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·1. März 2025

Noch zaubert der kleine Magier: Vor diesem Karriereende haben wir Angst

Artikelbild:Noch zaubert der kleine Magier: Vor diesem Karriereende haben wir Angst

Verlustgefühle stellen sich oft schon vor dem eigentlichen Abschied ein. Im ganz Großen ist es der nahende Verlust eines Menschen, mit dessen drohender Abwesenheit man sich schon vorher auseinandersetzen muss, im ganz Kleinen ist es der Boden des Plastikbechers, den man schon erahnt, obwohl der Joghurt noch gar nicht aufgegessen ist. Irgendwo dazwischen liegt der wahrscheinlich größte Verlust, der einen als Fußballfan ereilen kann: Das bevorstehende Karriereende des eigenen Lieblingsspielers.

In diesem Format wollen wir auf Spieler schauen, die wir jetzt schon vermissen, obwohl sie noch aktiv sind. Denn genauso wie jeder von uns irgendwann sterben muss und jeder Joghurt irgendwann alle ist, gibt es diese Gewissheit bei Fußballprofis: Wenn man nicht gerade Kazuyoshi Miura heißt, ist irgendwo bei Mitte Dreißig Schluss. Manche holen noch ein paar Jahre mehr raus, doch abgesehen von solchen Sonderfällen wie dem ewigen Miura aus Japan sind 20 Jahre Profifußball für die meisten die absolute Obergrenze.


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Insofern ist unser heutiger Kandidat schon ein kleines Wunder. Er ist 40 Jahre alt, kein Torwart (!) und spielt gerade seine 21. Saison im Profifußball. Ach ja: Und er kann zaubern.

Santiago Cazorla González, der so vor Jahren bei seiner Rückkehr zum FC Villarreal sehr passend vorgestellt wurde, ist ein Magier. In so vielerlei Hinsicht.

Zuerst ist da das ganz Offensichtliche: All die Traumtore, von denen es vor allem während seiner Zeit beim FC Arsenal jede Menge gab. Weitschüsse, die er - klar, warum sollte ein Magier sich da auch einschränken - natürlich mit rechts und links ganz genau gleich gut hinter verdutzten Tormännern unterbringen konnte.

Doch Traumtore allein erfassen die Magie Santi Cazorlas noch längst nicht. Auch abseits vom eigenen Torerfolg, traumwandlerischen Dribblings oder sonstigen Aktionen, für die man Fußballern gern magische Fähigkeiten attestiert, hat sein Spiel einen gewissen Zauber. Denn das, was man zumeist bekommt, wenn man sich Highlight-Clips aus Cazorlas Zeit im Spitzenfußball ansieht, verschleiert ein wenig den wahren Wert, den er während seiner sechs Jahre in England hatte. Für Arsène Wengers Arsenal war er oft sowohl der tiefste als auch der höchste Mittelfeldspieler. Und das eben innerhalb eines Angriffs.

Im Aufbau besorgte er sich den Ball noch höchstselbst von den Innenverteidigern, war dann aber trotzdem ein paar Bilderbuchdoppelpässe später auch der letzte Passgeber vor dem Tor. Zwischen Balleroberung und Torschuss bestand Arsenal jahrelang im Wesentlichen aus Santi Cazorla und Spielern, die von ihm den Ball bekamen und wieder zurückgaben. Ein dementsprechend großes Loch klaffte deshalb in der Zentrale der Gunners, wenn der kleine Magier mal ausfiel. Und das passierte leider viel zu oft. Allein während seiner sechs Jahre in Nordlondon kam der Spanier auf unglaubliche 800 Fehltage.

Doch Cazorla und seine Traumtore und -pässe kamen bis heute immer wieder zurück. Womit wir bei einem weiteren wesentlichen Element seines Zaubers sind: Dem Umgang mit Rückschlägen. Wem all das Vorherige an Magie nämlich immer noch nicht reicht, der kann auf die Geschichte gucken, wie Santi Cazorla von einer Verletzung zurückkam, die ihn beinahe die Fähigkeit zu gehen gekostet hätte.

Nach einer eigentlich harmlosen Knöchelverletzung im September 2013, auf die eine eigentlich genau so harmlose Routineoperation folgte, fing Cazorla sich im Krankenhaus über die OP-Wunde hochresistente Keime ein. Was aber zunächst niemand wusste, sodass die Keime seinen Fuß jahrelang von innen zersetzten, bis die Schmerzen immer größer wurden und es 2016 nicht mehr ging. ”Bakterien aßen acht Zentimeter meiner Achillessehne”, erklärte er 2018 nach einer fast zwei Jahre langen Verletzungspause der ‘BBC’.

Das Erstaunliche: Bis er im Oktober 2016 kaum noch laufen konnte, hatte er unter immer größer werdenden Schmerzen einfach weiter gespielt, obwohl sein rechter Fuß kaum noch zu benutzen war. Die Gabe, mit links genau so gut Traumtore schießen zu können, kam da natürlich gelegen.

Heute ist die Wunde, wegen der seine Ärzte ihm zwischenzeitlich sogar eine Fußamputation in Aussicht gestellt hatten, mit einem Stück tätowierter Unterarmhaut verdeckt. Der Fuß, der mit etwas mehr Pech auch gar nicht mehr da sein könnte, tritt weiterhin professionell in der zweiten spanischen Liga gegen den Ball, wo der heute 40-Jährige für einen Mindestlohn bei seinem Jugendklub Real Oviedo kickt. Wieder so eine Sache, die eine gewissen Magie enthält.

Aber damit haben wir ihn immer noch nicht ganz erfasst, den wahren Cazorla-Zauber. Denn der liegt im Ergebnis von all diesen magischen Fähigkeiten und Geschichten. Einem Ergebnis, das eigentlich immer das Gleiche ist. Die wunderschönen Tore, die elegante Spielweise, seine inspirierende Comeback-Geschichte oder die selbstlose Rückkehr zum kleinen Heimatklub; all das zaubert auf das gleiche Ziel hin: Ein Lächeln im Gesicht von Fußballfans.

Und um dieses Lächeln zu erreichen, hat Santi Cazorla eben nicht nur seine gleich gut funktionierenden Füße oder seine Lebensgeschichte als Werkzeug, sondern auch sich selbst als Person, die man einfach lieben muss. Über das folgende Video versteht man das noch ein wenig besser.

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Er braucht gar keine Füße, ihm reicht schon ein neben ihm sitzender, mittelmäßig englisch sprechender Lukas Podolski, um die Leute zu unterhalten und ihnen mit seinem Charme ein Lächeln ins Gesicht zu zwingen.

All die Monster-Weitschuss-Traumtore? Im Verhältnis dazu fast nur Beifang. Und trotzdem werden wir jedes, das da vor dem nahenden Karriereende noch kommt, aufsaugen, als würden wir den Becher des leckersten Joghurts der Welt auskratzen.