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Philipp Overhoff·1. Juli 2023
🧐 OF Scoutingreport: Passt Felix Nmecha überhaupt zum BVB?

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Philipp Overhoff·1. Juli 2023
Mit Jude Bellingham hat DER Schlüsselspieler der vergangenen Saison den BVB Richtung Real Madrid verlassen. Der Abgang des jungen Engländers war dabei alles andere als überraschend, weshalb es schon länger klar ist, dass der BVB für die Saison 2023/2024 einen neuen Achter sucht.
Schon länger hat sich ein klarer Favorit herauskristallisiert, mit sich dem die Borussen laut übereinstimmender Medienberichten auch schon geeinigt haben: Felix Nmecha soll in Zukunft das schwarz-gelbe Trikot tragen.
Der Neu-Nationalspieler wird also aller Voraussicht nach das schwere Erbe von Bellingham antreten. Ist Nmecha dieser Aufgabe gewachsen und wie gut passt er in das gesuchte Profil? Diesen und weiteren Fragen widmen wir uns im OF Scoutingreport.
Im Sommer 2021 wechselte Felix Nmecha als nahezu unbekannter Spieler für die überschaubare Ablösesumme von 450.000 Euro aus der U23 von Manchester City zum VfL Wolfsburg. Fast zeitgleich verpflichteten die Wölfe auch seinen großen Brüder Lukas, welcher mit 8 Millionen Euro ein deutlich größeres Preisschild trug.
Vor zwei Jahren galt Lukas noch als das wesentlich größere Talent. Erst wenige Wochen zuvor feierte dieser mit der deutschen U21-Nationalmannschaft den EM-Titel. Teilweise wurde sogar darüber gewitzelt, dass die Wölfe Felix lediglich verpflichtet hätten, um Lukas einen Gefallen zu erweisen. Quasi der Thanasis Antetokounmpo der Fußballwelt.
Diese Annahmen waren selbstverständlich schon damals unzutreffend, bereits 2021 konnte man das Talent des jüngeren Bruders erahnen. Zwei Jahre später sehen Aussagen dieser Art allerdings noch einmal um einiges schlechter aus. Felix Nmecha ist beim VfL Stammspieler und Leistungsträger, sammelte in der abgelaufenen Saison neun Scorerpunkte (drei Tore, sechs Vorlagen) und debütierte am 28. März diesen Jahres sogar für die DFB-Elf.
Neben dem Platz aber sorgte er durch äußerst fragwürdige Social-Media-Posts für einige unschöne Schlagzeilen, weshalb viele BVB-Fans einer Verpflichtung des 22-Jährigen mehr als kritisch gegenüberstehen.
Stärken und Schwächen
Die Stärken, die Felix Nmecha auf dem Fußballplatz besitzt, springen einem sofort ins Auge. Der Mittelfeldspieler ist extrem dynamisch, sowohl mit als auch ohne Ball. Für seine Körpergröße von 1,90 Metern ist er äußerst mobil und beweglich. Sein stattliches Gardemaß weiß er auch in Luftduellen einzusetzen, pro 90 Minuten gewinnt Nmecha 2,16 davon (Quelle: FBRef.com).
Der Deutsch-Engländer verfügt des Weiteren über ein gutes Gespür für offensive Läufe. Pro Spiel verzeichnet Nmecha fast zwei Torschüsse, womit er im Vergleich zu anderen Achtern in Europas Top-5-Ligen zu den aktivsten zehn Prozent gehört. Auch bei Ballberührungen im gegnerischen Strafraum rankt er im positionsinternen Vergleich im oberen Viertel. Sein Passspiel benötigt insgesamt noch extrem viel Feinschliff, trotzdem weiß Nmecha, wie er seine Teamkollegen immer wieder in vielversprechende Abschlusspositionen bringt.
Beim Passspiel, das sich nicht im letzten Drittel des Feldes abspielt, hat der Youngster allerdings noch extrem viel Luft nach oben. Nmecha bringt gerade einmal 75 Prozent seiner Zuspiele an die Mitspieler, damit hat er eine schwächere Passquote als 85 Prozent der Spieler auf seiner Position. Auch raumgewinnende Pässe aus dem Mittelfeld heraus zählen momentan noch nicht zu seinem Spezialgebiet.
Vor allem hier gibt es noch einen deutlichen Qualitätsunterschied zu Bellingham, der in der letzten Spielzeit über 80 Prozent seiner Pässe an den Mann brachte und deutlich mehr progressive Bälle als Nmecha spielte. Stand jetzt gehört es definitiv noch nicht zu den Qualitäten des 22-Jährigen einen tiefstehenden gegnerischen Defensivblock zu bespielen, eine Aufgabe, mit der er beim BVB sicherlich häufig konfrontiert sein wird.
An dieser Stelle muss man dem Noch-Wolfsburger aber zu Gute halten, dass der VfL eine gänzlich andere Herangehensweise als Dortmund verfolgt. Niko Kovač steht wie wenig andere Trainer in der Bundesliga für Umschaltfußball.
Auf der defensiven Seite des Balls zeichnet sich Nmecha bisher vor allem durch sein gutes Kopfballspiel und seine Qualitäten als Ballabfänger aus. In Zweikämpfen agiert er noch zu passiv, wirkt im Rückwärtsgang teilweise sogar etwas lethargisch. Die Anlagen hier noch einen gewaltigen Sprung nach vorne zu machen, sind aber zweifelsohne vorhanden.
Für die Dortmunder Fans ist hier sicherlich vor allem der direkte Vergleich zu Jude Bellingham interessant. Auch wenn beide Spieler auf der selben Position zum Einsatz kommen und auch eine gewisse Schnittmenge an Stärken aufweisen, so gibt es im Vergleich zum 19-Jährigen Engländer große Unterschiede im Bereich des Passspiels. Zudem ist Bellingham der deutlich bessere Zweikämpfer.
Seine Dynamik und sein Offensivdrang gleichen einem Spieler wie Sergej Milinković-Savić von Lazio Rom, innerhalb der Bundesliga könnte man Nmecha als einen etwas schnelleren Anton Stach beschreiben.
Felix Nmecha hat sich in den letzten zwei Jahren sehr stark entwickelt und bringt diverse Qualitäten mit, die den Dortmundern enorm weiterhelfen würden. Bezüglich seines Fits mit dem spielerischen Ansatz des BVB gibt es jedoch einige Fragezeichen. Ist er spielstark und ballsicher genug, um die zahlreichen Defensiv-Bollwerke zu knacken, die sich den Schwarz-Gelben in der kommenden Saison in den Weg stellen werden?
Der Noch-Wolfsburger wird sich steigern müssen, doch Dortmund hat sich bereits oft als Pflaster erwiesen, wo Talente den nächsten Schritt machen. Gelingt das Nmecha ebenfalls, werden die Dortmunder viel Spaß an ihm haben.