Partizan Belgrad – der Gegner des 1. FC Köln ist Stammgast in Europa | OneFootball

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·5. Oktober 2022

Partizan Belgrad – der Gegner des 1. FC Köln ist Stammgast in Europa

Artikelbild:Partizan Belgrad – der Gegner des 1. FC Köln ist Stammgast in Europa

Selbst im funzeligen Licht des Brüsseler Heysel-Stadions war die Jubelschar der Spieler in den schwarz-weißen Trikots zu erkennen. Sie sprangen, tanzten, fuchtelten mit ihren Armen und scharten sich um Velibor Vasović, der sein Team an diesem 11. Mai 1966 im Endspiel um den Europapokal der Landesmeister in der 55. Spielminute mit 1:0 in Führung geschossen hatte – und das gegen den hohen Favoriten, Real Madrid.

Partizan Belgrad hatte als erste osteuropäische Mannschaft das Finale dieses prestigeträchtigen Wettbewerbs erreicht und konnte die Partie gegen die weißgekleideten Spanier erstaunlich offen gestalten – bis zur Führung. Dann machten die Crno-beli, die Schwarz-Weißen, den Fehler, sich zu weit in die eigene Hälfte zurückzuziehen. Real nutzte dies aus, und gewann nach Toren von Amancio und Serena mit einem 2:1-Sieg die Partie und damit auch die begehrte Trophäe – zum sechsten Mal seit Beginn des Wettbewerbs.


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Schon bald zerstreute sich Partizans Team in alle Windrichtungen. Den treffsicheren Angreifer Milan Galić zog es zu Standard Lüttich, seinen Sturmkollegen Vladica Kovačević nach Frankreich zum FC Nantes, den Sieger der Torschützenliste, Velibor Vasović, zu Ajax Amsterdam. Und der Torwart dieser Mannschaft, ein Klassemann, vielfacher Nationalspieler und Mitglied der Weltauswahl, die 1963 England 1:2 unterlag, der wechselte in die Bundesliga zum 1. FC Köln – Milutin Šoškić. Von 1966 bis 1971 gehörte er dem Profikader der Kölner an und hätte ganz gewiss deutlich mehr als die 79 Pflichtspiele für die Domstädter absolviert, wären da nicht die beiden komplizierten Wadenbeinbrüche gewesen, die er sich 1968 und 1969 zuzog, kurioserweise jeweils in Partien gegen den 1. FC Kaiserslautern.

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Milutin Šoškić, von 1966 bis 1971 in Diensten des 1. FC Köln (Photo by William Vanderson/PNA/Fox Photos/Hulton Archive/Getty Images).

Pokalsieger wurde er mit den Geißböcken 1968 nach einem 4:1 im Finale gegen den VfL Bochum – und hätte dies beinahe in seinem aller letzten Spiel für den 1. FC Köln wiederholt, der sich erst in der Verlängerung des Finales 1971 mit 1:2 den Münchener Bayern geschlagen geben musste. Auf der Linie und in der Strafraumbeherrschung gleichstark ist er zudem als untadeliger Sportsmann im Gedächtnis geblieben. Vor wenigen Wochen verstarb er 84jährig in Belgrad, wohin er nach vielen Jahren in den USA zurückgekehrt war.

Šoškić war jedoch beileibe nicht der einzige Spieler mit einer Vergangenheit bei Partizan Belgrad, der seine Fußballschuhe für den 1. FC Köln schnüren sollte. Die tiefsten Spuren hinterlassen hat dabei wohl Zlatko Čajkovski, den alle Welt aufgrund seiner geringen Körpergröße nur Tschik (serbokroat. Čik, „(Zigaretten-)Stummel“) nannte. 1955 wechselte der rechte Außenläufer mit Weltklasseformat zunächst als Spieler zu den Geißböcken, kam jedoch mit Trainer Hennes Weisweiler nicht zurecht, der immer wieder Mängel in Čajkovskis Defensivverhalten anmahnte. Er verließ die Kölner im November 1957, nur um 1961 zurückzukehren – diesmal als Trainer.

