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·15. Dezember 2024
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Nick Woltemade sieht aus wie ein Teenager nach einem extremen Wachstumsschub, mit Beinen wie Stelzen, die erstmal sortiert werden wollen. Sollten Bundesliga-Verteidiger sich aber immer noch von diesen Äußerlichkeiten täuschen lassen, wird ihnen diese Fehleinschätzung schneller um die Ohren fliegen als sie "Jokertor" sagen können. Denn beim Stuttgart-Stürmer ist fast nichts so, wie es zunächst zu sein scheint.
Auch wenn Otto Rehhagel einst sagte, dass man "1,90 Meter nicht lernen" kann, verkörpert Woltemade so gar keine Attribute, die man mit einem Mann seiner Körpergröße verbindet. Trotz fast zwei Metern Körperlänge urteilte bereits Ex-Trainer Ole Werner vor rund zwei Jahren gegenüber der 'Deichstube': "Das Kopfballspiel ist sicherlich etwas, was nicht zu seinen Stärken gehört."
Dass er sein zweites Bundesliga-Tor für Werder dann doch mit dem Kopf erzielte, mag Rehhagels These stützen und würde der Trainer-Legende vielleicht ein selbstzufriedenes, wissendes Nicken entlocken, doch Woltemade machen auch heute noch ganz andere Fähigkeiten aus.
Die waren in dieser Saison bei all seinen Toren für den VfB zu sehen, zu dem er im vergangenen Sommer ablösefrei von Werder Bremen gewechselt war. Und Tore hat er, trotz immer noch geringer Einsatzzeiten, schon so einige gemacht. Ganze sechs in elf Pflichtspielen, wo ihm zusätzlich auch noch ein Assist gelang. Alle 71 Minuten ist er an einem Treffer beteiligt, rechnete der 'SWR' vor.
Beim 2:3 gegen Eintracht Frankfurt am 10. Spieltag setzte er beispielsweise bei einem Gewühl im Strafraum seinen Körper gut ein, schirmte den Ball ab und schloss dann gefühlvoll aus der Drehung ab. Im Pokal gegen Regensburg wurde er tief geschickt und ließ sich auch von einem Schubser in den Rücken nicht aus der Balance bringen, als er mit enger Ballführung den Keeper umkurvte.
Es scheint so etwas wie ein "Signature Move" des 22-Jährigen zu werden, denn auch nach seiner Einwechslung gegen Union Berlin am vergangenen Wochenende erzielte er einen Treffer in ähnlicher Manier. An der Grenze zum Abseits, bot er sich im Rücken des Innenverteidigers für einen Tiefenpass an, nach erfolgtem Zuspiel von Ermedin Demirović lief er frei auf Frederik Rönnow zu und dank einer kurzen Verzögerung einfach um den Köpenicker Schlussmann herum, um dann ins freie Tor zu schießen.
Doch damit nicht genug, Woltemade schnürte gar noch einen Doppelpack. Wieder lauerte er, wieder kam der Steilpass, wieder zeigte er seine unglaubliche Ballbeherrschung und wieder hatte er dadurch freie Bahn in Richtung Rönnow. Diesmal spitzelte er das Leder aber locker am Torwart vorbei ins Netz. Ein bisschen Abwechslung muss halt auch mal sein.
"Er hat uns vor allem heute gezeigt, dass er sehr, sehr wichtig für uns werden kann", lobte Vorlagengeber und VfB-Kapitän Atakan Karazor nach dem Spiel. Woltemade ist auf dem Weg zum Shootingstar der Schwaben, was diese sehr gut gebrauchen können, weil im Sturm aktuell Deniz Undav und El-Bilal Touré ausfallen.
Auffällig bei all seinen Treffern: Die unglaubliche Ruhe, die ihm seine gute Ballbehandlung verleiht. Woltemade überhastet nicht, sondern schließt überlegt und mit Übersicht ab, da er den Blick immer oben haben kann. Seine Füße wissen instinktiv, wie sie den Ball streicheln müssen.
Erneut sollte man sich aber nicht täuschen lassen, denn obwohl ihn diese Beschreibungen wie einen reinen Abschlussstürmer klingen lassen, ist Woltemades Spielweise eine ganz andere. Er ist viel mehr eine hängende Spitze, die sich immer wieder auch in den Zehnerraum fallen lässt, um dort am Kombinationsspiel teilzunehmen. In Bremen kam er deshalb auch oft im zentralen Mittelfeld zum Einsatz.
📸 Sebastian Widmann - 2024 Getty Images
Gleichzeitig ist keine wirkliche falsche Neun, da er Pässe auch mit dem Rücken zum Tor annehmen und festmachen kann, um sich dann gegen die Gegenspieler zu behaupten und die Kugel weiterzuleiten.
Bewegt er sich als Stürmer in die zurückgezogeneren Positionen, entledigt er sich zunächst seines Bewachers aus der gegnerischen Abwehrkette, unterstützt seine Mittelfeldkollegen und stößt dann bestenfalls im richtigen Moment nach vorne vor, um in Schusspositionen zu kommen oder im besten Fall ins Eins-gegen-Eins mit dem Torwart geschickt zu werden.
Das ist ihm zuletzt immer öfter gelungen und verbessert er sein Timing bei diesen Situationen weiterhin, könnte er einer der interessantesten jungen Spieler der Bundesliga werden. Mit seinem außerordentlichen Profil, verkörpert er einen beinahe einzigartigen Spielertypen, an den sich die Verteidiger gewöhnen werden müssen, wenn sie sich stattdessen nicht an weitere Jubelbilder des VfB-Angreifers gewöhnen wollen.
📸 Sebastian Widmann - 2024 Getty Images