Neuzugang Elvis Rexhbecaj: Aus dem Kosovo über die Autostadt nach Köln | OneFootball

Neuzugang Elvis Rexhbecaj: Aus dem Kosovo über die Autostadt nach Köln | OneFootball

In partnership with

Yahoo sports
Icon: effzeh.com

effzeh.com

·5. Januar 2020

Neuzugang Elvis Rexhbecaj: Aus dem Kosovo über die Autostadt nach Köln

Artikelbild:Neuzugang Elvis Rexhbecaj: Aus dem Kosovo über die Autostadt nach Köln

Luftveränderung für Elvis Rexhbecaj: Der 22 Jahre alte Mittelfeldspieler wechselt nach fast zehn Jahren beim VfL Wolfsburg für die nächsten 18 Monate nach Köln. Diesen Transfer macht ein Leihkonstrukt möglich, bei dem der 1. FC Köln sich dem Vernehmen nach im Sommer 2021 mit einer Kaufoption die Dienste des Linksfußes dann auch für längere Dauer sichern kann. Nach Mark Uth ist Rexhbecaj der zweite Neuzugang in diesem Transferfenster und damit auch die zweite Verpflichtung der neuen sportlichen Leitung um Horst Heldt. Der frühere Wolfsburger gehört ab sofort dem Kölner Kader an, der sich in Spanien auf die Rückrunde vorbereitet.

Bei seinem Ausbildungsverein aus der Autostadt war er in dieser Saison nur bedingt relevant für die Startelf: Je einem Einsatz im DFB-Pokal und in der Europa League standen drei Spiele in der U23 der Wolfsburger gegenüber, die in der Regionalliga Nord antritt. In der Saison 2018/2019, als der VfL unter Bruno Labbadia Sechster wurde, gehörte Rexhbecaj fast immer zum Kader. Er stand in 13 Spielen in der Startelf und kam elf Mal von der Bank zum Einsatz. Die letzte Saison galt damals als sein Durchbruch im Profifußball, obwohl er bereits im Januar 2018 sein Debüt feierte. Im März 2018 stand er das erste Mal über 90 Minuten auf dem Feld. Doch erst unter Bruno Labbadia, der die „Wölfe“ erst in der Relegation vor dem Abstieg in die 2. Bundesliga rettete und dann in den Europapokal führte, entwickelte sich der Deutsche mit kosovarisch-albanischen Wurzeln zu einem wichtigen Kaderspieler.


OneFootball Videos


Der Rückhalt der Familie nach den Kriegswirren in der Heimat

Zwischen 2010 und 2017 durchlief der 1997 geborene Mittelfeldspieler die fußballerische Ausbildung beim Fußballverein des großen Autokonzerns. Zuvor war er mit seiner Familie aus dem Kriegsgebiet im Kosovo nach Deutschland geflohen, wo sich die Rexhbecajs in Brandenburg niederließen. Dass aus dem ehemaligen Flüchtlingskind ein Profifußballer werden konnte, findet Fabian Wohlgemuth eine „wahre Aufsteigergeschichte“, wie er im Sommer dem Fußballmagazin 11Freunde erklärte.

Artikelbild:Neuzugang Elvis Rexhbecaj: Aus dem Kosovo über die Autostadt nach Köln

Wohlgemuth kennt Rexhbecaj noch aus der Jugend beim VfL Wolfsburg, danach war er bis Oktober 2019 Sportdirektor bei Holstein Kiel. Der Neu-Kölner habe im Kosovo „die Nächte im Luftschutzbunker verbringen müssen“, sein Vater sei „dankbar, zu jeder Tag- und Nachtzeit arbeiten zu dürfen“, beschrieb der Fußball-Funktionär den familiären Hintergrund des Mittelfeldspielers. Er ergänzt: „Diese Belastbarkeit seines Vaters hat Elvis adaptiert und konditioniert.“

„Ich würde nichts ohne die Familie machen.“

Die Verbundenheit zu seiner Familie wird dabei in allen Interviews deutlich. Dem Sportbuzzer erklärte Rexhbecaj über seine Kindheit in Brandenburg und die Zeit nach der Flucht: „Für uns Kinder war das Leben dort gut, für unsere Eltern hingegen nicht einfach. Mein Vater etwa war fast nie zu Hause, weil er viel arbeiten musste – und trotzdem war er am Wochenende bei den Spielen dabei.“ Noch heute verbringe er die meiste Zeit mit seiner Familie, sein Bruder und er teilten sich bis vor kurzem noch ein Zimmer. „Ich würde nichts ohne die Familie machen“, bekräftigte er im Interview. Rexhbecajs Vater arbeitete zwischenzeitlich als Platzwart beim VfL – fortan wird er die Spiele seines Sohnes aber in einer anderen Stadt verfolgen müssen.

Die Beharrlichkeit bringt Rexhbecaj den Erfolg

Ohne Probleme verlief die fußballerische Entwicklung Rexhbecajs aber nicht, wie Wohlgemuth erklärt. „Die Kader werden ja vor jeder Saison neu zusammengestellt und da wurde es einige Male ganz schön eng für ihn. Noch bei den A-Junioren gab es große Zweifel. Aber wir entschlossen uns, es zu probieren.“ Die wichtigste Eigenschaft des Nachwuchsfußballers war offenbar dessen Beharrlichkeit, auch bei Misserfolgen. „Elvis hinkte in der biologischen Entwicklung stets hinterher; und das in einer Zeit, als der Fußball gerade sehr viel athletischer wurde. Er hatte auch mal längere Phasen auf der Bank verbracht“, erinnerte sich der Kieler Sportdirektor im Gespräch mit 11Freunde. Die Reaktion auf diese Phasen allerdings habe allen imponiert – weil Rexhbecaj nie aufgesteckt habe. „Nach fünf Wochen auf der Bank ist Elvis im Training immer noch am meisten gelaufen.“