Mit begeisterndem Offensivfußball sollte dem 1. FC Köln nun das gelingen, was ihm 1960 noch verwehrt worden war, der Effzeh holte am Ende der Saison 1961/62 die langersehnte Deutsche Meisterschaft durch einen 4:0-Endspielsieg über den 1. FC Nürnberg. Franz Kremers Lebenstraum hatte sich erfüllt. Auch im nächsten Jahr führte Čajkovski die Kölner ins Endspiel, wo sie Borussia Dortmund 1:3 unterlagen. Danach trennten sich die Wege, der temperamentvolle Trainer ging zu Bayern München, holte mit seinem Team den Europapokal der Pokalsieger und kehrte nach einigen weiteren Stationen von 1973 bis Ende 1975 nach Köln zurück, jedoch ohne an frühere Erfolge anknüpfen zu können.

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Milos Jojić  (Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images)

Zu den Spielern mit Partizan-Vergangenheit gehörte auch Milos Jojić, von 2015 bis 2018 beim Effzeh, oder Zoran Tosic, der  – ausgeliehen von Manchester United – die Kölner Fans mit seinen Dribblings von Januar bis Mai 2010 begeisterte. Und schließlich war da auch noch Srdjan Čebinac, der in der Saison 1965/66 zum 1. FC Köln wechselte, nach einem erfolgreichen Probetraining, das er und nicht – wie es gerne fälschlicherweise kolportiert wird – sein bekannterer Zwillingsbruder Zvezdan am Geißbockheim absolvierte. Wie Šoškić vor ihm, zog er sich einen komplizierten Beinbruch zu, der nicht mehr als drei Bundesligaeinsätze zulassen sollte, bevor Čebinac die Geißböcke nach nur einem Jahr wieder verließ.

Dem Ausbildungszentrum von Partizan, das im Belgrader Stadteil Zemun gelegen ist und in Anlehnung an Milanello, dem Trainingszentrum des AC Mailand, Zemunelo genannt wird, entstammen nach wie vor großartige Talente wie Nicola Milenković, Dušan Vlahović oder Filip Stevanović, die mittlerweile die Fans des AC Florenz, von Juventus Turin und Manchester City begeistern.

Stammgast in Europa, eine enorm torgefährliche Offensive und Schwächen in der Abwehr

Und trotzdem gelingt es dem Verein immer wieder, schlagkräftige Teams zu bilden, die alleine in den 2000er Jahren nicht weniger als elf Meistertitel und acht Pokalsiege gewinnen konnten. Aber auch in Europa ist die Bilanz  der Schwarz-Weißen beeindruckend: Seit der Saison 1996/97 haben sie jedes Jahr an einem europäischen Wettbewerb teilgenommen und etwa in der vorigen Saison das Achtelfinale der Europa Conference League erreicht.

Ein zweiter Platz in der serbischen SuperLiga verhalf ihnen nun zur 27. Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb seit 1996. Allerdings mussten sie zunächst eine Enttäuschung hinnehmen, als sie in der Qualifikation zur Europa League gegen den zypriotischen Vertreter AEK Larnaka ausschieden (1:2 und 2:2). In den Play-Offs zur Conference League bekamen sie die Chance, doch noch europäisch zu spielen und nutzen sie gegen das maltesische Team der Hamrun Spartans (4:1 und 3:3).

In den bisherigen Gruppenspielen spielten sie zweimal unentschieden: 3:3 beim 1. FC Slovácko und 1:1 zu Hause gegen OGC Nizza. In der serbischen Liga sind sie nach durchwachsenem Start seit sieben Spieltagen ungeschlagen und haben in dieser Zeit 19 Punkte sammeln können, womit sie nun Tabellenvierter sind und sich in Schlagdistanz zu Tabellenführer und Ortsrivale Roter Stern Belgrad befinden.

