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·16. April 2020
Pierre Littbarski wird 60: Kleiner Dribbelkönig, große Legende beim 1. FC Köln

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·16. April 2020
Pierre Littbarski wird 60 Jahre jung. Eigentlich unfassbar, denn der „Litti“, wie er im Prinzip von ganz Deutschland genannt wird, gilt ja eigentlich als der Urtypus des Frechdachses … und diese werden bekannt selten richtig erwachsen. Aber die Uhr tickt nun einmal auch für diese Spezies genauso schnell oder langsam wie für alle anderen, es fällt vielleicht bei ihnen bloß nicht so auf.
Rückblende in den Sommer 1978: Der 1. FC Köln ist auf dem Gipfel angekommen. Das Double, bestehend aus Meisterschaft und Pokal innerhalb einer Saison, wurde soeben zum dritten Mal überhaupt erst von einer deutschen Mannschaft eingetütet. Mit Heinz Flohe, Bernd Cullmann, Harald Konopka, Dieter Müller und Herbert „Zimbo“ Zimmermann sollen gleich fünf Kölner mithelfen, den Weltmeistertitel bei der Fußball-WM in Argentinien zu verteidigen.
Am Geißbockheim wurden indessen einige Neulinge begrüßt, allesamt junge Nobodys, unter anderem hießen diese Spieler Stephan Engels, Bernd Schuster und ein kleiner, säbelbeiniger Berliner namens Pierre Littbarski. Letztgenannter war einen Tag nach dem Pokalfinale 1978 erst 18 Jahre alt geworden und hatte sich bei einem A-Jugendturnier einen Platz in das Notizbuch von FC-Manager Karl-Heinz Thielen gesichert.
Mit Hennes Weisweiler hatte der FC seinerzeit wohl einen der anerkanntesten Trainer weltweit und der FC war nun endgültig in der Riege der europäischen Topvereine angekommen. Bis zum Double hatte man zwar mehrfach international durch Erreichen diverser Halbfinals im UEFA-Cup auf sich aufmerksam gemacht, der ganz große Wurf war jedoch noch nicht gelungen. Auch nationale Titel fehlten in diesem Jahrzehnt bis zum Pokalsieg 1977.
Nun war aber das Double dazugekommen, wirtschaftlich stellte man mittlerweile mit dem neuen Stadion im Rücken wieder eine Macht dar, hatte gar mit Roger van Gool als erster Verein einen Millionentransfer realisiert. Zum nächsten großen Deal, den 2,5 Millionen Einkauf von Tony Woodcock, sollte allerdings noch ein Jahr vergehen. Doch allen rund um den Grüngürtel war klar, dass nun die große Epoche des 1. FC Köln folgen würde. Ob da ein Jungspund wie Littbarski sich überhaupt durchsetzen kann?
„Iss et ne Stürmer? Wenn ja, dann nemme mer dä.“
Doch Hennes Weisweiler stand auf junge Talente und als Thielen ihm das Talent von Hertha Zehlendorf schmackhaft machen wollte, fragte der Trainer nur: „Iss et ne Stürmer? Wenn ja, dann nemme mer dä.“ Also schlug Thielen zu und Litti konnte nach Köln kommen, seine Ausbildung zum Finanzbeamten schmiss er hin. Im Nachhinein sicher die richtige Entscheidung.
In Köln angekommen dribbelte sich der kleine Fummler, der ein wenig an den legendären Brasilianer Garincha erinnerte, sehr schnell in die Herzen der Fans und vor allem in das des Trainers. Weisweiler förderte das junge Talent, setzte ihn sogar bereits im ersten Europapokal-Spiel im Europapokal der Landesmeister (heute Champions League) gegen das isländische Team von IA Akranes ein. Und Litti dankte es ihm beim 4:1-Erfolg gleich mit dem ersten Tor der Kölner Europapokal-Saison.