Mittlerweile ist sein früherer Schützling auf dem Weg zu einem gestandenen Bundesliga-Profi, für dessen Dienste sich dem Vernehmen nach auch der FC Augsburg interessiert haben soll. Noch im Mai hatte der VfL Wolfsburg seinen Vertrag bis 2023 verlängert. Marcel Schäfer, Sportdirektor bei den Grün-Weißen, sagte damals: „Elvis hat sich in den vergangenen Jahren toll und vor allem kontinuierlich entwickelt und den Sprung vom Jugend- zum Bundesliga-Fußballer geschafft, ohne den Fokus für die wesentlichen Dinge zu verlieren. Er arbeitet hart, ist sehr lernbegierig und noch nicht am Ende seiner Entwicklung angekommen.“

Mentalität und Laufstärke zeichnen den Neuzugang des 1. FC Köln aus

Aus Wolfsburger Zeiten stammt auch die Mentalität des Linksfußes, die er über Jahre entwickelte und in die auch seine familiäre Geschichte mit reinspielte. Er versuche, „immer alle mitzureißen“, sagte er gegenüber dem Sportbuzzer. Diese Eigenschaft komme laut ihm aus seiner Jugendzeit, in der er sich immer herankämpfen musste – und natürlich auch von seinem Vater.

Der 1. FC Köln wird sich fortan auf die Laufstärke freuen können, die zu den Stärken Rexhbecajs gehört. Als defensiver Mittelfeldspieler füllt er viele Lücken, arbeitet nach vorne und nach hinten und spult dabei ähnlich wie seine neuen Teamkollegen Jonas Hector und Ellyes Skhiri ordentlich Kilometer ab. „Ich wurde früher schon dafür gelobt“, erklärte der Läufer dem Sportbuzzer und lieferte gleich eine nicht alltägliche Erklärung hinterher: „Mein Bruder und ich sind, als wir noch Kinder waren, immer mit dem Fahrrad zum Training gefahren. Jeden Tag – egal, wie das Wetter war. Für eine Strecke hat man gut 20 Minuten gebraucht, es kann sein, dass das mit dafür gesorgt hat, dass mir die Läufe keine Probleme bereiten.“

Seine Vielseitigkeit als Trumpf

In den letzten zwei Jahren entwickelte sich der 22-Jährige dabei zu einem vielseitig einsetzbaren Mittelfeldspieler, der die Optionen im Herz des Kölner Fußballs nun vergrößert. Dadurch, dass er in der Vergangenheit mit Trainern wie Martin Schmidt, Bruno Labbadia und Oliver Glasner zusammenarbeitete, ist er mit dem offensiven Nach-vorne-Verteidigen bestens vertraut – in der Rückrunde könnte darin ein entscheidender Ansatz für Markus Gisdol liegen. Der Kölner Trainer vertraute bereits bei seinen vorherigen Stationen auf ein lauf- und zweikampfstarkes Mittelfeld, das den Gegner unter Druck setzt und Ballgewinne forciert. Diese Aufgabe dürfte Rexhbecaj entgegenkommen, wie er in seinem letzten Pflichtspiel am sechsten Spieltag der Europa League gegen Saint-Étienne unter Beweis stellte.

Artikelbild:Neuzugang Elvis Rexhbecaj: Aus dem Kosovo über die Autostadt nach Köln

Sportlich war das Spiel bedeutungslos, weil die „Wölfe“ bereits für die Zwischenrunde qualifiziert und die Gäste ausgeschieden waren. In der 4-1-4-1/4-3-3-Grundordnung, die Glasner sich für sein Team überlegt hatte, spielte Rexhbecaj den tiefen Sechser. Er zeigte, dass er sich auf dieser Position wohlfühlte, indem er sowohl die Tiefe verteidigte als auch aggressiv nach vorne austrat, um den ballführenden Gegner unter Druck zu setzen. Als Verbindungsspieler war er auch in den Spielaufbau eingebunden, auch wenn in diesem Spiel nicht alles funktionierte. In seinen weiteren Bundesliga-Einsätzen in der Vergangenheit kam er auch auf anderen Positionen zum Einsatz, sogar als Außenverteidiger lief er bereits auf.

Auf den ersten Blick sinnvoll, aber wo soll er spielen?

Der 1. FC Köln hat mit ihm einen noch entwicklungs-, aber bereits konkurrenzfähigen Mittelfeldspieler verpflichtet, der die Optionen für Markus Gisdol erhöht. Mit Skhiri, Hector, Verstraete, Höger und Rexhbecaj verfügt der Tabellen-Fünfzehnte nun über mehrere Möglichkeiten, sein zentrales Mittelfeld zu besetzen. Von daher ist der Transfer durchaus sinnvoll, wenngleich Akteure wie Koziello, Hauptmann und Schaub momentan immer noch auf der Gehaltsliste stehen und noch keinen neuen Verein gefunden haben. Spannend wird zudem sein, ob Gisdol an der zuletzt erfolgreichen Kombination aus Skhiri, Hector und Drexler im Mittelfeldzentrum rüttelt.

Möglicherweise könnte er das Zentrum durch Rexhbecaj verstärken und Drexler auf die Außen postieren. Wie genau sich der 22 Jahre alte Neuzugang einfügt, wird also die Zukunft zeigen – in jedem Fall ist es dem FC gelungen, für die nächsten anderthalb Jahre einen geerdeten und belastungsfähigen Spieler zu holen, der die wirklich harten Seiten des Lebens kennt und zusammen mit seiner Familie schon ganz andere Probleme bewältigt hat.

Impressum des Publishers ansehen