Dabei lässt Trainer Gordan Petrić, seit August 2022 im Amt, sein Team taktisch sehr variabel spielen. Mal entscheidet er sich für ein 3-4-3, wie beim Spiel in Slovácko oder wählt ein 4-3-1-2, lässt aber auch mit nur einem zentralen Stürmer spielen. Das letztere System, ein 4-2-3-1, hat sich in den letzten Partien in der Liga sehr bewährt und scheint vom Coach zur Zeit favorisiert zu werden.

Glanzstück der Mannschaft ist zweifellos das Duo Bibras Natcho und Ricardo Gomes. Der 72fache israelische Nationalspieler Natcho ist ein torgefährlicher offensiver Mittelfeldspieler, der zudem gefährliche Standards zu schießen weiß. Der aus Kap Verde stammende Ricardo Gomes ist ein Torjäger par excellence: Beidfüßig, schnell, technisch versiert und körperlich robust hat er dies in der laufenden Saison mit 18 Scorern in 17 Pflichtspielen eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

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Torjäger Ricardo Gomes (Bildmitte) im letztjährigen Conference League-Spiel gegen KAA Gent  (Photo by JASPER JACOBS/BELGA MAG/AFP via Getty Images)

Das Zusammenspiel der beiden, das von einem nahezu blinden Verständnis zeugt, vermag immer wieder Lücken in gegnerische Abwehrreihen zu reißen. Unterstützt werden sie dabei von dem wie Gomes aus Kap Verde stammenden, technisch brillanten Mittelfeldspieler Patrick Andrade, der zudem immer wieder die beiden schnellen Außen Fousseni Diabaté und Queensy Menig in das Angriffsspiel von Partizan einzubeziehen weiß.

Entscheidet sich Trainer Petrić für eine Dreierkette, rücken die beiden offensivstarken Außenspieler Slobodan Urošević und Marko  Živković aus dem Abwehrverbund ins Mittelfeld. In der Innenverteidigung sind Siniša Saničanin und Igor Igor Vujačić gesetzt, zwei erfahrene und körperlich robuste Abwehrspieler, beide jedoch nicht sonderlich schnell auf den Beinen. Im Tor scheint sich Petrić nun für den jungen Aleksandar Popović entschieden zu haben, nach dem der letztjährige Stammkeeper, der erfahrene Nemanja Stevanović, in den ersten vier Pflichtspielen der Saison nicht recht zu überzeugen wusste.

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Partizans Kapitän Slobodan Urošević im Heimspiel gegen OGC Nizza. (Foto: ANDREJ ISAKOVIC/AFP via Getty Images)

Insgesamt zeigt sich Partizan als ein vor allem in Mittelfeld und Angriff ausgesprochen stark besetztes Team, das seine offensive Wucht zuletzt beim überzeugenden 4:1-Sieg über Vojvodina Novi Sad erneut unter Beweis stellen konnte. In der Defensive scheint das Team allerdings verwundbar zu sein. Mit den schnellen Maina, Adamyan und Thielmann sollte der 1. FC Köln die Serben am Donnerstagabend (21 Uhr) vor so manches Problem stellen können.

Eine starke Offensive, Schwächen in der Abwehr: Es könnte eine torreiche Partie werden, das Heimspiel des 1. FC Köln gegen Partizan Belgrad. Sechs Tore fielen beim bisher einzigen Aufeinandertreffen auf Kölner Boden zwischen dem Effzeh und Partizan. Am 11. Dezember 1974 siegten die Domstädter im UEFA-Pokal mit 5:1 durch Tore von Wolfgang Overath, Hannes Löhr, Dieter Müller, Jürgen Glowacz und Heinz Flohe.

Die 18 000 Zuschauer in der Radrennbahn sahen eine kuriose Partie, hatte es doch drei (!) Elfmeter in Halbzeit eins gegeben, von denen kein einziger (!) verwandelt werden konnte.  Overath und Konopka vergaben für die Kölner, Toni Schumacher hielt den Elfer von Partizan.  Erst Overaths Treffer nach der Pause erlöste die frierenden Fans. Auf der Trainerbank des 1. FC Köln saß – Tschik Čajkovski, der bei Partizan einst zum National- und Weltauswahlspieler wurde. Und so schließt sich dann der Kreis.

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