Einen Stammplatz hatte er in der Startruppe aber noch nicht. Für Littbarski lief die erste Saison mit 21 Pflichtspieleinsätzen über drei Wettbewerbe in denen er sechsmal traf, insgesamt dennoch nicht schlecht. Doch insgesamt wurde der sechste Platz und damit das Verpassen der Europapokalplätze als Katastrophe angesehen. Schließlich wähnte man sich auf einen ganz anderen Weg, aber nach dem unglücklichen Ausscheiden gegen Nottingham Forest im Halbfinale des Landesmeister-Cups ging es steil bergab.
Zusätzlich unterstrichen wurde dieser Gesamteindruck durch die unsägliche Entscheidung Weisweilers, die Stars Heinz Flohe und Herbert Neumann nach einem schlechten Spiel beim HSV zu suspendieren. Dies gipfelte sogar in den Verkauf der Seele des Kölner Spiels, denn Flohe wechselte in Folge des Streits mit Weisweiler zum Liga-Konkurrenten 1860 München. Nicht wenige FC-Fans sehen heute darin noch eine richtungsweisende Fehlentscheidung. Double-Kapitän Flohe hätte die jungen Spieler wie Littbarski, Schuster und Engels noch zwei bis drei Jahre führen und mit formen sollen, um dann abzutreten.
Doch fortan war Litti gesetzt und absolvierte ab sofort, sofern nicht verletzt, alle Spiele der Saison in den nun folgenden Jahren. 1980 erreichte Litti mit dem FC bereits erstmalig das DFB-Pokalfinale, musste jedoch den Pott trotz Führung den Düsseldorfern überlassen. Hennes Weisweiler war da übrigens schon nicht mehr dabei, er hatte Köln zwischenzeitlich verlassen, mit Karl-Heinz Heddergott übernahm jedoch ein Trainer, der in jeglicher Hinsicht nicht zum Profifußball passte. Nach dessen kurzer Amtszeit übernahm mit Rinus Michels erneut ein Welttrainer.
Im selben Jahr begann auch Littbarskis Karriere im Nationaldress – zunächst in der U21, dessen Rekordtorschütze er mit 18 Treffern wurde. Ab 1981 spielte Litti dann auch bei A-Mannschaft mit und wurde zu einem der größten WM-Stars, die der 1. FC Köln jemals abstellte. Doch zuvor spielte sich Pierre Littbarski mehr und mehr in der Liga und im Europapokal frei. In der UEFA-Cup-Saison 1980/81 gelangen den „Geißböcken“ legendäre Spiele. Unter anderem wurde der FC Barcelona ausgeschaltet, eine 0:1-Heimniederlage beantwortete der FC mit einem beeindruckenden 4:0-Erfolg im gefürchteten Nou Camp.
Unter den Torschützen: Pierre Littbarski, der mehr und mehr zu einem der hoffnungsvollsten europäischen Talente im Fußball zählte. Nach weiteren Siegen über Stuttgart und einem Litti-Glanzauftritt inklusive Entscheidungstor zum 3:2 in Minute 87 gegen das von Ernst Happel trainierte Standard Lüttich scheiterten die „Geißböcken“ an Ipswich Town zum sechsten Male erneut erst im Halbfinale in einem europäischen Wettbewerb.
In der Saison 1981/82 spielte er sich auch in der Bundesliga immer stärker in den Vordergrund und erzielte fünfzehn Treffer. Mit Klaus Allofs, Klaus Fischer und Paul Steiner kamen in der Spielzeit sportlich wichtige Neuverpflichtungen. Besonders das eigene Müngersdorfer Stadion stellte für die Kölner mit Litti eine Bastion dar: Die „Geißböcke“ kassierten 28 von 34 möglichen Punkten ein. Aber – typisch FC – ein wichtiges Heimspiel zum Ende der Saison verlor man völlig überraschend mit 0:1 gegen Arminia Bielefeld. Damit war die Meisterschaft gegessen, der FC wurde hinter dem Hamburger SV Vizemeister. Es war eine quasi verschenkte Meisterschaft unter Rinus Michels, die ein wenig in Vergessenheit geraten ist.
