So tief stand Homburg aber nicht die gesamte Spieldauer über. Sonst wäre ja auch der Ausgleichstreffer gar nicht gefallen. Besonders wenn der FCSP Abstöße hatte, positionierten sich die Gegenspieler für ein hohes Pressing und setzten den FC St. Pauli früh unter Druck. Doch dem Team von Fabian Hürzeler gelang es immer wieder, dieses Pressing zu überspielen (es machte daraus aber oft zu wenig, weil die Anschlussdynamik fehlte), sodass sich Homburg relativ schnell zum tiefen 5-4-1 zurückzog.
Wo wir gerade bei der Erklärung von Statistiken sind: Es gab kürzlich, mal wieder, die Nachfrage nach den komischen Zahlen bei den Kopfballduellen. Denn die Prozentzahlen beider Teams ergeben keine 100, weshalb ich mal die These hatte, dass es auch Kopfballduelle mit unklarem Ausgang gibt. Das ist aber falsch, wie ich jetzt von Wyscout erfahren habe. Ein Kopfballduell wird immer für den Spieler gewertet, der mit dem Kopf als erstes an den Ball kommt, egal, ob der Ball danach ins Aus oder zum Gegenspieler geht (ob das sinnvoll ist, sei mal dahingestellt). Ein Kopfballduell ist aber auch dann weiterhin nur ein Kopfballduell, wenn mehr als zwei Spieler daran beteiligt sind. Verlieren aber zwei Spieler von Team A ein Duell gegen einen Spieler von Team B, dann schlägt sich das doppelt auf die Quote nieder, aber es wird nicht als zwei verlorene Einzelduelle gezählt (= die Anzahl bleibt unverändert, aber die Quote verändert sich).
Hauke Wahl konnte sich über seinen zweiten Treffer für den FC St. Pauli freuen – den ersten erzielte er allerdings im Trikot von Holstein Kiel.
(c) Peter Boehmer
Der FC St. Pauli ließ gegen Homburg nur einen einzigen Torschuss zu. Der gelang unter gütiger Mithilfe des Platzes und von Sascha Burchert und hatte eine Torwahrscheinlichkeit von 80 Prozent. Noch ein gutes Stück höher, nämlich um 13 Prozentpunkte, lag die Torwahrscheinlichkeit beim 2:1 durch Elias Saad. Der Treffer von Hauke Wahl hatte eine Torwahrscheinlichkeit von zehn Prozent, jener von Johannes Eggestein auch. Der schöne Torschuss von Marcel Hartel findet in acht von 100 Fällen den Weg ins Netz, die Qualität des Abschluss war aber enorm (xGOT = 0.45). Da hätte es Hartel etwas leichter haben können: Sein Kopfball in der 12. Minute hatte eine Torwahrscheinlichkeit von 14 Prozent.
Sämtliche xG-Werte (sofern nicht anders markiert) stammen von FotMob.
*xGOT: Expected Goals on Target (xGOT) misst die Wahrscheinlichkeit, dass ein gezielter Schuss zu einem Tor führt, basierend auf der Kombination aus der zugrunde liegenden Chancenqualität Expected Goals (xG) und der Endposition des Schusses im Tor. Dabei werden Schüsse, die platzierter sind und in den Ecken landen, besser gewertet als Schüsse, die direkt in die Mitte des Tores gehen.
„Der Platz war echt gut für die Wetterverhältnisse. Bei dieser Aktion nicht.“ Einen Vorwurf kann man Sascha Burchert bei der Situation rund um den Gegentreffer nicht machen. Und wenn, dann vielleicht nur, dass er sie nicht ganz richtig eingeschätzt hatte, wie er auch selbst sagte: „Ich glaube, dass ich vorher zu viele Situationen mit einem Kontakt gelöst habe. Da wären vielleicht zwei Kontakte angebracht gewesen.“Burchert selbst wollte sich nicht explizit darüber freuen, nun ein weiteres Spiel mehr, das Viertelfinale nämlich, im Tor vor sich zu haben. Vielmehr betonte er, dass er sich auch die Partie in Homburg durch gute Trainingsleistung verdient habe. Ein „Pokal-Torwart“ möchte er also explizit nicht sein, auch Fabian Hürzeler betonte, dass es sowas nicht bei ihm gibt. Aber weitere gute Trainingsleistungen von Burchert dürften dann Ende Januar oder Anfang Februar dazu führen, dass er erneut zwischen den Pfosten stehen darf.
„Mit der ersten Halbzeit können wir einfach nicht zufrieden sein. Wir haben nicht gut gespielt, sind nicht in unsere Abläufe reingekommen, haben keine Dynamik auf dem Platz gehabt,“ erklärte Marcel Hartel nach Abpfiff in klaren Worten. Dann aber habe es von einigen Personen in der Kabine eine „gute Halbzeitansprache“ gegeben, „die wir auch gebraucht haben.“ Jackson Irvine bezeichnete die Gesprächsatmosphäre in der Kabine als „sehr offen“ und deshalb produktiv. Die Folge: „Wir kommen aus der Halbzeit raus und spielen dann ein anderes Spiel.“
Nein, der FC St. Pauli läuft unter Fabian Hürzeler nicht Gefahr, die jeweiligen Gegner zu unterschätzen. Auch deshalb nicht, weil man sich akribisch auf sie vorbereitet. Jackson Irvine erklärte nach dem Spiel: „In den anderen Pokalspielen von Homburg, die wir uns angeschaut haben, sah man bereits, wie gut sie im Umschaltspiel sind. Solche Momente hatten sie auch in der ersten Halbzeit gegen uns, als wir die Bälle zu einfach verloren haben.“Das Team zeigte aber eine „sehr professionelle Vorstellung und eine Reaktion in der zweiten Halbzeit“ und verdiente sich damit das Weiterkommen. Das freut Irvine besonders: „Pokalspiele sind einfach anders. Anders als alle anderen Wettbewerbe, an denen ich je teilgenommen habe. Wir freuen uns wahnsinnig auf das Viertelfinale!“
Vorher soll es den möglichst perfekten Abschluss des Fußballjahres geben, am besten mit Siegen gegen Osnabrück und Wiesbaden. Hartel: „Wir haben Selbstvertrauen in der gesamten Hinrunde gesammelt. Zu Recht. So gehen wir auch die letzten zwei Spiele an. Und wollen natürlich im besten Fall sechs Punkte holen.“
// Tim
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