Rund um den Brustring
·29. Juni 2024
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Mit Ramon Hendriks von Champions League-Mitbewerber Feyenoord hat der VfB seine Innenverteidigung personell weiter verstärkt. Wir haben uns in den Niederlanden nach ihm erkundigt.
Noch ist der Wechsel von Waldemar “Warum sollte ich wegen Geld wechseln wollen, wir fühlen uns in Stuttgart wohl” Anton zum BVB nicht vollzogen, aber Fabian Wohlgemuth hat in der vergangenen Woche nach der Leihe von Frans Krätzig die Abwehrreihe weiter verstärkt — diesmal mit einem linksfüßigen Innenverteidiger namens Ramon Hendriks. Ob der Hiroki Ito und Waldemar Anton ersetzen kann, zumindest perspektivisch, das wollten wir herausfinden und haben uns deshalb bei Experten seines Stammvereins Feyenoord Rotterdam und seines letzten Leihvereins Vitesse Arnhem über ihn erkundigt.
Hendriks wurde am 18. Juli 2001 im Großraum Rotterdam, genauer im fast namensgleichen Dorf Hendrik-Ido-Ambracht, geboren und begann im örtlichen Verein mit dem Fußballspielen. Mit 13 Jahren wechselte er 2014 ins größere Dordrecht, das südöstlich von Rotterdam liegt, in den Nachwuchs des damals für kurze Zeit erstklassigen FC. 2017 schließlich zog es ihn in die große Stadt, zu Feyenoord. Dort durchlief er die Jugendmannschaften bis zur U21, in der U19 lief er sogar als Kapitän auf. Nachdem die U21-Liga im Herbst 2020 coronabedingt abgebrochen wurde, verlieh ihn Rotterdam im Januar 2021 für ein halbes Jahr zum Zweitligisten NAC Breda. Den Machern des Feyenoord-Podcasts Kein Geloel zufolge diente das dem damals 20jährigen vor allem zur Weiterentwicklung, vor allem im Bereich Körperlichkeit und Entscheidungsfindung. Zudem hatte er auf der Innenverteidigerposition mit Marcos Senesie starke Konkurrenz.
Bei Breda etablierte er sich sofort auf der linken Innenverteidiger-Position und qualifizierte sich für die Aufstiegsplayoffs, in denen NAC im Finale allerdings an Nijmegen scheiterte. Nach seiner Rückkehr zu Feyenoord pendelte er 2021/2022 eine Saison lang zwischen der ersten Mannschaft und der U21, debütierte in der Eredivisie und beim 2:1‑Sieg bei Union Berlin auch in der Conference League im Europapokal, bestritt aber auch sieben Spiele in der Nachwuchsliga. Vor allem saß er in dieser Spielzeit aber in der Eredivisie auf der Bank, weil ihm Spieler wie der bereits angesprochene Senesie, aber auch David Hancko als linker Innenverteidiger vorgezogen worden, ebenso wie Tyrell Malacia und Quilindschy Hartman auf der Linksverteidiger-Position. Kein Geloel weisen darauf hin, dass bis auf Senesie alle in ihrer Zeit bei Feyenoord zu Nationalspielern wurden. Hancko ist gerade bei der EM für die Slowakei aktiv, Hartmann und Malacia (mittlerweile bei Manchester United) sind derzeit verletzt, wurden aber zuletzt auch für die Elftal nominiert und wären womöglich auch beim Turnier dabei.
Also wurde er im Sommer 2022 erneut verliehen, diesmal an Ligakonkurrent FC Utrecht. Unglücklicherweise riss er sich im Urlaub das Kreuzband und kehrte zunächst für die Reha nach Rotterdam zurück. Nachdem er im März 2023 drei Spiele für Utrecht über 90 Minuten absolviert hatte, musste er beim 2:1‑Sieg in Groningen bereits nach 29 Minuten mit einer Knieverletzung ausgewechselt werden, die ihn den Rest der Saison kostete. Nach zwei mehr oder minder verlorenen Jahren ging es dann im vergangenen Sommer leihweise zu Vitesse Arnhem, für die Mo Sankoh in der Vorsaison aufgelaufen war. Damals berichtete uns Wilko vom Podcast Studio Langs de Rijn über die Leihe des VfB-Talents und er beantwortete auch diesmal unsere Fragen zu Ramon Hendriks Saison nahe der deutsch-holländischen Grenze.
Um es vorweg zu nehmen: Die Saison verlief verheerend für Vitesse. Am Saisonende standen lediglich ganze sechs Punkte auf dem Konto. Arnhem hatte zwar mehr Punkte geholt, derer 18 aber vom Verband wieder abgezogen bekommen, weil sie gegen die Lizenzbestimmungen verstießen. Jedoch hätten auch 24 Punkte nicht für den Klassenerhalt gereicht und nun steht nach dem Abstieg sogar die Lizenz für die zweite Liga auf der Kippe. Wilko erklärt uns, dass sich Vitesse 14 Millionen Euro von US-Unternehmer Coley Parry geliehen habe, um die von der früheren Vereinsführung angehäuften Schulden in gleicher Höhe zu decken und die Saison zu Ende spielen zu können. Parry habe im Gegenzug die Mehrheit am Verein übernehmen wollen, wogegen aber der holländische Fußballverband KVNB sein Veto einlegte, was wiederum dazu führt, dass Parry sein Geld zurück will — Vitesse steht also ohne Geld und deswegen möglicherweise ohne Lizenz da.