Littbarskis Erfolgsweg ging 1982 in der Nationalelf weiter, doch eigentlich war der junge Kölner mit Berliner Wurzeln eine der wenigen Lichtblicke einer Weltmeisterschaft, in der es ansonsten wenig Gutes aus dem deutschen Lager zu berichten gab. Immerhin gelangen Littbarski zwei WM-Treffer gegen Spanien und im legendären Halbfinale gegen Frankreich (plus Treffer im Elfmeterschießen). Beim Finale gegen Italien aber konnte der FC-Profi nichts gegen die verdiente 1:3-Niederlage ausrichten. Am Ende aber wurde zumeist nur über das brutale Battiston-Foul des Vereinskollegen Toni Schumacher oder über die „Schande von Gijon“, das unrühmliche Stehgeigerduell gegen Österreich, diskutiert.
Doch ein Jahr drauf sollte der FC endlich wieder ganz oben stehen. Das Pokalfinale 1983 gewann der 1. FC Köln gegen Lokalrivalen Fortuna Köln im Müngersdorfer Stadion mit 1:0. Der Torschütze: natürlich Pierre Littbarski! Aber die Begleitumstände – viele FC-Fans pfiffen die eigene Mannschaft wegen der eher schwachen Leistung im heimischen Stadion bei der Pokalausgabe aus – machen es vielen bis heute schwer, sich über diesen bisher letzten großen relevanten Erfolg zu freuen.
Im Verein ging es für den dribbelstarken Offensivmann fortan eigentlich positiv weiter, die „Geißböcke“ qualifizierte sich immer für den Europapokal, lieferte immer zwischendurch Glanzspiele ab wie zum Beispiel gegen die Glasgow Rangers oder Spartak Moskau, gewann aber keine Titel mehr. Zwischenzeitlich hatte man sich vom gestrengen Rinus Michels getrennt und sich mit Hannes Löhr für eine kölsche Lösung entschieden.
Die nächste große Chance, diesmal gar auf einen internationalen Titel, tat sich 1986 auf. Es war ausgerechnet die Saison in den achtziger Jahren, als der große 1. FC Köln erstmals das Abstiegsgespenst rund um das Geißbockheim wahrnehmen musste. Deswegen hatte Löhr zwischenzeitlich seinen Posten räumen müssen und Georg Keßler übernahm. Aber obwohl sich die Trainerwechsel häuften, ein Pierre Littbarski hatte seinen Stammplatz zumeist sicher.
Es reichte 1986 dann zwar noch für den Klassenerhalt, allerdings schrammte der FC denkbar knapp am ersten UEFA-Cup-Sieg vorbei. Im Hinspiel bei Real Madrid stand es bis zur Auswechslung Littbarskis (für Norbert Dickel) in Minute 85 „nur“ 3:1 für die „Königlichen“. Doch in den Schlussminuten kassierte der FC noch zwei vermeidbare Gegentore. Das Rückspiel fand dann in Littbarskis Heimat Berlin statt.
Angeblich hatten FC-Fans beim Halbfinale gegen Waregem randaliert, die UEFA nahm daraufhin dem Kölnern das Heimrecht ab. In der trostlos-leeren Berliner Arena reichte es zwar zum Sieg gegen Real Madrid, aber das 2:0 war zu wenig, um den Spaniern den Cup noch abjagen zu können. Die letzten fünf Minuten aus dem Hinspiel taten im Nachhinein besonders weh.
Mittlerweile war bekannt, dass Pierre Littbarski den Verein verlassen würde. Der Effzeh hatte längst nicht mehr die finanziellen Mittel früherer Jahre. Verpasste Titel, Trainerwechsel und Transfers hatten Spuren in der Kasse hinterlassen. Racing Club Paris hingegen, ein von einem Großindustriellen mit viel Geld unterstützter aufstrebender Verein, hatte Litti mit hohem Invest in die französische Hauptstadt gelockt. Littbarskis Wechsel stand somit vor der WM 1986 in Mexiko fest.
Im Vorfeld des Turniers verletzte sich der Ballkünstler, fuhr aber mit ins Quartier und konnte auch bis zum Viertelfinale, wenn auch nie über 90 Minuten, in jedem Spiel eingesetzt werden. Dort setzte er gegen Gastgeber Mexiko den Schlusspunkt, als er den entscheidenden Strafstoß im Elfmeterschießen verwandeln konnte. Für das Halbfinale gegen Frankreich und das Finale gegen Argentinien reichte es körperlich aber nicht mehr und so musste Littbarski die zweite WM-Finalteilnahme nach 1982 von der Bank aus verfolgen.
Doch seine Hauptaufgabe sah der zukünftige Pariser Profi im Nachhinein eh darin, zwischen den verfeindeten Blöcken aus Köln und München zu vermitteln. In der Mannschaft stimmte es hinten und vorne nicht, das Klima war zeitweise vergiftet und Littbarski war derjenige, der zwischen den Parteien als eine Art „Kundschafter“ hin- und hergeschickt wurde.
Nach der WM ging es der mittlerweile 26 Jahre alte Fußballer motiviert in seinem neuen Verein an. Doch hier hatten sich mittlerweile die Voraussetzungen geändert, denn einige Führungspersonen waren ausgetauscht worden, unter anderem diejenigen, die auf Littbarski gesetzt hatten. In der Mannschaft gab es dazu einige Mitspieler, die gegen Litti stichelten, insbesondere der französische Europameister von 1984, Luis Fernández, tat sich dabei hervor. Sportlich lief es eher schlecht, auch wenn Littbarski heute gerne erzählt, das es menschlich eher in Ordnung war, so wurde die Sehnsucht nach dem, was er in Köln zurückgelassen hatte, doch mit der Zeit immer größer.
In Köln hatte sich derweil ebenfalls einiges geändert. In der Saison 1986/87 war Georg Keßler nach schwachem Beginn vom Trainerneuling Christoph Daum abgelöst worden. Zusätzlich hatte sich Toni Schumacher per Enthüllungsbuch aus der Mannschaft und aus dem Verein geschrieben. Neue Namen wie Schumachers Nachfolger Bodo Illgner, Thomas Allofs, Morten Olsen, Jürgen Kohler oder auch Armin Görtz waren im Team zu finden.
Auch Pierre Littbarski wurde vom neuen starken Mann im Verein, Udo Lattek und natürlich von Trainer Christoph Daum nach Köln zurück gelockt. Die Aussicht auf den „neuen FC“ ließ den eh bereits abreisebereiten Profi dann schwach werden. Mit seinem eigenen Geld, finanzierte Litti seinen Transfer sogar zu einem gewissen Teil per Darlehen vor. Die triumphale Rückkehr gipfelte beim ersten Spiel gegen Uerdingen in einen Sieg, natürlich gekrönt durch einen Treffer des zurückgekehrten, verlorenen Sohns.
Littbarski selbst bezeichnete seine ersten drei Jahre nach der Rückkehr immer als seine schönste Zeit beim 1. FC Köln. Und ja, es wurde in der Tat eine besondere Epoche. Pierre Littbarskis Comeback beim FC löste endgültig alle Verspannungen, dazu blühte Supertalent Thomas „Icke“ Häßler neben seinem Berliner Mentor auf und es folgte die fußballerisch wohl beste Phase seit langem. Diese war aber nicht nur dem „blauen Pullover“ zu verdanken, den Udo Lattek, zu dieser Zeit technischer Direktor beim FC, ungewaschen und ungeschlagen fast drei Jahreszeiten tragen durfte und damit sein nächstes Umfeld geruchstechnisch erfreute.
Letztlich reichten die Daum-Jahre nicht zu einem Titel, sie wurden dennoch legendär, weil sich Christoph Daum so dermaßen für den FC ins Zeug legte, dass er selbst vor den großen Bayern nicht zurückschreckte und sich im Aktuellen Sportstudio vor einem Millionenpublikum mit Bayerns Uli Hoeneß und dessen Trainer Jupp Heynckes fetzte. Am Ende aber holten die Bayern den Titel, für den 1. FC Köln unter Daum und seinem wichtigsten Profi Littbarski standen ein dritter Platz und zwei Vizemeisterschaften.