Hendriks habe viel Potenzial, räumt Wilko ein, habe allerdings vor der Saison nur wenig Erfahrung und Spielzeit gehabt, weswegen er nicht zu große Erwartungen an den Leihspieler gehabt habe. Ohnehin sei es so, dass der Druck bei Vitesse geringer sei, Spieler würden sich dort entwickeln, auch mal Fehler machen und dann wieder zu ihrem Stammverein zurückkehren. Hendriks bestritt für Arnhem 32 Partien in der vergangenen Saison in der Liga, hinzu kamen vier Pokalspiele. Wilko zufolge sei er trotz der verheerenden Saison ein stabiler Abwehrspieler gewesen, dem allerdings auch Fehler unterlaufen seien wie hier gegen seinen Stammverein Feyenoord (ab 1:42):
Wilko hätte ihn, die finanzielle und sportliche Situation von Vitesse mal außen vorgelassen, gerne weiter in Arnhem gesehen, um sich weiter zu entwickeln. In der Entwicklung sieht er ihn auch beim VfB noch und prophezeit, dass Hendriks in der kommenden Saison vor allem von der Bank kommen wird, weil er sich noch an das Tempo und die Körperlichkeit im deutschen Fußball gewöhnen muss. Auch die Jungs von Kein Geloel sehen ihn erstmal als Ersatzspieler. Dass er Feyenoord in diesem Sommer verlassen würde, überrascht sie nicht, wohl aber der Wechsel zum VfB, der ja wie Feyenoord auch in der Champions League spielt. Auch sie sprechen ihm ein großes Talent zu, dass aber unter keinem Trainer bei Feyenoord zum Tragen gekommen sei. Wilko plädiert dafür, Hendriks Zeit zu geben, um sich beim VfB zu akklimatisieren.
Ob er das tut, hängt natürlich auch von seiner Spielzeit ab und der Möglichkeit sich in der Abwehr gegen seine Konkurrenz durchzusetzen. Wenig überraschend ist er als linker Innenverteidiger auch ein Linksfuß und ergänzt damit die Riege jener Verteidiger bestehend aus Maxi Mittelstädt, Frans Krätzig, Dan-Axel Zagadou und Jeff Chabot. Wilko lobt seine Geschwindigkeit und auch in Rotterdam hebt man diese hervor, neben seinem starken linken Fuß und seinen Tacklings. Luft nach oben sieht Wilko noch in der Absprache mit den Nebenleuten und bei Kopfbällen. Kein Geloel bestätigen auch, dass er in der Lage ist, das Spiel über Pässe ins Mittelfeld aufzubauen, anstatt den Ball nur nach vorne zu bolzen. Bei Vitesse spielte er vergangene Saison in einem 4–3‑3, weiß Wilko zu berichten, jedoch habe die Abwehr sehr hoch gestanden. Auch der Vergleich mit anderen Innenverteidigern auf FBref.com zeigt seine Stärken im Zweikampf und im Ballbesitzspiel.
Noch ist, wie eingangs erwähnt, der Transfer von Waldemar Anton nicht vollzogen und der VfB verfügt noch nicht über das Geld, um ihn zu ersetzen. Hendriks ist dieser Ersatz selbstredend schon allein wegen der Position in der Innenverteidigung nicht. Jeff Chabot war offensichtlich schon ein Vorgriff auf einen möglichen Abgang von Hiroki Ito, so dass sich Hendriks mit dem hoffentlich vollständig wiedergenesenen Dan-Axel Zagadou sowie eben Chabot um die linke Hälfte der Innenverteidigung duelliert. Angesichts der Erfahrung seiner Konkurrenz und Hendriks mangelnder Spielpraxis auf höherem Level in den letzten Jahren haben Zagadou und Chabot derzeit die Nase vorn, jedoch muss man gerade für Ersteren angesichts seiner Verletzungsanfälligkeit immer jemanden in der Hinterhand haben. Ob Hendriks als Herausforderer ähnlich durchstartet wie in der letzten Saison Rouault und Stergiou auf der rechten Abwehrseite bleibt abzuwarten. Es wird hier an Sebastian Hoeneß liegen, sein volles Potenzial herauszukitzeln. Für eine kolportierte Ablöse von etwa 700.000 Euro macht man mit einem offenbar entwicklungsfähigen Innenverteidiger, der in drei Wochen erst 23 Jahre alt wird, wenig falsch.
Titelbild: © Dean Mouhtaropoulos/Getty Images