Häßler und Littbarski, unterstützt vom kämpferischen Kapitän Stefan Engels, waren in der Lage, fast alle Gegner zu dominieren und man zeigte viel Überraschendes, technisch Hochstehendes. Der FC überzeugte schlicht und auch innerhalb der Mannschaft stimmte es, da hatte auch Littbarski aufgrund seines verbindenden Charakters einen hohen Anteil.
Auch in Europa sorgten Littbarski und Co. für Furore, Siege gegen Glasgow Rangers oder gegen die bockstarke Mannschaft von Roter Stern Belgrad gehören zu den Highlights. Insbesondere das Belgrad-Spiel bleibt unvergessen, als man eine 0:2 Hinspiel-Niederlage in Köln durch ein 3:0 wettmachte. Man erreichte alsdann das Halbfinale gegen Juventus Turin, doch trotz des ordentlichen Hinspiel-Ergebnisses (eine knappe 2:3-Niederlage), schafft es der FC in Köln nicht, das eine Tor zu schießen, was gereicht hätte, um ins Finale einzuziehen. Es blieb gegen die wie üblich abwehrstarken Italiener beim 0:0. Wieder einmal hatten die „Geißböcke“ ein großes Finale nur knapp verpasst. Typisch FC!
Am 8. Juli 1990 wurde Deutschland Weltmeister und es war auch ein großer Tag für den Jubilar, aber auch für den 1. FC Köln, der erstmals gleich vier Weltmeister auf einmal stellen konnte. Pierre Littbarski hatte es in seinem dritten Anlauf endlich geschafft und fast wäre er auch zum Siegtorschützen geworden. Sein Alleingang im Finale zu Beginn der zweiten Halbzeit führte fast zum 1:0, nur weniger Zentimeter strich der Ball nach seinem Flachschuss am Pfosten vorbei. Doch dank Brehmes Elfmeter reichte es auch so zum Titel.
Die Bilder von Pierre Littbarski, Thomas Häßler und Bodo Illgner sowie dem auf der Bank sitzenden Paul Steiner mit dem WM-Pokal sind wohl der letzte große FC-Erfolg, wenn es auch die Nationalmannschaft betraf. Jedenfalls hat seit diesem denkwürdigen Tag kein FC-Spieler jemals wieder eine relevante Trophäe in die Höhe gehalten. Thomas Häßler verließ nach dem WM-Finale den Verein Richtung Juventus Turin, Trainer Daum wurde bereits in Italien auf ungeschickt-trampelige Art und Weise im DFB-WM-Quartier entlassen.
Die 14 Millionen für Thomas Häßler sind bis zum heutigen Tag nicht komplett gefunden worden. Man verpasste es schlicht, Littbarski passende Mitspieler an die Seite zu stellen. Die vom Offensivstar angesprochenen drei Jahre waren vorbei. Ein Jahr später bestand dennoch noch einmal die Chance auf Silberware, denn der FC erreichte unter Trainer Erich Rutemöller das Pokalfinale in Berlin und traf dort auf Werder Bremen. In der Liga hatten die „Geißböcke“ den UEFA-Cup verpasst und gegen Ende einige happige Niederlagen kassiert.
Auf dem Weg ins Endspiel gab es aber einmal mehr einen emotionalen Höhepunkt in der Karriere von Pierre Littbarski: Im Viertelfinale kreuzten die „Geißböcke“ die Klinge mit dem VfB Stuttgart, trainiert vom ehemaligen Kölner Erfolgscoach Christoph Daum. Littbarski hatte sich nach dem WM-Titel am Knie operieren lassen, sein Comeback wurde von den FC-Fans sehnlichst erwartet. Gegen die Schwaben sollte es endlich so weit sein – mit einer kleinen List.
Litti hatte bei seiner Rückkehr ins Mannschaftstraining unter der Woche zunächst angeschlagen gewirkt, im Stadion blieb der Name hinter „seiner“ 10 zunächst leer. Unter großem Jubel erschien dann kurz vor Spielbeginn dort „Littbarski“ – die Masse im Müngersdorfer Stadion tobte. Nach großem Kampf mit einem starken Rückkehrer rangen die „Geißböcke“ den VfB in der Verlängerung durch einen Treffer von Maurice Banach auf Littbarskis Vorlage nieder. „Das emotionalste Spiel meiner Karriere“ – da ist sich der Meisterdribbler auch heute noch sicher.
Im Endspiel gab es für die Kölner nichts zu jubeln: Der FC verlor gegen Bremen in einer umkämpften und ausgeglichenen Partien erst nach Elfmeterschießen, auch Litti verschoss diesmal einen wichtigen Elfer. Der Verein verpasste so die wichtigen Europapokal-Einnahmen und ward seitdem im Berliner Endspiel nicht mehr gesehen. Bremen hingegen schwang sich auf zum Spitzenteam und gewann im Folgejahr den damals noch existenten Europapokal der Pokalsieger.
Nicht der einzige Tiefschlag für die „Geißböcke“, die kurz nach der Finalniederlage ein vielversprechendes Talent auf tragische Weise verloren: Trotz des Riesenschock durch den Unfalltod von Maurice Banach schaffte es der FC in der Saison 1991/1992 unter Trainer Jörg Berger irgendwie, den vierten Platz zu erreichen. Damit wurde der Einzug in den Europapokal noch einmal geschafft, allerdings schieden die Kölner bereits in der ersten Runde gegen Celtic Glasgow aus. Mit Pierre Littbarski kämpfte der FC in der Saison 1992/93 dann nur noch gegen den Abstieg, der hier noch verhindert werden konnte.
Für Litti war nun Schluss, der 33-jährige hatte ein Angebot aus Japan angenommen und wechselte nach Asien, wo er für sich persönlich schöne Jahre erlebte, dem großen Fußball aber Adé sagte. In Köln hinterließ er ein gewaltiges Erbe: 406 Bundesligaspiele (116 Tore), 40 DFB-Pokalspiele (10 Tore), 55 Europapokalspiele (16 Tore), dazu 73 Länderspiele (18 Tore). Nur Toni Schumacher und Wolfgang Overath haben mehr Bundesligaeinsätze für den FC, nur Hannes Löhr und Dieter Müller haben öfter in der höchsten deutschen Klasse mit dem Geißbock auf der Brust gespielt und getroffen.
Umso merkwürdiger, das sein Abschiedsspiel im Jahr 1993 nur verhältnismäßig wenige Zuschauer anzog (um die 20.000) und sich danach der Kontakt zu seinem langjährigen Stammverein sehr schnell abkühlte. Das Verhältnis wirkt bis zum heutigen Tage eher kühl und freundlich-distanziert. Immerhin ist er jetzt auch bereits seit zehn Jahren in Wolfsburg ansässig und beim dortigen Werksverein mittlerweile als Markenbotschafter tätig.
In Fankreisen ist Litti für die Mehrheit ein großer FC-Held geblieben, wenn es auch einige gibt, die ihm eine Co-Trainer-Funktion beim Rivalen aus Leverkusen, auch aufgrund einiger damals provakanter Sprüche aus dieser Zeit Richtung Köln, nicht ganz verzeihen möchten. Pierre Littbarski aber war ein Spieler des 1. FC Köln, der zwei Epochen des Vereins erlebte und maßgeblich prägte. Zum ersten die, als der Verein auf dem Wege war, nach dem gewonnenen Double nach noch Jöherem strebte und dabei – trotz guter Platzierungen – ohne Littbarskis Verschulden letztlich scheiterte.
Zum zweiten prägte er die Zeit und weckte die Hoffnungen nach seiner Rückkehr in der Ära Daum, als der „neue“ 1. FC Köln zurück auf dem Weg zur nationalen Spitze war und den übermächtigen Bayern zeitweise Paroli bieten konnte. Als er den Verein verließ, ging der letzte Superstar auf dem Feld. Graue Zeiten brachen an, die in den ersten Abstieg mündeten. Um die Meisterschaft hat seit Littis Ära keine FC-Generation mehr gespielt. Alles Gute zum 60. Geburtstag, Effzeh-Legende!